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Feminismus im Pott im Interview mit Maxa Zoller (Festivalleitung des IFFF)

Feminismus im Pott im Interview mit Maxa Zoller (Festivalleitung des IFFF) published on Keine Kommentare zu Feminismus im Pott im Interview mit Maxa Zoller (Festivalleitung des IFFF)
Foto © Julia Reschucha

Morgen ist es soweit: Das Internationale Frauen* Film Fest geht morgen an den Start und um euch schon mal einen kleinen Vorgeschmack zu liefern und einen Eindruck zu verschaffen, was euch erwartet, haben wir mit der Festivalleitung Dr. Maxa Zoller gesprochen. Woher das Frauen Film Fest seinen Namen hat, welche Hürden und Möglichkeiten sich im Zuge der Corona-Pandemie ergeben haben und auf welche Filme ihr euch jetzt schon freuen könnt – das alles erfahrt ihr in diesem inspierenden Interview!

Lena: Wofür steht das Frauen* Film Fest in diesem Jahr? Gibt es ein Motto?

Maxa Zoller: Nein, es gibt kein Motto, da wir verschiedene Sektionen mit unterschiedlichen Konzepten haben. Früher war das anders, da hatten wir noch keine Sektionen. Aber mit dem aktuellen Konzept können wir die neuesten Filme zeigen, das war die Idee dahinter. Aber man kann natürlich bestimmte Stimmungen und Themenfelder herauslesen, die sich in den einzelnen Kuratorien zeigen. Und was sich durch alle Filme zieht ist auf jeden Fall die Solidarität und der Zusammenhalt sowie die Verbindungen.

Lena: Es gab eine Namensänderung zu Internationales Frauen* Film Fest, wie kam es dazu? 

Maxa Zoller: Das war ein langer Prozess. Das Festival wurde 2006 neu konzipiert. Es gab vorher ein Dortmunder und ein Kölner Film Fest, die hießen auch anders: Feminale und Femme Totale. Dann wurden die beiden Filmfeste fusioniert und man hatte nicht genügend Zeit sich einen dritten poetischen Namen auszudenken. Dafür hätte man einen anderen Prozess gebraucht. Daher haben wir uns auf eine Beschreibung geeinigt: Was drauf steht ist drin. Das ist trocken und beschreibend, und hat dadurch Vorteile und Nachteile. Es ist ein Begriff aus der Frauenbewegung der 80er Jahre, als Frauen anfingen Filme zu machen, was allerdings überholt ist. Geschichte bleibt ja nicht stehen. Jedoch wollten wir uns nicht von dem Frauen* Film Fest lösen, da es ist, was es ist und eine lange Tradition hat. Das war jedoch ein langer Prozess mit viel Abstimmung innerhalb des Vereins, der dazu führte, dass wir keinen besseren Namen gefunden haben und einen Kompromiss gemacht haben, indem wir es Frauen* Film Fest genannt haben, also Frauen und Film auseinander geschrieben und aus dem Festival ein Fest gemacht haben. So stehen Frauen* und Film eigenständig und das Feiern kommt mehr heraus.

Lena: Warum ist das Frauen* Film Fest so wichtig? Sowohl aus einer künstlerischen als auch aus einer aktivistischen Perspektive? Also warum sollte man euch angucken?

Maxa Zoller: Eine Bewegung ist nie reduziert auf nur ein Format des Protests, sondern es ist in den Formaten verankert. In der kulturellen Gesellschaft, in der politischen und es ist auch eine strukturelle Ungleichheit, die wir angehen und unter die Strukturen gehören alle möglichen Aspekte – da gehört Steuerzahlung dazu, genauso wie Bilder machen. Und wir spezialisieren uns eben auf das Bilder machen, das ist ein ganz großer Teil des Kampfes für Gleichstellung, weil Bilder sowas wie Visionen sind. Sie sind einerseits im Bereich des Konkreten angesiedelt, also z.B. Dokumentarfilme, aber auch im Bereich der Zukunftsvisionen – Wo wollen wir hin und welche Role Models wollen wir? Und ich denke das ist für jede*n Aktivist*in im Idealfall beides: einmal kognitives Informationsfutter, aber gleichzeitig auch sinnliche Unterstützung; ohne die geht’s ja wohl auch nicht.

Lena: Wie hat sich die Corona-Situation auf die Organisation und Konzeption des Frauen* Film Festes ausgewirkt? Welche Hürden gab es dabei und welche neuen Chancen haben sich durch das neue Format vielleicht auch ergeben? 

Maxa Zoller:  Hürde No.1 war, das komplette Festival vom Kino in den virtuellen Raum zu holen. Das ist so, wie wenn man einmal einen Handstand-Überschlag aus dem Stegreif machen muss. Also es ist etwas komplett anderes, wenn man eine Veranstaltung für einen Ort plant oder etwas für einen Screen plant. Dann mussten wir das ganze Team umstellen, d.h. die die früher Catering für das Team gemacht haben, haben jetzt SpatialChat-Räume erstellt und die, die früher hinter dem Projektor saßen und die Filme abgespielt haben, haben jetzt Instagram-Videos geschnitten und die Kurator*innen, die sonst die Auswahl der Filme getroffen haben und dann in der Fest-Woche mit den Gäst*innen in Austausch treten mussten, mussten jetzt im Vorfeld international ausgerichtete Zoom-Videos produzieren. Also es ist alles nochmal eine Drehscheibe weiter und das war eine große Hürde. Gleichzeitig bin ich aber sehr froh, durch diesen Prozess gegangen zu sein, weil wir ganz viel gelernt haben und auch nach Corona nicht alles wieder zurück auf Anfang drehen, sondern viele Elemente wie digitale Präsenz, aber auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf beibehalten werden. Also, wenn ich mir jetzt vorstelle, dass wir am Dienstag unser Fest in das ganze Land streamen werden, bekomme ich eine Gänsehaut, so eine Chance hatten wir noch nie.

Lena: Das ist natürlich auch barriereärmer. 

Maxa Zoller:  Ja, wobei, wenn Du jetzt Barrierearmut ansprichst – wir haben nicht, wie sonst, unsere Akquise für Übersetzungen für Seh- und Hörgeschädigte durchführen können. Man kann dann normalerweise Filme einreichen und sie z.B. in Gebärdensprache übersetzen lassen, dafür gibt es Förderprogramme. Das haben wir nicht geschafft, dafür waren die Kapazitäten unter diesen neuen Umständen nicht da.

Lena: Werden denn im nächsten Jahr, wenn das Festival wieder in Präsenz stattfinden kann, einige digitale Elemente aus der diesjährigen Edition übernommen? 

Maxa Zoller: Werden wir versuchen. Also mein Wunsch wäre, dass wir weiterhin eine Auswahl von Filmen streamen können und dass wir die Stimmung des Festivals durch Zusammenschnitte der Festivalwoche oder – wie dieses Jahr – durch eine Videoaufnahme der Eröffnung rüberbringen und dass wir weiterhin unsere digitalen Medien so gut bedienen.

Lena: Hast Du einen besonderen Filmtipp für unsere Leser*innen? 

Maxa Zoller: Bei Feminismus im Pott muss ich direkt an das Special über Fasia Jansen denken. Zusammen mit Interkultur Ruhr haben wir eine künstlerische Rechercheresidenz ausgerufen. Da haben wir gefragt, wer möchte mehr über Fasia Jansen recherchieren. Sie war die Liedermacherin aus dem Pott, also eigentlich Hamburgerin, aber dann sehr stark bei den Ostermärschen der 1970er und 1980er Jahren involviert und hat das berühmte Lied gemacht “Keiner schiebt uns weg”. Fasia Jansen hat die Hoesch-Frauen und die Heinze-Frauen, die damals  als erstes aus der Frauenbewegung heraus für gleiches Gehalt am Gerichtshof Kassel (BRD) gekämpft haben, singend zusammengehalten. Fasia Jansen ist immer nur als Friedensängerin aus dem Pott bekannt geworden und im Zuge des sagen wir mal immer mehr rassismusbewussten Deutschlands ist jetzt aber auch ihre Person im Kontext zu den damaligen Schwarzen Netzwerken gesetzt worden. Sie war die Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen, aber ihr Schwarsein ist nie thematisiert worden und um diese Leerstelle haben sich Marny Garcia Mommertz und Princela Biyaa, zwei Kulturschaffende gewidmet. In einer zweimonatigen Forschungsresidenz haben Sie in Oberhausen und Dortmund recherchiert. Bei einem Gesprächsabend werden die beiden über ihre Arbeit berichten und so einen intersektionellen Fokus auf den Feminismus im Pott legen – hier im besonderen die Verbindung zwischen der Friedensbewegung der 1970er und 1980er Jahre und der Afrodeutschen Bewegung.

Lena: Zuletzt noch eine Frage zum Spielfilmwettbewerb: wodurch zeichnen sich die ausgewählten Filme aus?

Maxa Zoller: Der Spielfilmwettbewerb ist immer ein großer und langer Prozess des Sichtens und Diskutierens.Du wirst merken, es gibt keinen deutschen Beitrag. Wir haben dieses Jahr keinen gefunden, der der Stärke der internationalen Kolleginnen gegenüberstehen könnte. Das heißt, was ihn ausmacht, ist, dass er wirklich sehr international – also auch nicht nur europäisch ist. Ihn macht außerdem aus, dass es sehr unterschiedliche Filme sind. Man hat Filme, die fast klassische Märchengenres bedienen, wie The Man who sold his Skin bis zu Kammerspielen, wie bei Buried, aber auch fast dokumentarisch-fact-based Filme, wie One in a Thousand und Quo vadis, Aida? bis zu ganz neuen Arten des Drehbuchschreibens wie in Petite Maman, wo Céline Sciamma, also eine der derzeitigen Gallionsfiguren, es schafft, populäre Mysterienformate im Sinne von Dark oder Stranger Things  in einen Film, der weder ein Kinder- noch ein Erwachsenenfilm ist, umzuwandeln und stattdessen eine ganz eigene Kategorie aufmacht. Das muss man erstmal hinkriegen.

Wir haben auch darauf geachtet, dass wir empowernde Frauenfiguren haben.

Lena: Vielen Dank, dass du dir trotz dieser stressigen für uns die Zeit genommen hast, mit uns zu sprechen. Wir haben uns auch gefreut zu sehen, dass jetzt einiges doch wieder in der Schauburg stattfinden kann. Toi, toi, toi und bis bald!

Maxa Zoller: Danke und bis bald!

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