von Lilli Boheme
Gestern Abend folgten wir einem Hinweis nach Köln, der uns sehr neugierig machte. Dort wurden wir Teil der ‚Post-Gender-Performance‘ Gendertrouble in GerMANy, einer Koproduktion von ANALOGTHEATER und studiobühneköln. Ein spannendes Projekt der Kölner Theater- und Performancegruppe, in dem sich Wissenschaft und Kunst gegenseitig bereichern. Vielversprechend auch, da die Künstler*innen auf dem Felde der Geschlechterforschung von Gender-Expert*innen, wie der Kulturwissenschaftlerin und Journalistin Mithu Sanyal und der Studentin der Gender Studies Giovanna Gilges bei der Entwicklung beraten wurden.
Performance in der Performance?
Wie wird Geschlecht konstruiert? Was macht geschlechtsspezifisches Verhalten aus? Wie fühlen wir uns in diesen vorgegebenen Rollen? Entsprechen oder widersprechen sie unserem Innersten?
Das sind nur einige der Fragen, die an dem Abend spielerisch an uns herangetragen wurden. Ziemlich direkt, fast brutal (wie die Gesellschaft nun mal ist) werden wir auf (Geschlechter-)Rollen reduziert – die Lesbe, das Vollblutweib, der Freier. Wir hören einige durch Geschlecht bestimmte Schicksale, die starr erscheinen, ohne Notausgang. Die Stimmung ist an diesem Abend eine Mischung aus Bedrückung und schillerndem Gender-Glamour. Die Stereotype, Vorurteile, trotz alledem (Geschlechts-)Realitäten werden auf uns abgefeuert, was wohl die meisten Köpfe zum Dampfen bringt. Das Spiel der drei grandiosen Darsteller*innen Dorothea Förtsch, Ingmar Skrinjar und Tomasso Tessitori mit ihrem Geschlecht widersetzt sich unserem Wunsch sie in (Geschlechter-)Schubladen zu stecken.
‚Der Maskulinist‘ – verkörpert als Riesen-Penis
Mein persönliches Highlight des Abends war der Moment als Dorothea Förtsch in einem Peniskostüm gekleidet, den Raum betrat und Teile der Hassreden des Autors Akif Pirinçci zitierte. Wieder einmal machten mich die infamen Passagen unmittelbar wütend. Weghören war nicht möglich, da Förtsch die Worte auf die Art und Weise herausbrüllte, wie Pirinçcis sie wohl in seine Tastatur gehackt hatte. Da die öffentliche Aufmerksamkeit kurzfristig ist, kam es einer Genugtuung gleich als der unbedeutend gewordene Maskulinisten-Penis weinend hinter der Leinwand verschwand.
Was zu Beginn starr und ‚natürlich‘ erscheint, wirft schnell Fragen auf und scheint zu verschwimmen. Warum sich für die Unfreiheit der begrenzten Geschlechterrollen entscheiden, wenn changierende Vielfältigkeit lebbar ist? Ist sie das auch wirklich?
Wäre dieses Stück nicht durch die vielen wissenschaftlichen Begriffe und die Geschwindigkeit mit der sie vorgebracht werden, so anspruchsvoll für die Zuschauer*innen, würde ich es als Pflichtveranstaltung in jeder Schule empfehlen.
Also liebe Menschen wer heute und morgen Abend noch nichts vorhat, sollte sich nach Köln begeben. Karten sind noch vorhanden! Wer es dieses Wochenende nicht mehr schafft, hat im Januar noch einmal die Chance Teil dieser Post-Gender-Performance zu werden:
28.01-1.02 – studiobühneköln
Freut euch außerdem auf ein Interview mit dem Regisseur, Performer und Schauspieler Daniel Schüßler, das bald auf unserem Blog zu lesen sein wird!