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Apotheke verweigert den Verkauf der „Pille danach“

Apotheke verweigert den Verkauf der „Pille danach“ published on 3 Kommentare zu Apotheke verweigert den Verkauf der „Pille danach“

von Feminismus im Pott

In der 17. Kalenderwoche wollte unsere Kollegin* in einer Apotheke die „Pille danach“ kaufen. Dieser Erwerb wurde ihr von x diensthabenden Mitarbeiter*in verweigert. Ihr wurde die „Pille danach“ NICHT verkauft. Und dies einundvierzig Tage nach dem 15. März 2015, seit dieses Notfallkontrazeptivum in der Bundesrepublik Deutschland rezeptfrei ist.

Folgende Mitteilung sendete sie an den Apotheker[sic!]Verband Westfalen Lippe.
Bisher ohne Reaktion. Da der Dialog noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden will und in Respekt vor der betroffenen Person, die sich weigerte, die „Pille danach“ zu verkaufen, ist die Mitteilung an dieser Stelle hier anonymisiert.

pilledanach3

Sehr geehrt—————–,

am 24. April 2015 versuchte ich die „Pille danach“ in der ———–Apotheke ————- in ——– bei ———————– zu kaufen.
Auf die Frage wofür ich sie bräuchte, sagte ich, dass ich sie im Notfall einer Verhütungspanne wie beispielsweise einem gerissenen Kondom schnell und sicher zur Verfügung haben möchte (Tatsächlich riet mir die Gynäkologin ——————- genau zu dieser Handhabe).

Mit folgenden Begründungen weigerte sich ————- mir das frei verkäufliche Produkt zu verkaufen:

1. —— würde ein Medikament, das bis vor kurzem noch verschreibungspflichtig gewesen ist, nicht einfach rausgeben.
2. Die „Pille danach“ sei ein Notfallmedikament und nur für Notfälle anzuwenden.
3. —— fühle sich nicht wohl damit, mir die „Pille danach“ zu verkaufen. Ich solle mich nochmal mit anderen Verhütungsmethoden auseinandersetzen.

Ich möchte mich auf Grund dieser Begründungen bei ————- beschweren.

zu 1. Es ist irrelevant, seit wann dieses Medikament rezeptfrei verkäuflich ist. Wie Ihnen wahrscheinlich bekannt ist, musste die deutsche Blockade der Freigabe der „Pille danach“ durch EU-Rechtssprechung beendet werden. Der deutsche Umgang mit der „Pille danach“ zeugt von vielem, nur nicht von seiner Angemessenheit. Den bisherigen Umgang weiterhin implizit als normativen Maßstab zu verwenden ist schlicht falsch.

zu 2. Ich gab wiederholt an, dass ich die „Pille danach“ ausschließlich im Falle eines Notfalls nutzen werde und ich selbstverständlich alles tue, damit kein Notfall entsteht.

zu 3. Ich halte die Schlussfolgerung von ————-, dass ich, da ich die „Pille danach“ für Notfälle kaufen möchte, mich nicht um eine solide Verhütungsmethode kümmern würde, für eine unprofessionelle und grenzüberschreitende Unterstellung.
Auch dass ————— betonte, dass —- sich nicht wohl damit fühle, mir dieses Medikament zu verkaufen, ist problematisch. Als auf meine adäquaten Erläuterungen zu ihren Begründungen nichts Entsprechendes erwidert werden konnte, wurde sich auf den holzschnittartigen Zirkelschluss, dass ein Notfallmedikament ein Notfallmedikament sei, zurückbezogen.

Der Diskurs, den unsere Gesellschaft zu diesem Thema pflegt, ist von einem paternalistischen Konservatismus geprägt. Ich empfinde es als bedenklich, wie ————— diesen Diskurs zumindest in dieser Situation fortgesetzt hat.

Mit freundlichen Grüßen
————–

 

pilledanach3

Realitätscheck**
„Die Einnahme der momentan gängigen (und politisch diskutierten) Präparate auf Levonorgestrelbasis kann zwar bis zu 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr erfolgen, ist aber effektiver, je früher das passiert. Denn 48 Stunden verdreifacht sich bereits das Risiko, ungewollt schwanger zu werden. Auf der sichersten Seite ist die Patientin sogar nur mit einer Einnahme innerhalb der ersten zwölf Stunden nach dem ungeschützten Geschlechtsverkehr. Und generell gilt: Je früher desto besser, weil wirksamer.
„Ungeschützt“ hat hierbei verschiedene Bedeutungen. Die „Pille danach“ sollte als Notfallverhütung angewendet werden
• wenn es gänzlich ohne Verhütung zum Geschlechtsverkehr kam,
• wenn vergessen wurde die „Pille“ pünktlich einzunehmen,
• wenn das Kondom des Partners gerissen, ver- oder abgerutscht ist,
• wenn zu befürchten ist, dass die Spirale (Intrauterinpessar) nicht mehr wirksam ist,
• wenn das Diaphragma oder die Portiokappe abgerutscht ist oder vorher herausgenommen   wurde,
• wenn die (eh sehr unsichere) Methode des Coitus interruptus oder die Knaus-Ogino-Verhütungsmethode (auch Kalendermethode genannt) versagt hat,
• wenn eine Vergewaltigung vorliegt.

Wenn sie rechtzeitig eingenommen wird, ist die „Pille danach“ jedenfalls äußerst zuverlässig und kann in ca. neun von zehn Fällen eine ungewollte Schwangerschaft verhindern.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Anfang 2014 für die „Pille danach“ auf Levonorgestrelbasis einhellig festgelegt, dass es keine medizinischen Gründe gibt, die dagegensprechen, die Rezeptpflicht aufzuheben. Mit derselben Feststellung hatte das Institut bereits im Jahr 2003 eine Empfehlung zur rezeptfreien Abgabe der „Pille danach“ ausgesprochen und sich dabei u.a. auf die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation berufen, die ebenfalls für einen schnellen Zugang ohne Umweg über die Rezeptabgabe plädiert. Levonorstrelbasierte Pillen sind: 1. Sehr sicher, führen 2. Nicht zu einer Abtreibung oder Schäden an einem eventuellen Fötus und haben 3. Keine negativen Auswirkungen auf die künftige Fruchtbarkeit. Nebenwirkungen sind unüblich und verlaufen allgemein sehr schwach, heißt es laut WHO.“

** aus: Anne Wizorek: Weil ein #Aufschrei nicht reicht. Für einen Feminismus von heute. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a.M., 2014; 46f

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3 Kommentare

Danke für das Teilen dieser Erfahrung; scheiße, dass Du sie machen musstest!

Es wäre toll, wenn Ihr das „(eh sehr unsichere)“ bei der Bemerkung über Coitus Interruptus (CI) abändern könntet. Die Datenlage zu CI ist mehr als unzulänglich – es gibt keine explizite Untersuchung zur Wirksamkeit von CI, das wurde immer nur in anderen Studien mal mitgefragt (Häufigkeit in der Rückschau und ohne weitere Nachfragen) und in diesen Fällen fast immer mit anderen Verhütungsmitteln kombiniert (wenn in einem Zyklus ohne Zyklusbeobachtung eine Schwangerschaft eintritt, lässt es sich nicht mehr rückverfolgen, welche Methode da versagt hat und anzunehmen, dass es der CI gewesen sein MUSS, weil die Methode ja unsicher sei, stellt einen Zirkelschluss dar). Es scheint so zu sein (Erfahrungen aus dem Umfeld) das einige Paare sehr gut und sicher mit CI verhüten (und bei bestehendem Kinderwunsch dann auch innerhalb weniger Zyklen schwanger werden; es liegt also keine Unfruchtbarkeit vor…) und es bei anderen nicht klappt. Das deckt sich auch gut mit den widersprüchlichen Ergebnissen von 2 Studien zu befruchtungsfähigen Samenzellen im Präejakulat (die eine Studie fand keine, die andere hingegen schon). Ich verstehe, dass es Bauchschmerzen macht, eine Bemerkung ganz wegzulassen. Aber ein „nicht erwiesenermaßen sicher“ o.Ä. sollte den Job auch tun! 🙂

Hallo Frau_G.

Vielen Dank für deinen Kommentar. Aus zweierlei Gründen werden wir die Stelle zum CI jedoch nicht abändern.

Erstens
Es handelt sich um einen zitierten Auszug aus einem Buch (siehe ** im Blogartikel). Ein Absatz, welcher thematisiert, dass die „Pille danach“ eine Option im Falle des Versagens von Verhütungsmitteln ist. Der Status des Contraceptivums wird dem CI also nicht abgesprochen.

Zweitens
Der CI ist, wie im besprochenen Absatz, im Vergleich zu anderen Contraceptiva tatsächlich eine Methode mit sehr hoher Versagensanfälligkeit. Der Pearl-Index besagter Verhütungsmethode spricht mit 4-18 bei ungeübter Anwendung für sich. Zum Vergleich: die Temperatur-Methode liegt ungeübt bei 0,8-3 (und weniger ist bei diesem Faktor besser).
Die von dir hinzugezogenen beiden Wikipediaquellen zum Samengehalt von Präejakulat sind hierfür kaum adäquate Referenzen; insbesondere die, welche vorgibt keine Spermatozoen gefunden zu haben, da sie einen zweifelhaft geringen Stichprobenumfang aufweist (n=3).

Es ist gerade bei der öffentlichen Diskussion über Contraceptiva Vorsicht geboten, da schnell ein falsches Bild entstehen kann.

Die Methodenwahl zur Empfängnisverhütung bzw. der Familienplanung ist jeder Person persönlich überlassen.
Über folgenden Link zu profamilia ist der aktuelle Pearl-Index einzusehen: http://www.profamilia.de/erwachsene/verhuetung/pearl-index.html

Es grüßt
Albert Byrd

Hallöchen,

ist ja letztlich auch Euer Ermessen, wie ihr damit umgeht. Auch in Zitaten ist es allerdings möglich Anmerkungen zu machen (so wie Ihr das bei Apotheker [sic] ja gemacht habt) …

Der Pearl Index ist im Übrigen keine magische Zahl, die aus dem Nichts entsteht – sondern hat sich genau so errechnet, wie ich das beschrieben habe (keine extra Untersuchung dazu; nur ein Mitfragen bei größeren Befragungen zum Verhütungsverhalten). Wie aussagekräftig der PI ist, sieht man auch schön an PI-Angaben zur Pille. Unsere Freund*innen von der ProFa übernehmen nämlich auch immer brav die Hersteller*innen-Angaben der Pharmafirmen, welche Methoden-PI und keine Anwender*innen-PIs sind („typical use“ – bei der Pille teilweise mit bis zu 8 angegeben). Ich mich nicht auf irgendwelche Wikipediaquellen bezogen, sondern auf die beiden Studien direkt (aber interessant, dass beide Studien bei Wikipedia verlinkt sind; da hat sich jemand mit der Recherche echt Mühe gegeben). In der Zukerman und Kolleg*innen Studie ist n=5 (die Auswahl der Proband*innen ist merkwürdig; leider aber verbreitet) weniger dramatisch als sich das zunächst liest. Bei Merkmalen, bei denen davon auszugehen ist, dass sie bei den meisten Individuen (hier: mit normaler Zeugungsfähigkeit) gleich bzw. sehr ähnlich ausgeprägt ist, braucht es nicht zwingend n=30 um aussagekräftig zu sein (wobei ich nicht meine Hand dafür ins Feuer legen möchte, dass sich die Autor*innen die Mühe gemacht haben und alle ggf. relevanten anatomischen Besonderheiten bei ihren Probanden* ausgeschlossen haben).

Ich pflichte Euch allerdings bei, dass Autonomie bei der Empfängnisverhütung wichtig ist! Sind wir an der gleichen Front unterwegs…

Liebe Grüße
Frau G.

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