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Die Gefühle der Frauen: Die Nibelungen, Schauspielhaus Bochum

Die Gefühle der Frauen: Die Nibelungen, Schauspielhaus Bochum published on Keine Kommentare zu Die Gefühle der Frauen: Die Nibelungen, Schauspielhaus Bochum

von Frau Fuchs

„Es wuchs in Burgonden ein schönes Mägdelein,

Wie in allen Landen nichts schöners mochte sein.

Kriemhild war  sie geheißen und war ein schönes Weib,

Um das viel Degen mussten verlieren Leben und Leib.“

(Das Nibelungenlied, Wie Kriemhilden träumte; Übers. Karl Simrock, 4. Auflage, 1844)

Wir sitzen versunken – tief – im Publikumsgraben, sind umgeben von Licht und Bühne und schwarzen Lamellen an den Seiten, die den Raum verschmälern. Geteilt werden wir, die Masse im Dunkel, durch einen langen vertikal zum Bühnenschiff angeordneten Steg, der eine schicksalhafte Erzählfunktion einnimmt. Auf ihm getragen, schwimmend auf einem Meer an Zuschauern, erscheinen und verschwinden die zwölf Darsteller*innen.

Dunkel und hell zugleich ist’s.

Und wir einer brennenden, tobenden Kriemhild (Jana Schulz) ganz nah, die den Mord an ihrem Geliebten, Siegfried (Felix Rech), rächen will. Gebündelte Energie aus den verschiedensten Richtungen: zwei kraftvolle Hauptdarstellerinnen und dann diese unfassbar echte Figur des Hagens (Werner Wölbern). Insgesamt spannt uns das großartige Ensemble des Bochumer Schauspielhauses fest ein in die tragische Erzählung über die königliche Familie der Nibelungen, die letzten Endes im Höllenschlund zu ertrinken droht. In der Theaterinszenierung nach Friedrich Hebbel (Mitte des 19. Jh.) wird ein besonderer Blick auf die zwei leidenschaftlich agierenden Frauencharaktere geworfen: Auf der einen Seite die nach außen stark wirkende, aber in Wirklichkeit unermesslich verletzte Kriemhild, die für ihre eigene Vorstellung von Gerechtigkeit kämpft und auf der anderen Seite die mutige, männermordende Brunhild (Minna Wündrich mit imposanter Stimme), die angeblich stärkste Frau der Welt, der im Verlauf des Vorstellungsabends immer mehr ihrer Erhabenheit gestohlen wird und sie letztendlich wie eine zerbrochene Vase in Scherben am Boden liegt. Doch ist keine von ihnen die Böse, nein, beide erfahren sich in der Rolle des Opfers. Diese Gemeinsamkeit ermöglicht neben der großen allumgebenden Kabale aber auch Loyalität zwischen den beiden Frauen, die durch die Heirat Brunhilds mit König Gunter (Kriemhilds Bruder) nun einer Familie angehören.

Mir kann keiner etwas anhaben.

Hier ploppt die verstaubte Idee eines naturalisierten Zusammenhaltes zwischen Frauen als unterdrückte Gruppe des gleichen Geschlechtes auf. Beide tragen ihr gebrochenes Herz vor sich her, dadurch scheinen sie sich näher. Und auch auf die vermeintliche Selbstüberschätzung, die sich bei beiden in der Annahme der Unverwundbarkeit zeigt, folgt der Fall. Offenkundig ist dies die Krankheit, an der alle Figuren des Stückes leiden: Hochmut. Siegfried sei da das populärste Beispiel…

Emotionalität versus psychologische Ränkespiele.

Was mit dem Ende der Geschichte beginnt, verfolgt von einer fesselnden Neugierde der blickenden Augen aus dem Zuschauermeer, dieser Kniff des Regisseurs Roger Vontobel zahlt sich aus. Wie kam es zu einer solchen Misere? Jedoch sollte man keine Stückaufarbeitung bezüglich verfestigter Geschlechterrollen erwarten: So wiederholen sich immer währende stereotype Bilder vom Scheitern der Frau an ihrer übertriebenen Emotionalität und vom Mann, dem es als Einziger in dieser Welt gelingen kann, intrigant erfolgreich zu operieren ohne dabei entlarvt oder ferner noch sanktioniert oder herabgewürdigt zu werden. Altbewährter Stoff wird zu altbewährten Formen verarbeitet. Wer darüber hinwegsehen kann, wird einen kathartisch vereinnahmenden und reichhaltigen Theaterabend erleben dürfen, getragen von einer originär wilden und sagenhaften Erzählung, wie einem ebenso heldenhaften Aufgebot an Schauspieler*innen.

nibelungen_1950(Foto Quelle: Schauspielhaus Bochum)

Nächste Vorstellungen
23.05., 18-23:00 Uhr, Schauspielhaus Bochum

24.05., 16-21:00 Uhr, Schauspielhaus Bochum.

http://www.schauspielhausbochum.de/spielplan/die-nibelungen/

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