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Jobben auf der Baustelle: Der Nebenjob in einer „Männer*welt“

Jobben auf der Baustelle: Der Nebenjob in einer „Männer*welt“ published on Keine Kommentare zu Jobben auf der Baustelle: Der Nebenjob in einer „Männer*welt“

von Lomé

Einleitung

Schon als Kind, das auf einem alten Bauernhof mit Tieren, Treckerfahren und Baustellen aufwuchs, mochte ich es, mit meinen Händen etwas zu erschaffen. Ich mochte dreckige Hände, Lärm und das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Dadurch, dass ich drei kleine Schwestern, aber keinen Bruder habe, gab es bei uns was Haushalts- und Hofarbeit anging, glücklicherweise keine geschlechtlichen Aufgabenverteilungen. Holz hacken, Feuer machen und Ställe misten gehörten genauso zum Repertoire einer jeden wie Kochen, Putzen und Wäsche aufhängen.

Später kam dann das Interesse an Architektur und anderen Bereichen, die mit „Bau“ und Baustellen zu tun hatten, hinzu. In der neunten Klasse machte ich im Rahmen des „Girls-Day‘s“ ein Ein-Tages-Praktikum in einem Ingenieurbüro. Ich war total aufgeregt, weil ich Angst hatte, als Mädchen möglicherweise fehl am Platze zu sein. Die Pubertät, die Erfahrungen auf der weiterführenden Schule durch LehrerInnen und MitschülerInnen und die Medien hatten mittlerweile dafür gesorgt, dass ich erkannt und erfahren habe, dass es nicht von allen als selbstverständlich und „richtig“ empfunden wurde, wenn Mädchen genau die gleichen Sachen machen wollten wie Jungs. Wir hatten hübsch auszusehen und ja die Klappe zu halten! In der fünften Klasse sollte mich mein Mathelehrer lehren, dass es sich nicht lohnt, Fragen von weiblichen Schülern zu beantworten, da diese eh „zu dumm“ (O-Ton) seien. Diese Aussage war nur eine von vielen seinerseits und generell.

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Leider ließ ich es damals zu, dass mich derartige Einstellungen stark prägten und merke bis heute, dass ich mir manchmal gewisse Dinge nicht zutraue, nur weil ich ein weibliches Geschlechtsorgan habe. Allerdings bemerke ich diese Mechanismen heutzutage und versuche gezielt, sie zu ändern. Beispielsweise hat der besagte Mathelehrer dazu beigetragen, dass ich in der Uni sitze und mich nicht traue mich zu melden, sobald ein autoritär/dominant wirkender Dozent die Veranstaltung führt, aus lauter Angst ich könnte aufgrund meines Geschlechts für mögliches Unwissen „bestraft“ werden. Ich übe!

Diese lange Einleitung war meines Erachtens nötig um einerseits mein Interesse für Handwerk und andererseits meine Angst vor Reduzierung auf meine Weiblichkeit zu erklären.

Mein Nebenjob als Bauhelferin

Mittlerweile jobbe ich regelmäßig für und mit einem guten Freund, der selbstständiger Handwerker ist, auf unterschiedlichsten Baustellen. Wir arbeiten sowohl in kleinen Wohnungen, großen Rohbauten als auch gewerblich genutzten Gebäuden. Manchmal sind wir nur zu zweit und manchmal sind die Baustellen von ganzen Handwerkerkolonnen gefüllt. Inzwischen kann ich professionell streichen, tapezieren, spachteln und einige andere Tätigkeiten, auf die ich stolz bin und durch deren Beherrschung ich mich freier und unabhängiger fühle. Außerdem verschafft es eine ungeheure Befriedigung, wenn mensch am Ende des Tages das Geschaffene vor Augen hat und gegebenenfalls sogar anfassen kann.

Ich empfinde meinen Nebenjob als Bauhelferin als guten Ausgleich – sowohl psychisch als auch physisch – zu meinem studentischen Schreibtischtäterinnendasein.

Ich kenne viele Frauen*, die ebenfalls Spaß daran hätten, handwerklich zu arbeiten. Leider bin ich nicht die Einzige, die Angst davor hat, aus reinen physiologischen Gründen, handwerkliche Arbeiten nicht leisten zu können. Und es gibt die Betriebe, die Bewerbungen von Frauen* kategorisch ablehnen und dies mit schlechten Arbeitsbedingungen rechtfertigen.

Unter schlechte Arbeitsbedingungen fällt zum Beispiel die allgemeine harte körperliche Arbeit. Allerdings wage ich es zu behaupten, dass Frauen*, die sich für eine Ausbildung oder eine Job im Handwerk bewerben, sich nur dann bewerben, wenn sie es sich selbst körperlich zutrauen.

Zum Einen hat der Verschleiß des Körpers wenig bis nichts mit dem Geschlecht zu tun. Ich kenne mittlerweile viele männliche Handwerker, die bereits nach ein paar Berufsjahren lang anhaltende Verletzungen zu beklagen haben. Die Ausrede, dass Frauen* generell körperlich weniger fürs Handwerk geeignet sind, gilt also schonmal nicht.

Zum Anderen gibt es ja auch die Möglichkeit Arbeiten nach Belastung aufzuteilen. Mein Chef und ich teilen die Aufgaben meist auf, je nach Lust, Können und körperlichen Möglichkeiten.

Desweiteren wird als Grund für die kategorische Ablehnung von Frauen* in handwerklichen Berufen oft angeführt, dass die Sanitäranlagen für „spezifisch weibliche“ Bedürfnisse unzureichend bis gar nicht vorhanden sind. Ich habe auch schon auf einigen Baustellen gearbeitet, auf denen es keine funktionierenden Toiletten hab. Und ja, dass war manchmal unbequem, vor allem wenn ich meine Periode hatte. Aber auch Männer* haben Bedürfnisse, für die sie funktionierende Toiletten und Sanitäranlagen brauchen!

Deswegen sollte die Handwerkskammer sich meiner Meinung nach generell dafür stark machen, dass unter ordentliche Arbeitsbedingungen auch Sanitäranlagen fallen. Zur Not müssen die Auftraggeber Dixie-Klos bereitstellen.

Abgesehen von solchen Dingen, die sich in naher Zukunft hoffentlich verbessern werden, kann ich sagen, dass das „Frausein“ auf Baustellen sich mit (durch die Bank weg) männlichen Kollegen besser anfühlt als gedacht. Zwar schauen viele erst überrascht, wenn ich auftauche und es gab mal Sprüche wie „Oh, eine Frau auf der Baustelle!“, aber nachdem die erste Überraschung abgeklungen ist, werden keinerlei geschlechtsspezifische Unterschiede mehr gemacht. Im Gegenteil begrüßen es viele Handwerker, dass Emanzipation und Gleichberechtigung nun auch im Handwerk ankommen.   Ich denke, dass es wie meistens die Arbeitsbedingungen sind, die die Arbeit schwer machen! Und das sollte sich ändern. Dafür braucht es aber wahrscheinlich noch einige Frauen*, die anfangen im Handwerk zu arbeiten und dann ihre Stimmen erheben können. Dadurch, dass ich mittlerweile viele Handwerker getroffen habe, die das ebenfalls so sehen und ja auch von verbesserten Arbeitsbedingungen profitieren würden, bin ich voll optimistischer Erwartungen.

Falls dieser Text nun von Personen gelesen werden sollte, die dieselben Bedenken aufgrund sexistischer und weiterer negativen Erfahrungen haben sollten, kann ich euch sagen:

Traut euch!!! Es lohnt sich!

Smash the Patriarchy!

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