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Wie wir beide zu Sexobjekten wurden.

Wie wir beide zu Sexobjekten wurden. published on Keine Kommentare zu Wie wir beide zu Sexobjekten wurden.

von Frau Fuchs

Als ich dich das erste Mal sah, da dachte ich: „Oh Gott, schon wieder ein typischer tätowierter Hipster aus dem Pott.“ Und ich kam dir näher, wusste direkt, du bist ein Mann, der viele Frauen hatte und haben wird, weil du, genauso wie ich, niemals genug bekommen kannst und immer auf der Suche

nach Input bist, in jeglicher Form. Wie ein Wolf auf Beutesuche stromerst du durch die Straßen des Reviers, findest dann und wann ein kleines Stück Essbares hier und da. Du kommst schon klar. Weil du Künstler bist.

Und so standen wir uns gegenüber, wir zwei Wölfe und zwischen uns dein bester Freund, meine aktuelle Beute. Hatte ihn schon fast satt, aber meine Zeit mit ihm zu verschwenden war es mir wert, da ich Dich dann und wann mal zu Genuss bekam. Du warst der Bonus in diesem recht spärlichen Mahl.

Unsere Blicke streiften umher und wussten voneinander, dass sie genauer hingesehen hatten. Dann und wann. Was war das, was wir da fühlten? War es unsere Gemeinsamkeit als einsamer Wolf unterwegs zu sein? Die Hoffnung auf Anerkennung, darauf verstanden zu werden? Jedenfalls verband uns etwas, obwohl wir noch nie ein Wort miteinander sprachen.

Hach und wie du dich bewegtest, das war sexy; die Dinge, die du realisiertest, ich sammelte alle Informationen über dich, die er mir geben konnte. Wie ein ausgemergeltes Tier las ich sie auf, nährte mich von ihnen und konnte wieder kreativ sein für eine Weile.

Dann kam der Tag, an dem mir sein Geruch, sein Geschmack zuwider wurde, ich langweilte mich, fand ihn plump und zäh, sodass ich mich von deinem besten Freund trennte, natürlich in dem Wissen, nichts mehr von dir zu erfahren. Über dich als Menschen, meinetwegen auch über deine Kunst, deine Frauen. Dass ich nicht mehr dieses Kopfkino abspielen konnte, was mir von meiner Fantasie vorgeführt wurde, wenn ich Sachen von dir hörte.

Doch die Stadt war ein Dorf. Monate vergingen und wir trafen uns wieder auf einer Party. Noch nie hatte ich mit dir mehr als drei Sätze alleine geredet und wie absurd es doch war, deine Stimme ganz nah und warm in meinem Kopf zu hören. Unsere Wolfsfährten hatten sich einmal mehr überschnitten und so standen wir an der Theke und beschwerten uns über deinen besten Freund, sein in unseren Augen furchtbar konservatives Langweilerleben mit seiner neuen Freundin, die ihn bloß rumkommandierte. So etwas würden wir beide niemals mit uns machen lassen. Dafür waren wir viel zu eigenbrötlerisch.

Was darauf folgte, war eine ausführliche und sehr tiefgründige E-Mailkorrespondenz über mehrere Tage. Dies ging so lange, bis du vorschlugst, wir könnten uns treffen. Ein Treffen mit dir? Ich war neugierig, mein Spieltrieb angeregt, mein Herzlein tanzte, mein Durst nach neuen Erlebnissen, neuem Input, verstärkte sich und ich ertappte mich dabei, wie ich hoffnungsvoll dem Tag unseres Wiedersehens entgegenfieberte, obwohl ich zeitgleich noch mit einem anderen Mann regelmäßig Sex hatte. Vielleicht nahm ich ihn als Ersatzartikel, falls mir das mit dir, formte ich aus meinem Bauchgefühl deutliche Worte, zu nahe gehen würde. Denn du warst ja so wie ich und ich wusste, was das bedeutete. Wir zwei Kapitalisten.

Ich wusste, dass man dich, folgte man mancher sehr geschlechter­rollen­forcierenden Ansicht von Frauen, die dir möglicherweise gar zum Opfer gefallen waren (denn so würden sie es beschreiben), als dummes, frauenausnutzendes Arschloch bezeichnen würde. Und drum fragte ich dich gleich bei unserem ersten Treffen alleine in einer Bar, ob du eine Stadtmatratze seist. Natürlich leugnetest du nichts, grinstest und plaudertest ein bisschen über die und die und die. Meine Nachbarin zum Beispiel, die hattest du schon. Oder die Kellnerin in der Bar, in der wir gerade saßen. Erstere war wohl ein Tier im Bett, aber sonst für nichts zu gebrauchen. Letztere war psychisch angeschlagen und ebenfalls für nichts zu gebrauchen. Deine Exfreundin, die dir dein dann doch sehr zartes – und meinem ähnlichen – Herz gebrochen hatte, der trauertest du nach und ich hatte das Gefühl, du suchtest in allen lebendigen menschenähnlichen Erscheinungen nach ihr. Ich konnte dich so sehr, so nah fühlen und verstehen.

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Und zeitgleich hatte ich die Befürchtung, dass du irgendwann auch so über mich sprechen würdest. Dass ich es nicht brachte, dass ich ein Nervenbündel war, dass ich keine gute Figur hatte, dass ich nicht begehrenswert war, nicht schön genug um für das Bett gedacht zu sein. Von dir. Meine Güte, habe ich mich klein gefühlt. Ich weiß nicht, vielleicht war das schon der Beginn dieser Entsubjektivierung, dieser Entfremdung, der Entmenschlichung meinerseits, vielleicht machte ich mich und dich da schon zu Sexobjekten?

Am Anfang, da gabst du dir Mühe. So kamst du pünktlich zu unserer Verabredung, nahmst teuren Sekt mit in den für dich überaus anstrengenden Kunstkinofilm, den ich unbedingt gucken wollte und spieltest diese Rolle des Coolen, dabei hatte ich dich in deiner menschlichen Ursprünglichkeit, in deinem Wesenskern längst durchschaut und erkannt. Ich glaube, das hast du nicht gefühlt und in dem Punkt unterschieden wir uns wohl. Wir tranken, redeten unaufhörlich und knutschten dann unaufhörlich bis zum Morgengrauen in der einzigen Kneipe der Stadt, die immer offen hatte. Das Ganze zweimal, dann ludst du mich ein, kochtest. Und es kam selten vor, dass sich ein Mensch so für mich ins Zeug legte. Ich brachte weiße Lilien mit, ich Idiotin. Und verhalten war ich, weil ich wusste, dass es sexuell werden würde an diesem Abend. Wie platt das alles war. In Gedanken checkte ich meine Unterhose, den Status meiner Schambehaarung, die Kompliziertheit einer Strumpfhose beim Ausziehen und meinen im nackten Zustand ziemlich unperfekten Körper. In dem Augenblick war es mein Glück, dass du diesen ziemlich guten Alkohol ausschenktest und mir von deinen missratenden sechs Tinder-Dates erzähltest und wie dumm und belanglos die Frauen doch waren.

Deine Abwehrmanöver waren besser als meine: So warst du mit fünf der sechs Frauen im Bett. Aber du fandest sie alle so belanglos, dass du dich danach niemals wieder bei ihnen meldetest. Erneut hatte ich Angst, dass du bald auch so über mich sprechen und mich genauso wie sie behandeln würdest. Belangloses Stück Fleisch. Aber ich war neugierig und ich wollte wissen, was dich zu diesem Adonis machte, der du laut deiner Erzählungen offensichtlich zu sein schienst. Nachdem du mich am Tisch oral befriedigt hattest, trugst du mich ins Bett und wir hatten Sex, der nicht unbedingt bemerkenswert war. Mich nervte es, dass die ganze Zeit ein und dasselbe Lied im Hintergrund lief. Wenn ich es heute höre, ist es wahrlich belanglos für mich. Es hatte sich abgenutzt. Du bist eingeschlafen und ich hielt dich nun für einen sterblichen Menschen. Und du hattest nicht Staub gewischt, das widerte mich an.

Am nächsten Tag ließt du von dir hören, am frühen Abend. Ich empfand es als ein positives Zeichen und es war ein kurzer Whatsapp-Wortmüll-Tausch zwischen uns bevor du dann einen Tag später ans Eingemachte gingst.

Denn da endete unsere Geschichte auf menschlicher, auf emotional verbundener Ebene und du entzweitest das dünn gewachsene Hälmchen, was durch die tiefgründigen Gespräche zwischen uns aufgekeimt war, war es noch so zart und mickrig. Aus der für mein Leben recht ungewöhnlich romantischen Mär wurde eine unreife Kleinstadtposse.

Nachdem du mich also beschuldigt hast, dich mit einem Vaginalpilz angesteckt zu haben und binnen einer Nacht nun dein ganzer Rachenraum entzündet zu sein schien, versank das soeben beschriebene Hälmchen im Erdboden und es blieb nichts weiter übrig als ein winzig kleiner Haufen Asche.

Nun hattest du mich mit deiner Aussage so weit gebracht, dies von meiner Gynäkologin genauer abklären lassen und jetzt keimte aus dem kleinen Aschehaufen, der für kurze Zeit etwas Besonderes aus dem Boden hätte zaubern können, diese Wut auf und ich dachte daran, diese Art des Umgangs mit mir könne ein Abwehrmanöver sein, um nun einen Menschen wie mich, einer, der dir zuhört, der mitfühlt, dir ähnelt, loszuwerden. Das hat mich wirklich verletzt. Doch ich war zu perplex, zu schockiert um überhaupt irgendetwas Starkes zu sagen.

Es gab keinen Vaginalpilz. Es hat ihn nie gegeben und eigentlich wusste ich es bereits vor dem Erhalt des ärztlichen Urteils.

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Ein paar Wochen vergingen und ich hatte diese kleine emotionale Verletzung verschmerzt, da sahen wir uns wieder. Ich wollte in dieses Theaterstück und komischerweise war auch das, wie der Kinofilm, den wir gemeinsam sahen, nicht unbedingt sehenswert für dich. Wortkarg saßen wir nebeneinander auf unseren Plätzen, nachdem du zwanzig Minuten zu spät gekommen warst, und warteten darauf, dass endlich das Stück begann. „Und, wie geht’s dir so?“, fragtest du. Ich sagte: „Es war übrigens kein Pilz!“ Irritiert warst du, druckstest herum und dann fragte ich, ob du denn noch Beschwerden hättest, dort in deinem Rachenraum. „Ja, schon.“ Herrje, dachte ich. „Und warst du mal beim Arzt außer in der Notaufnahme nachdem es los ging?“ „Nein.“ Es brannte in mir. Ich war wieder ziemlich wütend. Einerseits darüber, dass du dich so unwissend gabst und andererseits, dass du dich nicht schämtest für diese Kindergartengeschichte, denn das war sie in meinen Augen. Vielleicht warst du davon ausgegangen, dass ich dich nicht darauf ansprechen würde. Darauf, dass du mir einen Vaginalpilz unterjubeln wolltest. Nunja, da ich aber ein Wolf bin und der Gefahr nicht aus dem Weg gehe, konfrontativ lebe, war das keine Frage. Da war mir auch das diskrete Thema Vaginalpilz kein Hindernis. Hättest du mich richtig gekannt, ein echtes Gefühl für mich und meinen Wesenskern, meine Ursprünglichkeit gehabt, du hättest es gewusst und es wäre niemals geschehen.

Nach dem Stück gingen wir schweigend nebeneinander und ärgerten uns wahrscheinlich beide darüber unser Geld für ein schlechtes Stück und ein schlechtes Gefühl des Nebeneinandersitzens verplempert zu haben. An der Straße da oben, da fragtest du, wo ich lang müsste. Ich sagte: „Entweder links oder wir gehen noch irgendwo hin.“ „Ja, lass uns noch irgendwo hingehen.“ Du schlugst die Kneipe vor, in der wir wie zwei ausgehungerte Bestien zweimal von Knutschanfällen überwältigt wurden. Letztlich gingen wir in das Restaurant, was ich vorschlug. Dort schämtest du dich für meinen

Feminismus im Pott-Beutel, wolltest nicht, dass dich jemand in Begleitung einer Frau mit so einem Statement auf der Tasche sehen konnte. Ich war dir peinlich. Du mir auch. Was uns blieb, war der Trieb. Und so landeten wir nach zwei Gläsern schlechtem portugiesischem Rotwein (den du als qualitativ hochwertigen anpriest) in meiner Wohnung in meinem Bett. Der Sex war mechanisch, verhalten, nicht nah, eher unterkühlt und ich habe mich benutzt gefühlt und ich habe dich benutzt. Relativ schnell habe ich dich loswerden wollen und bevor du wie ein dicker satter Bär einschlafen konntest, schaffte ich es möglichst freundlich dich aus meiner Wohnung zu bringen. Ich spürte, dass du mich nicht gut fandest, meinen Körper. Vielleicht, weil es zwischen uns eigentlich nicht um unsere körperliche Leidenschaft gegangen war, sondern um etwas auf menschlicher Ebene. Etwas, was du zerstört hattest, weil es vielleicht gefährlich geworden wäre. Es hatte etwasmit Gefühlen zu tun, mit Nähe und so. Gut, dass du es zerstört hast, denn früher oder später hätte ich es getan.

Ich bezog direkt das Bett neu.

Jetzt manchmal, Monate später, wenn ich dich sehe, dann finde ich dich belanglos und ich verstehe auch gar nicht, was ich da in dir erkannt habe, außer dein Menschsein. Aber vielleicht war es ja genau das. Ich muss an deine Strategie mit dem Vaginalpilz denken und wie plump das alles war, ich werde wieder wütend und gleichzeitig weiß ich so viel von dir, so viel Gefühl, dass es mir leid tut. Dass wir mir leidtun. Dass wir beide zu Sexobjekten wurden.

Wir zwei Kapitalisten.

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