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Rückblick

Rückblick published on Keine Kommentare zu Rückblick

von Giselle Zapp

Wenn ich ihre Fotos vor meinem geistigen Auge Revue passieren lasse, so sehe ich ein Mädchen, das gefallen will. Faktisch ist sie eine Erwachsene, doch eigentlich erst in die große Welt entlassen. Sie ist begierig anzustellen, was immer sie will. Begierig, die Fesseln abzustreifen, die Tochtersein ihr hießen, sowie jene, die eine monogame Jugend-Langzeit-Beziehung, die hauptsächlich von ihrem Helferkomplex am Laufen gehalten wurde, ihr bedeuteten. Es gab somit einiges, was freigesetzt werden wollte.

Wenn ich an ihre Fotos denke, so sehe ich ein Mädchen, das gefallen will. Sich selbst natürlich. Und doch veräußert sie sich im Akt des Posens, sie überlässt das Anfertigen des Bildes einem Fotografen, der gleichzeitig ihr neuer Partner ist, sie stellt ihre Bilder einer Netzgemeinschaft zur Verfügung, deren Ausmaß sowie deren Umgang mit den von ihr zur Verfügung gestellten und sie zeigenden Fotos sie niemals würde fassen können.
Auf den Bildern zu sehen sind Codes und Keys, die sie an ihrem Körper trägt, sich ins Gesicht schminkt, Augenaufschläge und Gesten, von denen sie weiß, dass sie sexy sind. Sie schmeißt sich in Pose und will gefallen, sie will sich selbst zeigen, dass sie auch auf diese Art schön ist. Dass sie auch sexy sein kann und dadurch begehrt wird.Gleichzeitig meint sie, sich Sexyness aneignen zu können. Was ein ziemlicher Trugschluss ist.Sie affirmiert durch ihr eigenes Bild-Werden alles, was sie eigentlich ablehnt.

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Sie affirmiert nur, was kulturell, sozial und zutiefst biographisch vermittelt ist. Und die Sexyness von Frauen ist und bleibt bei allem Empowernment die Ausstaffierung eines Objekts. An Emanzipation ist da nicht viel zu holen, auch wenn sie meint, das richtige zu tun.

Sie will gefallen. Sie will begehrt werden. Und um dies zu tun, gibt sie sich gefällig. Schmeißt sich in Posen und Outfits, zeigt, was sie zu zeigen hat: Bauch rein, Titten raus. Ihre Titten belasten sie, denn sie sind das, was ihre Physis adelt – so hat es sich ihr eingeschrieben. Schon immer, das heißt: seitdem ihre Brüste einen Quantensprung hinlegten. Seitdem Quantität in Qualität umschlug und ihr im Zuge der Veränderungen ihres Körpers die Kindlichkeit genommen wurde. Wie unangenehm Begegnungen mit Männern waren, wie unangenehm, deren Blickrichtung nachzuverfolgen, als sie 10, 11, 12, 13 Jahre alt war.

Gleichzeitig: Wie groß sie sich gefühlt hatte, als sie mit Elf ihren ersten Körbchen-BH bekam. Gegenüber Gleichaltrigen schlich sich ein gewisser Stolz ein. Sie war schon jemand, nämlich kein Kind mehr. „Frühreif“ sagten Erwachsene dazu. Gefühlt genoss sie gemeinsam mit anderen derart privilegierten Mädchen einen gewissen Status in ihrer Klasse, wurden von Jungs beachtet. Gegenüber Erwachsenen war das Ganze jedoch unangenehm, denn ab und zu, da vergaß sie sich und ihre Titten und zog sich einfach nur so etwas an. Mit 12 Jahren, in der 6. Klasse sprach ihre Biolehrerin sie auf ihr etwas bauchfreies, enges hellblaues Top mit der Spitzenbordüre an. Sie müsse sich klar sein, dass ihr Körper Jungs und Männer provoziere, sagte ihre Lehrerin. Sie solle sich lieber nicht „sowas“ anziehen. Wahrscheinlich ist es überflüssig an dieser Stelle einen Exkurs zur Lebenswelt einer Zwölfjährigen einzuschieben. Darauf hinzuweisen, dass diese hier noch einige Jahre mit Barbies und Playmobil spielen würde, mit Freundinnen durch den Wald streifen und mit Nichten daran interessiert gewesen war, Männer aufzureizen.

Dann irgendwann hatte sie verinnerlicht, dass es nun einmal so war. Dass ihre Titten ein Vorzug waren, ein Pfund, das ins Rennen geworfen werden konnte. Wenn sie nun eine Lehrerin darauf ansprach, sie solle nicht in Dessous zur Schule kommen, fühlte sie sich in ihrer Provokation bestärkt. Was wusste die prüde Schachtel schon vom süßen Leben? Ihr Dekolleté fungierte sogar als Glücksbringer in Klausuren.

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(c) Emm Roy

Mit Anfang Zwanzig also, da poste sie. Sexy und verrucht. Explizit. Sie wollte gefallen. Ihr Ziel war es aber zu zeigen, dass sie emanzipiert sein könne, eine Feministin und trotzdem sexy. Dass sie eigentlich eben doch nur aufgesogen hatte, in den Bildern bediente, was seit jeher schon ist – wie Frauen als Sexy degradiert werden – das sah sie, vom Scheinwerferlicht geblendet, nicht. Für sie war es eine Form, zu ihrem Sex zu stehen, ihn sich durch ihre Veräußerung anzueignen.  Ihn faktisch, als Bild, vor sich zu haben. Ihn raus zu posaunen, in den Äther.

Dies ist nichts, wofür ich sie verurteile. Zu sagen, sie beging einen Fehler, ließe den Bezug all derer, die was auch immer über sich verbreiten, zu ihrer Lebenswelt und den Menschen in dieser vollkommen außer Acht. Das Sich-zur-Schau-Stellen setzt immer einen anderen voraus. Der Wunsch dies zu tun fällt auch nicht vom Himmel. Er ist in Kontexte eingebunden, gespeist mit Vorstellungen und Wünschen, was dies bedeuten könnte – an welche Bedingungen die Möglichkeit zu Gefallen gebunden ist. Das sexualisierte Sich-zur-Schau-Stellen steht nicht zuletzt damit in Verbindung, wie schon jungen Mädchen suggeriert wird, wie sie als Frauen in unserer Gesellschaft zu Anerkennung kommen.

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