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Von blutigen Namen und Skaterinnen im Oval

Von blutigen Namen und Skaterinnen im Oval published on Keine Kommentare zu Von blutigen Namen und Skaterinnen im Oval

Von Chiara Fabri

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Am vergangenen Samstag (23.05.2015) hatten die RuhrPott Roller Girls (RPRG) ein Heimspiel gegen Namur Roller Girls (NRG) aus besagter Stadt in Belgien.

Wer sich vorab einlesen will, wie Roller Derby entwickelt wurde, woher dieser Vollkontaktsport kommt und so, kann sich hier und hier einlesen.

Der Spielablauf in Kürze:

„Ein Bout (Spiel) dauert 60 Minuten (plus Halbzeitpause) und ist in zwei Halbzeiten mit je 30 Minuten unterteilt. In einer Halbzeit werden soviele Jams (das sind maximal 2-minütige Spielphasen) wie möglich gefahren. Auf einer ovalen Bahn (dem Track) treten zwei Teams gegeneinander an. Pro Jam startet jedes Team, bestehend aus maximal 14 Spielerinnen, mit einer Aufstellung aus vier Blockerinnen und einer Jammerin (die Skaterin mit dem Stern auf dem Helm) – sie ist die Punktemacherin. Die Blockerin mit dem Streifen auf dem Helm ist die sogenannte Pivot – sie darf einen „Star Pass“ (Übergabe der Helmhaube) von der Jammerin erhalten und für diese übernehmen. Die Blockerinnen beider Teams zusammen bilden das Pack. Nach dem Startpfiff müssen die Jammerinnen durch das Pack gelangen. Aufgabe der Blockerinnen ist es, ihrer eigenen Jammerin dabei zu helfen und die gegnerische Jammerin daran zu hindern, durch das Pack zu kommen. Die Jammerin, welche als erste legal aus dem Pack herausfährt, wird die sogenannte Lead-Jammerin. Nur sie hat die Möglichkeit, den Jam vor Ende der zwei Minuten durch das mehrmailge Tippen auf die Hüften mit den Händen – aus taktischen Gründen – vorzeitig zu beenden. Nach dem ersten Durchkommen durch das Pack bekommen die Jammerinnen beim erneuten Passieren des Packs für jede überrundete Gegnerin einen Punkt. Das Team, welches am Ende der zweiten Halbzeit am meisten Punkte eingefahren hat, gewinnt. Zur Einhaltung der Regeln und Erfassung der Punkte und 30-Sekunden-Strafzeiten (Penalties) werden für jeden Bout Referees und Non Skating Officials (NSOs) benötigt.“ (Quelle: Veranstaltungsbroschüre)
Das komplette und international gültige Regelwerk kann hier eingesehen werden.

Das klingt nach Mundschutz und sechsteiligem Gelenkschoner-Set plus Skatehelm – Vollkontakt eben. Bei den Jams wird nämlich auch mal mit einer Schulterrolle vorwärts gebremst oder ein gezielter Bodycheck, der den Schuhstopper wegfetzt, mit einer Pirouette abgefangen.

Das Magazin „mobil“ der Deutschen Bahn titelte Anfang des Jahres seinen Bericht über den in Deutschland neuen Frauensport mit den recht missverständlichen Worten „Nichts für Mädchen“. Dieser Sport ist so ziemlich was für Mädchen, Mädels, Girls, Frauen*, Butches, Bitches, Pussies und was diese Skaterinnen noch so sind. Das zeigt sich auf dem Track.

RPRG gesamtes Team

Am Samstag also sah ich mein erstes Roller Derby. Neben der konzentrierten Sportdisziplin, weist Roller Derby einen Humor und eine verspielte Inszenierung von Team und Skaterin auf, welche/r andere Sportarten mal gebrauchen könnten, um mal wieder ernst genommen werden zu können; was beim Eishockey noch ansatzweise vorhanden ist und beim Fußball so lange schon verloren gegangen.

Zu Beginn wurden die Teams vorgestellt. Die Namur Roller Girls mit silbernen Glitzercapes fuhren Runden, während jede Einzelne mit Rückennummer und Name aufgerufen wurde. Siegessicher richtete sich Jeweilige aus der geduckten Teamgruppe auf und verschwand wieder in dieser. Die RPRG ähnlich. Mit wehender Fahne fuhren sie in der Gruppe ihre Runden und jede Aufgerufene zog das Fahrtempo an, fuhr aus der Gruppe. Die Zuschauer*innen klatschten, jubelten. Alle Anwesenden feierten sich gemeinsam.

Und bitte wie geil ist das denn, da fahren Hell’n’Hematoma, Oskar LaBruise, Mc R.I.P., RaKäthÖ (RPRG) und Watch U Pitch U, Billy L. Riot,  Pulp Eviction und BHurt (NRG)!! Ich kam nicht umhin, mir zu überlegen, welchen Namen ich für mich wollte: Mimosa…FemHydra…FunkyShit…PrincipessaMozarella wird wohl zu lang.

Da kann ja nur noch Schweinsteiger mithalten (bin in Stockholm mal gefragt worden, wie der zu seinem Namen kam, ob er den von seinem Vater hat…öhm).

Und dann ging es los. Die erste Aufstellung zum Jam. Pfiff und das Blocken und Kämpfen um die Lead-Jammerin geht los. Und ich so: Hä?

Zweiter Jam. Ich so: Hä?

Dritter Jam: Hä?

Hä?

Und ich dachte mir, na prima und das jetzt ne Stunde. Wie beim Rugby damals, als ich verwundert war, dass wir nun wieder heimgingen: Das Spiel ist aus? Oh. Wer hat gewonnen? Ah, cool.

So wie mir, geht es auch anderen Roller Derby-Anfänger*innen. Aber keine Sorge, für die vielen Fragezeichen im Gesicht der neuen Zuschauer*innen, haben die RPRGs seit dieser Saison eine Person im gelben Shirt, die alles rund ums Spiel gefragt werden kann. Sobald dann aber verstanden begriffen wurde, welche Skaterinnen* besonders fixiert werden müssen, um den Spielverlauf nachvollziehen zu können, ist es echt spannend. Steigerung des Mitfieberns gibt es noch, wenn ein Team bevorzugt wird: RUHRPOTT ROLLER GIRLS!!

Das Derby verlief fließend, es gab keine Komplikationen, keine argen Verletzungen, die Stimmung war konzentriert; gejubelt und gegrölt wurde, wenn es sich lohnte und nützlich war. Irgendwie klug, wenn für meinen Geschmack auch ein wenig zu brav.

Was mir auffiel: Es hat nur 24 Minuten gebraucht, bis wer schrie, dass der Schiedsrichter scheiße sei. Es war dieselbe Person, die später noch irgendeiner Skaterin* zurief, sie solle nach Hause gehen, als sie sich auf die Strafbank begeben musste (übrigens keine Ausnahme). Keine*r aus dem Publikum stieg drauf ein – Danke dafür!!

Es geht nicht ums Pöbeln, nicht darum, seine Aggressionen Raum zu geben. Es geht um zusammen Spaß haben und – im übertragenen Sinne – zu bolzen.

Am Ende in den letzten Spielminuten wurde es dann heiß, wie ich es mir erwartet und erhofft hatte. In den letzten Minuten stieg die Stimmung an, wurde von den Zuschauer*innen auf die Banden getrommelt, die Skaterinnen* grölend und zurufend angefeuert, ohne dass die Moderatorin in harschem Ton ermahnen müsste („Ein wenig Stimmung wäre auch nett“). Die Stimmung setzte sich auf dem Treck fort. Das Tempo erhöhte sich, die Checks wurden heftiger, die Verbissenheit, die letzten Punkte noch mitzunehmen, zeichnete sich in den Gesichtern ab. Ich ertappte mich, wie ich strategisch zu denken begann und im Kopf sagte „Links, links, mehr links!“. Ich war drin. Coole Sache.

Das Heimatteam gewann bestimmt mit 160 zu 147.

Und dann kam ein Ritual, das wieder von Witz und Leidenschaft zur Gemeinsamkeit zeugte. Das Publikum kam auf die Sportfläche, stellte sich in Reihe an den Track und die Teams wurden nacheinander abgeklatscht. Zuschauer*innen, Officials, Skater*innen feiern sich gemeinsam. Coole Sache! Das Ganze!

Meine Sporteventbegleitung bemerkte noch, wie interessant es würde, wenn Andy Strauß in seiner absurden und aggressiven Klugheit solch ein Spiel moderieren würde. Das ist mal eine Idee. Da bliebe uns wahrscheinlich auch ein abfälliges „Frauen und Technik“ erspart, wie es am Sonntag der Moderatorin über die Lippen kam, als die Anzeigetafel bockte.

Ich bin schon wirklich schwer begeistert vom Roller Derby. Mit 15 bin ich vom EishockeyTrainer meiner Heimatstadt böse ausgelacht worden und mir wurde das Training mit den Worten versagt, mein Körper sei zu klein und schwach, um mit den Jungs mit zu halten. Blieb ich halt beim Streethockey. Hätte es damals schon das Roller Derby gegeben…hach.

Roller Derby. Vollkontakt. Frauensport. Und die Männer? – Die sind mit dabei.
Ein Blick in die Broschüre des Derbys zeigte:

  • möglicherweise sieben von acht Schiedrichter*innen sind Männer*
  • möglicherweise sechs von zwölf NSOs sind Männer*

Auf meine Frage, warum bei dem Derby deutlich mehr Männer* als Frauen* als Schiedsrichter auftreten, antwortete mir Sweeney Tox, dass Männer*, die Interesse am Roller Derby haben aber eben nicht auf‘n Track dürfen, durch ihren Einsatz als Skating Referees oder Non Skating Officials und auch als Coach aktiv an diesem Sport teilnehmen können.

Es gäbe aber auch mittlerweile eine Handvoll Männer*teams in den USA, die den Sport für sich entdeckt haben und die Rollschuhe tragen wollen. Das wird dann gelegentlich Men’s Roller Derby oder Merby genannt.

Fußball / Frauenfußball

Roller Derby / Men’s Roller Derby

Hoffentlich wird es nicht zu einem Roller Derby / Women’s Roller Derby kommen.

Kommt an, oder?

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Mitmachen Roller Derby RPRG

Wenn du Lust hast mit zu machen – als Skaterin* oder Official – dann schreibe jederzeit eine kurze Email mit Namen und Schuhgröße an anmelden@rprg.de.

Oder komme zum ROOKIE-TAG am 21.06.

Auf der Rollschuhbahn in der Gruga (Lührmannwald 1, 45149 Essen).

 

Das Probetraining ist kostenlos, Leih-Ausrüstung ist vorhanden – und sie freuen sich auf dich!

Bilderquelle: rprg.de

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