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Gender und die Kunst ein Motorrad zu warten – Kapitel 3

Gender und die Kunst ein Motorrad zu warten – Kapitel 3 published on Keine Kommentare zu Gender und die Kunst ein Motorrad zu warten – Kapitel 3

erstmalig veröffentlicht am 24.06.2014 von queer_distel

Manchmal ist es ein bisschen seltsam.

achja, die 80er Jahre haben angerufen, die wollen ihren Motorradanzug zurück!

…wurde mir neulich im Scherz gesagt. Also…

  1. ist meine Kombi erst 13 Jahre alt und ziemlich gut gepflegt,
  2. freue ich mich sehr darüber, wieder hinein zu passen,
  3. ist das Outfit zeitlos und steht mir ausgezeichnet.

Nur mussten neue Stiefel und Handschuhe her, weshalb ich mich wieder einmal auf die Suche begeben musste.

Ein Motorrad zu kaufen scheint eine Kunst für sich zu sein, von der ich heute nicht erzählen werde. Eine ganz andere Kunst ist es, die allgemein bekannten Fachgeschäfte für Motorradbekleidung und -Zubehör zu betreten und dabei als weiblich* lesbare Person nicht mit klar gegenderten Rollenbildern konfrontiert zu werden, obwohl viele Indizien dafür sprechen, dass diese in der Realität längst widerlegt sind.

So ist mir zum Beispiel aufgefallen, dass viele Frauen* selbst und sehr selbstbewusst Motorrad fahren und auch viele Kataloge längst nicht mehr die sexy halbnackten, vollbusigen, wenig funktional bis kaum bekleideten Frauen* zur Dekoration von männlich* konnotiertem Technik-Spielzeug abbilden, sondern als eigenständige und ernstzunehmende Konsumentinnen* ansprechen. Insbesondere bei von mir früher gemiedenen Läden ist durchgesickert, dass ein solches Frauenbild nicht nur lächerlich ist, sondern zudem zunehmend als sexistisch abgelehnt wird. Danke dafür!

Dazu kommt, dass ich in diesen Läden (ich habe in letzter Zeit einige Geschäfte abgeklappert) erstaunlich viele weiblich* lesbare Verkäufer_innen und Geschäftsführer_innen antreffe, die nicht nur selbst versierte und begeisterte Motorradfahrer_innen sind, sondern auch mit einer hohen Technik- und Erfahrungskompetenz beraten können. Daneben hatte ich leider auch Begegnungen mit Menschen, die einen nervtötend angestrengten, mackerhaften Habitus an den Tag legten und mir dabei irgendwelchen Quatsch andrehen wollten, nach dem ich nicht gefragt hatte. Anscheinend weil diese Menschen der Auffassung waren, ich sei blöde und hätte eh weder Interesse an Details noch Ahnung von Nutzen. Aber davon mal abgesehen taucht eine Frage immer wieder auf:

Fahren Sie selbst oder fahren Sie NUR mit?

Interessant, da ich bislang die Erfahrung gemacht habe – und mir berichten ließ – dass diese Frage ausschließlich weiblich* lesbaren Kund_inn_en gestellt wird. Warum eigentlich? Dabei scheint das Geschlecht der beratenden Person irrelevant zu sein. Ich wüsste ja gern, ob sich als männlich* definierende Personen diese Frage auch schon gestellt bekommen haben? Bitte, schreibt mir!

Nr 22 Katrin Hexe Meyer
#22 Katrin „Hexe“ Meyer (2007)

Es gibt nämlich auch zweierlei Stiefel für Frauen*, wenngleich beide Varianten gerne über sowas wie Absätze verfügen. Die sollen u.a. dazu dienen, die Entfernung zum Boden zu verkürzen. Also Menschen mit nicht allzu langen Beinen ermöglichen, auf dem Motorrad sitzend trotzdem mit dem ganzen Fuß auf die Erde zu kommen. Das scheint für Männer* kein Problem zu sein, die sind schließlich alle groß und haben ja grundsätzlich lange Beine. Spaß beiseite. Es gibt…

  1. Stiefel mit Verstärkungen an unterschiedlichen Stellen, u.a. für sicheren Stand, gute Kontrolle beim Schalten (was beim Motorrad mit dem Fuß durchgeführt wird), geschützte Schienbeine und Zehen; letzteres besonders beim genüßlichen Fahren von Kurven. Praktisch und unspektakulär.
  2. Stiefel mit Blümchenmustern oder anderem Schnick-Schnack, meistens unfunktional und eher in Motorradstiefel-Optik.

Also, die Auswahl ist eher klein, besonders wenn es um Farben geht (was mich persönlich nicht stört, da ich für den Alltag total nach Rennstrecke aussehende Teile dezent übertrieben finde), aber das sieht bei Helmen ja nicht anders aus. Ich habe für mich ein schlichtes Unisex-Modell gefunden, was mit meinem Wadenumfang nicht so leicht war (ja, staunt darüber! Staunt!).

Aber zurück zur Frage “Fahren Sie NUR mit?” von der (ebenfalls selbst fahrenden) Verkäuferin*. Das hat mich ein bisschen… hm…hm…ich weiß nicht. Ist es die Reaktion auf eine Realität, in der Frauen* hauptsächlich als Bikerchicks* und Sozia* herumgefahren werden? Sind selbst fahrende Frauen* eine so kleine Gruppe, dass sie für den Markt irrelevant sind und darum kaum Auswahl brauchen (auch, weil sie zur Not auf die Herrenausstattung zurückgreifen könnten)? Brauchen Mitfahrerinnen* weniger Sicherheitskleidung beim Sturz? Was ist da los?

“Immer diese Rollenklischees”, dachte ich, und “dass die selbst fahrende Verkäuferin* mich sowas fragt! Nimmt die mich nicht ernst?” Dabei haben wir später im Gespräch noch über schwitzige Panikattacken auf Raststättentoiletten gewitzelt, wenn es so heiß ist, dass die Kombi an den Beinen festklebt und sich einfach nicht schnell genug ausziehen lassen will… Wir haben diesbezüglich Tipps und Tricks getauscht.

An der Kasse vor mir eine Kundin* beim Kauf einer Jacke: “Was, extra Protektoren? Nö, nicht so wichtig. Ich fahr ja bloß mit.”

Ich habe aus Protest noch ein umfassendes Handbuch zur Wartung, Pflege und Reparatur gekauft. Pah!

Archivfoto privat nh
Nina Prinz Archivfoto: privat/nh

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