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Feministische Telegramme #1

Feministische Telegramme #1 published on 1 Kommentar zu Feministische Telegramme #1

Jeden letzten Freitag im Monat veröffentlichen wir gesammelt auf dem Blog unsere Gedanken, die wir zu den verschiedenen Themen über facebook und instagram mit euch geteilt haben.

Was ist der Unterschied zum Blogtext? Die Postings sind kürzer und spontaner. Es sind Gedanken, die wir in dem Moment loswerden und mit euch teilen und diskutieren möchten.

Wollt ihr auch was loswerden? Dann schreibt uns eine Mail an  info@feminismus-im-pott.de oder einfach eine Nachricht auf facebook.


 

27.09.2017

von hs

Ich muss zugeben, die Wahlergebnisse am Sonntag haben mich zuerst geschockt. Dass die AfD so viel Prozent erreicht, hätte ich nicht gedacht. Aber warum konnte mich dieses Ergebnis eigentlich schocken? Die Entwicklung hat sich in den letzten Jahren schon deutlich abgezeichnet. Rassismus und andere Menschenfeindlichkeiten sind salonfähiger geworden. People of Color und haben das oft genug angeprangert. Jetzt komme ich so langsam an den Punkt, an dem die Realität einsickert. Die AfD sitzt für die nächsten 4 Jahre mit 94 Sitzen im Bundestag. Das beachtliche Mitspracherecht, das sie jetzt haben und die gefährlichen Polemik, die sie benutzen, werden spürbare Auswirkungen haben, besonders für Angehörige von Minderheiten. Den Abgeordneten des Bundestags wird nicht nur eine große Verantwortung übertragen, sie bekommen auch Mittel bereit gestellt, für die Büroausstattung, die Reisekosten, für eine Zweitwohnung, um Mitarbeiter/innen einzustellen und eine Aufwandsentschädigung. Dieser große bereitgestellte Handlungsspielraum für die AfD macht mir ein ungutes Gefühl.

Was bedeutet das für unseren Aktivismus? Noch Sonntag Abend hat mich die Jetzt-erst-recht!-Haltung ergriffen. Und ich denke eine gesunde Portion Wut gehört auch dazu.😬 In den nächsten 4 Jahren werden wir noch politischer werden, lauter, noch öfter auf die Straße gehen, Stellung beziehen, für Minderheiten kämpfen, uns vernetzen, sich solidarisieren, mobilisieren uvm. 🙌💪

Ich musste aber auch daran denken, dass so viele tolle Aktivist*innen das bereits seit Jahren machen. Öffentlich und privat, gezielt als politischer Aktivismus oder einfach als gelebtes Miteinander. Und daran, dass es so viele unterschiedliche Arten von Aktivismus gibt, von Parteipolitik, über ehrenamtliches Engagement, Unterstützung von Initiativen, Kunst- und Kulturschaffenden bis hin zum kompromisslosen zu sich selbst Stehen. Jede*r findet ihre*seine Nische. Lasst uns genau da weiter machen (oder damit beginnen) und noch mehr und noch lauter werden.🙌🔊

Repost @womensmarchglobal
Artist @micahbazant

25.09.2017 – „Guter Sex ist schwer zu finden – besonders als Feministin“

von Lia

Als Feministin habe ich die Erfahrung gemacht, nur selten neue Freund*innen gewinnen zu können. Nicht so sehr, weil sie mich aufgrund meines Feministinnen-Seins nicht mögen, sondern weil Menschen zu oft zu sehr arschloch sind, als dass ich ihr Verhalten kritiklos hinnehmen kann. Ich habe in den letzten Jahren dadurch auch einige Freundschaften und Bekanntschaften gnadenlos und kompromisslos gekündigt. Manchmal mit Schmerz, aber nie mit Reue. Jederzeit müsste und würde ich wieder so entscheiden; auch wenn ich mir wünsche, dass diese Menschen sich ändern. Besonders hart und schade ist es, wenn es sich um Fickfreund*innen handelt. Guter Sex ist schwer zu finden – besonders als Feministin. Auch am Feminismus verlor ich schon einige gute Sexaussichten und gute Sexpartner*. Verdammter Mist.
Und nun aber Bundestagswahl 2017. Elende 15,37 Millionen (25 %) Menschen haben es nicht für nötig gehalten, ihr Privileg des Wahlrechts in Anspruch zu nehmen und die neue Regierung zu wählen.
Und zack, verliere ich noch einen guten Mann. Verdammte Kacke, du warst echt gut. Du hast mir echt Spaß gemacht und warst super angenehm. Aber Nichtwähler. Eine Person, die aus Frust oder Desinteresse die aktive politische Gestaltung des Landes durch Wahlbeteiligung verweigert und dadurch zulässt, dass Machtstrukturen gären und verhärten können. Dieses nicht soziale und verantwortungslose Verhalten möchte ich nicht an meinem Körper, nicht in meinen Kopf lassen. Mein Sex ist (auch) politisch. Promiskuität bedeutet nicht beliebig, nicht wahllos. Dich wähle ich nicht mehr.


24.09.2017

von lilli boheme

Bestimmt habt ihr in den letzten Wochen auch schon mehr Wahlaufrufe bekommen (auch von uns), als bei allen Bundestageswahlen davor zusammen. Das hat etwas belehrendes und unnötiges, wie Eltern, die einen auffordern beim Sex aufzupassen – also Dinge, die man sowieso macht bzw. bei denen man sich auch nicht reinreden lassen will.

Doch tatsächlich scheinen die einzelnen Stimmen diesmal etwas mehr Wert zu sein, als sonst und zwar nicht auf die Regierungsbildung hin, da hier schon Merkel recht sicher und alles andere offen zu sein scheint. Sie sind wichtiger, weil alle die sich aufraffen, um gegen die AfD zu wählen, diesen die Genugtuung nehmen könnten, drittstärkste Kraft zu werden und möglichst wenig Sitze zu erhalten. Denn so mehr Sitze, desto mehr rechte und konservative Entscheidungen (mit einem Bundestag mit AfD wäre Ehe für alle nicht durchgekommen), desto mehr Plätze in wichtigen Ausschüssen (Innere Sicherheit, Klima). Jeder Sitz mehr kann auch ein*e Rechtsradikale*r, ein Nazi oder ein*e Reichsbürger*in mehr sein und es reicht, dass unser Parlament wieder in dem historischen Bau hockt, das historische Personal braucht es nicht. Und was die AfD jenseits ihrer Hardliner*innen wirklich sehr pauschal und programmatisch ist, ist antifeministisch.

Nie war es so einfach mal Antifa zu sein, unvermummt, gewaltfrei, einfach nur durch einen Wahlgang. Aber was bei aller Wahlmobilisierung auch im Kopf bleiben sollte: Wählen reicht nicht.
Wählen reicht nicht als politische Partizipation der Bürger*innen: wir haben weniger eine repräsentative Demokratie, als einen repräsentativen Akt des Wählens – ein Gefühl von Mitbestimmung, die schon durch Koalitionsbildung korrumpiert werden kann. Wählen reicht nicht, um wirklich große Ungleichheiten in der Gesellschaft zu korrigieren, dafür sind die gewählten zu privilegiert, zu männlich, zu wenig divers.

Wählen reicht nicht, um es der AfD zu zeigen, denn sie werden in den Bundestag einziehen und wie wir von Trump wissen, werden sie nicht aufhören zu polemisieren und Demokratie zu beschädigen. Auch der allgemeine Rechtsruck in anderen Parteien, in Europa und im Netz erfordert kontinuierliche politische Arbeit, die feministisch und antirassistisch ist.

Wir wählen dieses Engagement. Wir schätzen es, wenn ihr wählt oder schon gewählt habt, rechnen aber auch mit euch in den nächsten vier Jahren.


13.09.2017 – „Em- statt auspowern“

von MsWookie

Unsere auf (Selbst-)optimierung bedachte Gesellschaft, in der selbst Bananen und Gurken einer äußerlichen Norm unterliegen, macht auch vor dem menschlichen Körper nicht halt. Aber wer ist das, der*die uns da normiert und kontrolliert? Wer oder was suggeriert uns, dass wir fit, schlank und funktionsfähig sein müssen? Wer schön und „gesund“ (Was ist gesund?) ist, gilt als erfolgreich – das sehen wir in der Werbung, lesen wir in Ratgebern oder hören wir bei der Ärztin. Die Internalisierung, also die Übernahme von Schönheits- und Gesundheitsidealen hat zur Folge, dass wir selbst erheblich zur (Selbst-)Kontrolle beitragen.
Uns wird suggeriert, dass wir schlank, fit und funktionsfähig sein müssen. Wir verinnerlichen, dass wir schlank, fit und funktionsfähig sein sollen. Wir sollen schön und attraktiv sein, damit wir als erfolgreich gelten. Wir sollten uns Normen unterwerfen, die wir selbst damit wieder reproduzieren und legitimieren.

Ich – weiß, cis, abled-bodied – habe meinen Körper nicht nur sehr lange diszipliniert, ich habe ihn bekriegt, ihn beim Sport ausgepowert, in Kraftakten gedemütigt – in der Hoffnung mich danach b e s s e r zu fühlen. Nicht wohl, sondern besser, indem ich mich dem Ideal annäherte. Ich habe ihn in meinem Krieg als Gefangenen gehalten und ausgehungert. Mein Körper gehörte nicht wirklich zu mir. Der neoliberalen Selbstoptimierungslogik unterworfen, wurde mein Körper zu einem (meinem?) Projekt, das mir nicht mehr allein gehörte.
Die Gesellschaft, in der ich lebe, hat sich wenig verändert, (Selbst-)Optimierung gilt noch immer als erstrebenswert und sogar trendy. Dennoch fühle ich mich mit meinem Körper heute wohl. Es ist nicht immer alles perfekt, manchmal zweifle ich an ihm. Auch wenn er einige Kilos schwerer ist als damals, mag ich ihn mittlerweile. Er trägt mich durch meinen Alltag, den ich mittlerweile auch wieder mag. Zum Beispiel zu Essensdates mit wunderbaren Freund*innen, die mich empowern, anstatt zu neuen Optimierungsprojekten zu motivieren. Ich habe mich mehrfach tätowieren lassen, was ich als Wieder-Aneignung meines Körpers begreife. Mich in einer feministischen Umgebung zu bewegen und die gesellschaftlichen Anforderungen, gerade an Frauen, zu reflektieren, hilft mir bei diesen zähen Schritten. Es ist ein langer Weg, aber ich gehe ihn gerne – und ich kann es eben nur gemeinsam mit und in meinem Körper.


05.09.2017 – „Ideologisches Übergewicht“

von pepe

Der Wahlkampf treibt seltsame Blüten. Bundesinnenminister De Maizière nutzt die strategische Empörung über die G20-Ausschreitungen, um einerseits den Eindruck von konsequenten Gegenmaßnahmen zu vermitteln und andererseits staatliche Kontrolle und Zugriff noch weiter auszubauen. Vor dem Hintergrund, dass sich gerade Terror aus zwei nationalistischen Weltkriegen zum 75. und 100. Mal jähren und die rechtsextreme Gewalt in Form von Brandanschlägen und Angriffen auf Menschen 2015/2016 einen alarmierenden Höhepunkt hatte, erscheint das Vorgehen populistisch und ignorant: De Maizière sperrt nicht nur linke Internetseiten genau in der Woche des 25. Jahrestages rassistischer Übergriffe in Rostock, sondern sieht auch ein „Übergewicht an Projekten gegen Rechtsextremismus“. Dazu besuchte er die Gedenkstätte Berlin Hohenschönhausen, ein ehemaliges Stasi-Gefängnis und sprach mit Schüler*innen. Seine erstaunlichen Aussagen und die Symbolpolitik des Innenministers sollen offenbar Vertrauen in die von Ausschreitungen geschwächte innere Sicherheit geben und auch konservative und rechte Wähler*innen zurückführen. Aus feministischer Sicht ist die momentan beliebte Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus nicht nachvollziehbar. Sie geht nicht nur aus historischen Gründen und Kriminalstatistiken nicht auf, sondern auch daher nicht, weil bereits Rechtspopulismus und rechtsextreme Gruppen antifeministisch, rassistisch und antisemitisch operieren. Ich lasse diesen Vergleich nicht zu und auch wenn die Gewalt einiger linksextremer Gruppen nicht zu leugnen ist, wehre ich mich gegen diese Zuspitzung und die daraus resultierenden staatlichen Maßnahmen.

 

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