Willkommen im Feminismus
Feminismus ist toll! Aber wie funktioniert er? Kann ich da einfach „rein“? Ist es etwas, in dem ich drin sein kann? Wie kann ich da mitmachen? Und was heißt es mitzumachen? Feminismus will die Welt verändern, sie für alle gerechter machen. Gerade im Queerfeminismus geht es darum, sich zu solidarisieren, mit Menschen Bündnisse zu schließen, gemeinsam stark zu sein, gegen das Patriarchat, gegen Rassismus, gegen Homo- und Transfeindlichkeit. Gegen jede Form der Diskriminierung und Abwertung. Aber Feminismus als gesellschaftliche und soziale Bewegung wirkt auf manche schwer zugänglich.
Sprache und Feminismus
Teile der feministischen Bewegung sind tief mit den Gender Studies verbunden, einer akademischen Disziplin, die sich aus der Frauenforschung entwickelt hat und in der viele feministische Themen in wissenschaftlicher Sprache behandelt werden. „De/Konstruktion“, „Intersektionalität“ und „Reproduktion“[i] sind nur einige Beispiele für Begriffe, die von einer akademischen Fachöffentlichkeit genutzt werden, aber auch im Netz und feministischen Bewegungen wiederzufinden sind. Die Gender Studies dokumentieren das Wirken feministischer Bewegungen und bereichern diese durch Ideen, Theorien, und Forschungsbefunde. Fast immer verstehen sich auch die hier arbeitenden Wissenschaftler*innen als feministisch. Da sie überzeugt von den Konzepten sind, mit denen sie arbeiten und sie für nützlich für das Verstehen eigener Erfahrungen und die Entwicklung von Widerstandsstrategien halten, sprechen sie über diese auch in anderen Kontexten. Das kann auf andere, die wenig Erfahrung mit akademischer Sprache haben, seltsam bis abschreckend wirken.
Intersektionali – WAS?
Einer der Gründe dafür, warum gerade Queerfeminismus manchmal so kniffelig wirkt, ist Intersektionalität. Intersektionalität ist der Hinweis auf eine Denkweise, die versucht, mehrere Diskriminierungsformen und ihr Zusammentreffen zu berücksichtigen und diese Diskriminierung(en) gleichzeitig auch zu bekämpfen. Zum Beispiel gehört dazu die Erkenntnis, dass Schwarze Frauen anders diskriminiert werden als hetero Frauen. Gerade in queerfeministischen Kreisen wird ein großer Wert darauf gelegt, nicht nur gegen Sexismus einzustehen, sondern auch gegen Homo-, Bi- und Transfeindlichkeit, gegen Rassismus und Antisemitismus. Aber auch Klassismus, Ableismus, Lookismus und weitere Formen der Abwertung aufgrund eines Merkmals oder einer Gruppenzugehörigkeit klar abzulehnen. Es ist schwierig Intersektionalität immer mitzudenken. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass wir fast alle ganz unterschiedliche Alltagserfahrungen in der Gesellschaft machen, aber trotzdem leiden wir alle unter den verschiedenen sozialen Regeln. Der Kampf gegen solche einengenden Regeln, die Menschen Schmerzen bereiten, kann uns einen. Aber Intersektionalität heißt auch, dass wir uns immer wieder in Bereiche hineindenken müssen, mit denen wir persönlich nichts zu tun haben. Ich als weiße Person erlebe keinen Rassismus, aber ich setze mich mit dem Thema auseinander, damit ich andere nicht durch meine Gedankenlosigkeit verletze.
Queerfeminist*innen wollen schauen, wo Machtgefälle zwischen Gruppen von der Gesellschaft „eingebaut“ wurden und immer wieder aufs Neue bestätigt werden(re-/produziert) werden sodass manche Menschen, wie zum Beispiel weiße cis Männer, mehr Privilegien haben als andere, die dann als abweichend betrachtet werden. Das Problem ist jetzt, dass wir alle erst mal so sexistisch, rassistisch, cissexistisch (und so weiter) sind, wie das Umfeld, in dem wir aufgewachsen sind. Gegen diese Machtgefälle anzugehen – das ist feministische Arbeit! Es ist eine anstrengende Auseinandersetzung mit den eigenen Vorurteilen. Mit Grundsätzen, von denen wir lange geglaubt haben, sie wären richtig. Wenn Menschen, die sich schon klar gegen eine dieser Diskriminierungsachsen (zum Beispiel Sexismus) stellen, nun in Gruppen kommen, die sich schon lange mit diesen ganzen (wichtigen!) Konzepten (Rassismus, Transfeindlichkeit…) beschäftigen, heißt das nicht, dass sie „fertig“ sind. Es kann sein, dass sie bemerken, dass sie noch andere, problematische „-istische“ Vorstellungen mit sich tragen, über die sie vorher noch nicht nachgedacht haben. In einer (aus meiner Perspektive) guten feministischen Gemeinschaft weisen sich die Menschen zuverlässig und ‑ wo sie es können empathisch ‑ gegenseitig darauf hin, wenn eine Person problematische Dinge äußert. Also solche Aussagen, die irgendwie einen Machtunterschied zwischen Menschen unterstützten oder verfestigen. So können Menschen, die sich noch nicht so lange mit dem Thema auseinandergesetzt haben, diese Rückmeldungen mitnehmen und für sich überlegen, wo sie dem Hinweis zustimmen und eventuell Denkweisen ändern möchten. Keine Person ist feministisch geboren und irgendwann hat sich jede Person zum ersten Mal mit feministischen Ideen und Idealen beschäftigt, sich an sie herangewagt, sie übernommen und verändert. Ich glaube, dass wir alle schon einmal Dinge gesagt und sogar vertreten haben, die wir heute für problematisch halten. Genau deswegen geben sich viele Feminist*innen große Mühe, die wichtigen Werte geduldig und empathisch zu vermitteln.
Es gibt auch menschliche Trolle, die sich einfach einen Spaß daraus machen, feministische Initiativen ins Lächerliche zu ziehen. (Die Mädchenmannschaft reagiert auf sowas gerne mit den „Feminist Fun Fridays“). Feminist*innen versuchen immer wieder Wege zu finden, mit diesen echt nervigen Menschen umzugehen ohne die Energie, für die eigentlich tolle aktivistische Arbeit zu verlieren. Aber diese Trolle haben wenig zu tun mit Menschen, die sich ernsthaft mit feministischen Themen auseinandersetzen mögen und interessiert zuhören
Feministische Räume als Schutzräume
Für viele ist „Feminist*in“ auch ein wichtiger Ausdruck für eine Gruppenzugehörigkeit. Eine Gruppe, zu der sie sich zugehörig und in der sie sich sicher fühlen können. Einige haben jahrzehntelang nach einem Ort gesucht, an dem sie einfach nur sie selbst sein können. Sie haben erlebt, wie Freund*innen aus der Szene schlecht behandelt worden sind, von anderen Menschen, von Behörden, von Polizist*innen. Die
Bild des Logos von Feminismus im Pottganze Diskriminierung bedeutet Gefahr und Stress für eine*n selbst und geliebte Menschen. Auch hier ist es mehr als verständlich, wenn Menschen, die Gewalt erlebt haben, sich mit viel Nachdruck für die Änderungen der Strukturen einsetzen, die sie und ihre Freund*innen fertig machen. Das können Menschen, die neu dazu kommen und sich mit bestimmten Konzepten noch nicht so viel auseinandergesetzt haben, zu spüren bekommen, wenn sie sich problematisch äußern. Auch wenn sie niemanden verletzen wollten. Die Menschen, die feministische Räume als Schutzräume brauchen, können dann auch schon mal sehr unfreundlich reagieren, anstatt geduldig und empathisch. Manche haben einfach sehr viel Scheiße erlebt. Sie wollen keine übergriffigen Menschen in den Räumen, die sie als die eigenen wahrnehmen. Es ist ein Dilemma zwischen der Offenheit gegenüber neuen Menschen und dem festen Vertreten der eigenen Werte in einem Bereich, der von zu vielen Menschen nicht ernst genommen wird.
In feministischen Räumen geben sich Menschen Mühe ihre Diskriminierungserfahrungen in Worte zu fassen, die andere nicht wieder diskriminieren. Gemeinsam gegen das diskriminierende System anstatt gegeneinander.
Eine Bewegung in Bewegung
Aus meiner Sicht spricht dies nur mehr für Empathie, gegenseitige Bestärkung (Empowerment) und Solidarität mit anderen. Wir alle haben mal angefangen, uns mit Feminismus auseinanderzusetzen und Dinge falsch gemacht. Wir haben Menschen verletzt und vor den Kopf gestoßen, ohne es zu wollen. Nur wenige Menschen bekommen es hin, immer geduldig zu sein, wenn andere Menschen verletzende Dinge sagen.
Eigene, erst mal seltsam wirkende Begriffe gibt es in jeder Gruppe, egal ob es um Eishockey, Make-up oder Politik geht. Aber zu versuchen, sich verständlich auszudrücken und, wo angemessen, Begriffe immer wieder zu erläutern, ist ein Teil des Weges, Feminismus weiter leichter zugänglich für Viele zu halten. Manchmal müssen aber auch die komplizierten Begriffe her, denn sie helfen dabei, komplizierte Dinge in einer komplizierten Welt zu erklären.
Weiter sollte Feminismus für mich eine Bewegung sein, in der Menschen sich aneinander anlehnen können, in der nicht alle immer stark sein müssen. Hierfür finde ich es wichtig, respektvoll mit sich selbst, aber auch mit anderen umzugehen. Wir versuchen die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Wir kämpfen auf viele unterschiedliche Weisen. Feminismus kann eine Bewegung, ein Ort des Kampfes und der Verletzlichkeit sein.
Wir zusammen machen Feminismus. Solidarität heißt auch, neue Menschen aufzunehmen und mit etwas Geduld zu behandeln, wenn sie wirklich zuhören. Solidarität heißt, als neue Person zuzuhören und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Solidarität heißt auch, diskriminierten Menschen einen Raum zu geben in dem sie ihre Diskriminierungserfahrungen in Worte fassen können. Feminismus heißt für mich, einen Raum des Wachstums und der Heilung aufzubauen, damit wir gemeinsam Widerstand leisten können gegen die Gewalt in der Gesellschaft, die wir mitbauen.
[i] Folgende Erläuterungen sind stark vereinfacht. Ich wollte sie aber aufnehmen, damit Menschen eine grobe Idee davon haben können, worum es hier gehen kann: De-/Konstruktion: Was das ganz genau ist verstehen, glaube ich, nur ganz wenige. Im Moment verstehe ich darunter, dass Menschen sich anschauen, aus welchen Ideen andere Ideen zusammengesetzt sind. Also zum Beispiel hat die Idee des „Frauseins“ in dieser Gesellschaft etwas mit Kindern und Biologie zu tun. Das kann man aufschreiben und dann hinterfragen, ob es wirklich klug ist, diese Ideen so miteinander zu verbinden. Intersektionalität: Das bedeutet, dass viele Menschen nicht nur an einer Diskriminierungsform leiden und dass wird das nicht vergessen dürfen. Zum Beispiel waren Schwarze Menschen in weißen feministischen Kreisen leider oft nicht willkommen. Auch ist es anders, eine lesbische Frau zu sein als eine hetero Frau oder ein schwuler Mann. Probleme summieren sich nicht auf, sondern die Erfahrungen in der Gesellschaft verändern sich gänzlich, nehmen eine andere Form an. Reproduktion: Wenn alle Menschen aufhören würden sexistisch zu sein, wäre das Patriarchat schnell weg. Aber Menschen wiederholen immer wieder alte Konzepte wie „Frauen sind nicht gut in Mathe“ und reproduzieren so alte Gedanken. Sie wurden schon einmal „produziert“ müssen aber immer wieder wiederholt werden, damit sie bleiben. Genauso ist es mit Dingen, die wir gut finden. Feminismus bleibt nur bestehen, wenn wir ihn immer weiter machen und immer wieder neu erfinden.