von Leonie
Utøya, Christchurch, Halle und Hanau. Alle diese Städte wurden Schauplätze rechtsextremer Gewalt. Die Täter verbindet ihr Hass. Ein Hass, der nicht nur rassistisch motiviert ist, sondern explizit auch Frauen miteinschließt. Trotzdem wird fast nie von misogynem Terror gesprochen, wodurch die strukturellen Probleme, die den Nährboden für diese Gewalttaten bieten, in den Hintergrund geraten.
Sexismus wird häufig nicht als Menschenhass erkannt, da er gesellschaftlich eher akzeptiert wird. Dadurch dient er oft als Ventil für Frustration und das Austesten von gesellschaftlichen Grenzen. Bei den Attentätern finden sich zwei unterschiedliche Argumentationsstränge zur Begründung des Frauenhasses. Die erste Argumentation folgt der Ansicht, dass Feminismus schuld an sinkenden Geburtenraten ist, da die Frauen (1) für ihre sexuelle Selbstbestimmung kämpfen und somit „Überfremdung“ den Weg bereiten würden. Die zweite Argumentation folgt dem Gefühl, dass heterosexuellen Männern etwas weggenommen wird, auf das sie ein ursprüngliches Anrecht besäßen. Insbesondere durch die Ablehnung von Frauen werden Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten hervorgehoben. Um diesem Gefühl entgegenzuwirken, werden Schuldige gesucht und als Hassprojektionen für die eigenen Probleme missbraucht. Wenn man hasst, was man begehrt, wird eine ambivalente Spannung geschaffen, die toxisch ist.
In der rechtsextremen Szene wird häufig ein stereotypes Bild von Männlichkeit vertreten. Der Mann ist demnach ein Kämpfer, der keine Schwäche zeigt und sich nimmt, was er will. Dies kann als positive Projektionsfläche für enttäuschte Wünsche dienen und selbstbestätigend wirken. So vernetzen sich insbesondere in Internetforen frustrierte Männer in sogenannten „Mannosphären“, in denen sie sich über ihren mangelnden Kontakt zu Frauen austauschen. Dieser Frust bündelt häufig in gemeinsamem Hass auf Frauen und bildet oftmals die Grundlage für die Konstruktion rechtsextremer Ideologien.
Besonders deutlich wird diese Ambivalenz des Begehrens und Hassens in der Incel-Subkultur. Incel steht für involuntary celibacy (unfreiwilliges Zölibat) und ist eine in den USA entstandene Internet-Subkultur von heterosexuellen, hauptsächlich weißen Männern, die sexuelle Frustration mit einer Ideologie der weißen männlichen Vormachtstellung koppeln. Sie konstatieren demnach ihren Anspruch auf sexuelle Befriedigung, der geprägt ist von Misogynie und der Bereitschaft sich im Zweifelsfall auch gewaltsam zu holen, was ihnen vermeintlich zusteht.
Auch wenn die Incel-Szene in Deutschland weniger verbreitet ist, sorgen auch hier sogenannte Pick-up-Artists für eine Sphäre toxischer Männlichkeit. Sie vertreten die Ansicht, dass Frauen wie Spielobjekte sind, bei denen man nur die „richtigen Knöpfe“ drücken muss, um sie gefügig zu machen. Auch sie vertreten die Meinung, dass jeder Mann ein Recht auf Sex hat und Männer Frauen biologisch überlegen sind.
Das Vertreten toxischer Männlichkeitsbilder ist keineswegs ein Randphänomen, sondern wird vielfach gesellschaftlich gestützt. Dies führt zu Strukturen, in denen Frauenhass als Wegbereiter für krude Ideologien und einem allgemeinen Menschenhass dient. Die Attentäter von Utøya, Christchurch, Halle und Hanau waren Rassisten und Sexisten und getrieben von einem Hass, der jeden, der nicht heterosexuell, „christlich“, männlich und weiß ist, miteinschließt.
Sexismus ist, wie Rassismus, Menschenhass und lässt sich deswegen nicht von diesem trennen. Sexismus und Frauenhass zu bekämpfen bedeutet auch, sich gegen Menschenhass zu behaupten und jeder Art von Ungleichheit entgegenzuwirken. Nur wenn die Gesellschaft sich ändert, können die Strukturen aufgebrochen werden, die dafür sorgen, dass sich bestimmte Menschen in ihrem Hass auf andere vereinen und versuchen sich gewaltvoll zu holen, was ihnen nie gehört hat.
(1) Dieses Narrativ bezieht sich nur auf weiße Frauen und in umgekehrter Weise auf BIPOC Frauen, da Rechtsextreme eben nicht wollen, dass BIPOC Frauen Kinder bekommen.
Quellen:
*https://www.tagesschau.de/investigativ/panorama/frauenhass-rechtsextremismus-101.html
*https://www.sueddeutsche.de/politik/tobias-r-frauenhass-rechtsextreme-1.4809396
*https://www.boeckler.de/pdf/p_arbp_302.pdf
*https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/projekte/fachstelle-gender-und-rechtsextremismus/