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Antanzen und Abtanzen

Antanzen und Abtanzen published on Keine Kommentare zu Antanzen und Abtanzen

Club Harassment oder Sprachregeln nonverbaler Kommunikation

von pepe

„Guck, die Katze tanzt allein, tanzt und tanzt auf einem Bein Kam der Kater zu der Katze, leckte ihr ganz lieb die Tatze, streichelt sie und küsst sie sacht und schon hat sie mitgemacht.“ (Kinderlied, Fredrik Vahle)

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Tanzskizze pb

Mann sein und das tanzend, das ist für viele Männer nicht so leicht. Während manche sich gar nicht trauen und ein Leben am Rande führen, trauen sich andere zu viel.

Ein Schritt vor

Bilder kommen mir in den Kopf: Wie auf der Tanzfläche eine Gasse entstand, als teilte Moses die Wasser, und der Grund mein Kumpel B. war, der sich tastend nach vorne arbeitete. Auch S. erscheint vorm inneren Auge, der ganz geschlechtsunspezifisch seine Hände überall hatte, was von den meisten vielleicht richtig aber unkritisch als eine Überdosis Empathie begriffen wurde. Natürlich hat man penetrantere Antanzszenen gesehen, wo sich Männer wie Neandertaler vorschieben. Täuschen sie ein Versehen vor oder sind sie wirklich so ungeschickt? Dann gibt es die seltenen Momente, wo man einmal selber angetanzt wird. Das Gefühl ist ein kleinwenig, wie wenn der Sessellift anschiebt und sich gleichzeitig der Haltebügel, um einen schließt. Es ist die Übernahme des Takts des anderen.

Die körperliche Erfahrung des Tanzes ist für viele zum Erlebnis des eigenen Körpers geworden. Ein fremder Oberschenkel ist da überraschend und deplatziert. Er nimmt die Freiheit der eigenen Bewegung und erzwingt einen Wechsel in den Modus des Paartanzes. Die strengen aber natürlich auch geschlechtlich problematischen Regeln der konventionellen Aufforderung zum Tanz, haben diese Intimität sorgfältig vorbereitet und der Frau* zumindest vorsätzlich die Möglichkeit einer Ablehnung gegeben, der Antanzer* übergeht das alles; erzwingt Paarsein und Körperlichkeit. Es muss eine Gegenkraft aufgewendet werden, um sich zu entziehen. Das Paarsein grenzt aber auch nach der anderen Richtung ab. Konnte sich die Tänzer*in grade noch als selbstbestimmter Teil eines tanzenden Kollektivs sehen, hat sie nun in erster Linie ein gegenüber. Wie Street Harassment scheint Antanzen in vielen Clubs eine Art Volkssport zu sein. Im Widerspruch zur Ortsbezeichnung ist gerade in der Großraumdisko oft wenig Raum zwischen den Tanzenden. Wenn immer einer angetanzt kommt, führt das zu einer bedenklichen Gewöhnung. Bedenklich, weil dieses Umgehen der Ansprache und der Start beim Körper das gegenüber schnell in einen Objektstatus versetzt.

Ein Schritt zurück

Die Clubs sind laut. Anmachen kann man machen, läuft aber auf Anschreien simpelster Dreiwortsätze hinaus. Non verbale Kommunikation hat da schon was für sich, Blickkontakt, Lächeln, doch wo führt das hin – wo ist die Mitte zwischen nonverbal und brachial? Sollte jeder seinen Quadratmeter autonomen Tanzraum besitzen oder ist Annäherung möglich? Wäre Rock’n’Roll mit der Krankenschwester passiert oder der überraschende Kuss auf dem Floor, wenn Distanz gewahrt worden wäre? Doch irgendwo waren diese und ähnliche Szenen Momente einer wunderbaren körperlichen Begegnung oder die Abenteuerlust vieler Promille. So was kommt selten vor. Wer nonverbal kommunizieren möchte, der sollte sich eine Analogie für Sprechlautstärke vorstellen, also nicht direkt körperlich losbrüllen, nicht direkt das Bein hochziehen, sondern erstmal die Mundwinkel. Körperliches Kennenlernen ohne ein Wort miteinander gesprochen zu haben ist ein grenzwertiges aber gelegentlich spannendes und sinnliches Erlebnis; allerdings nur für Muttersprachler in Körpersprache. Wer antanzt aufgrund von Vermutungen, weil etwa der Rock kurz ist oder der Blick schläfrig, der macht sich selber was vor und anderen Schwierigkeiten. Im Grunde weiß wohl auch fast jeder, wann er Grenzen überschreitet.

Drehung

Mancher tanzt sich trotzdem in draufgängerische Sphären oder hat einfach nichts zu sagen. Vielen von uns ist einst Dirty Dancing zwischen die Disney Filme geraten und das knistert noch nach. Doch Fantasien sollten sich gemeinsam entzünden. Möglicherweise kennt sie nicht nur den Film, sondern sehnt sich auch nach Nähe. Dann bleibt nur noch die Frage, ob man der Patrik Swayze Rolle gerecht werden kann und will. Vielleicht mag sie aber auch andere Filme, mit raffinierten Dialogen oder kühl distanzierten Charakteren. Das gilt es herauszufinden, aber nicht mit Händen und Füßen.

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