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Rezension: Juno

Rezension: Juno published on Keine Kommentare zu Rezension: Juno

Schwanger sein, aber nicht Mutter? Ja, weil sie es kann!

von Käthe

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Bild: maaretta.files.wordpress.com

Es ist ein warmer Herbst irgendwo im nordöstlichen Amerika. Juno stapft mit einem Kanister O-Saft durch die Straßen. Sie hat eine Ahnung und versucht diese regelrecht aus sich heraus zu spülen. Aber es hilft nicht. Auch nach wildem Schütteln bleibt das kleine blaue Plus in der Anzeige des Schwangerschaftstests. Juno ist Teenager und schwanger!

So beginnt die liebevoll erzählte Geschichte von Jason Reitman. In warmen Orange- und Gelbtönen entwickeln sich die tagebuchartig erzählten Ereignisse von Juno, die einfach mal aus Langeweile Sex mit ihrem besten Freund Bleeker hatte und nun mit den Konsequenzen zurechtkommen muss. Die wunderbare Ellen Page spielt Juno immer mit einem Hauch Ironie und trockenem Humor, aber auch mit einer stetigen Zerrissenheit zwischen den scheinbar richtigen Entscheidungen.

Im Film wird vor allem die Entscheidung für oder gegen das ungeborene Kind zentral ausgehandelt. Hier können sogar biopolitische Diskurse ausfindig gemacht werden. Biopolitik umfasst nach dem Philosophen Michel Foucault Prozesse, die die Regulierung des Lebens durch den Staat und durch Institutionen umfassen, um Menschen zu disziplinieren und Gesellschaften regierbar zu machen. Die ersten Prozesse, die Foucault in der Entwicklung von Gesellschaften ausfindig macht, sind zum Beispiel die Einführung der Geburtenkontrollen und der Hygieneaufklärung im 18. Jahrhundert. Mit diesen Prozessen soll letztendlich auch Macht auf das Individuum und eben auch auf die gesamte Bevölkerung ausgeübt werden. Ganz nah damit verknüpft sind auch Normvorstellungen, die sich auf Körper und gesellschaftliche Zusammenhänge beziehen und auch heute noch relevant sind. Sie prägen auch unsere gesellschaftlichen Diskussionen.

Im Film Juno sind es besonders die Normvorstellungen zur Umgebung, in der ein Baby aufwachsen sollte, die hier als biopolitisch erkannt werden können. Erscheint ein junges Mädchen, das noch zur Schule geht und in einer Patchwork-Familie lebt, als Mutter geeignet? Oder wäre eine Abtreibung der richtige Weg?

Auch Juno stellt sich diese Fragen. Dabei ist das Thema Abtreibung nur ganz kurz im Film präsent. Juno macht kurz vor ihrem Termin für die Abtreibung einen Rückzieher und überlegt mit ihrer besten Freundin, welchen anderen Weg es für sie und das Kind geben könnte. Adoption!
Juno möchte ihr Kind austragen und es dann zur Adoption freigeben. Dabei möchte sie selbst aber die Familie aussuchen, in die das Kind kommen soll und gibt eine Zeitungsanzeige auf. Sie entscheidet sich dabei für ein verzweifelt kinderloses Ehepaar aus der oberen Gesellschaftsschicht.Juno geht während der Schwangerschaft durch Höhen und Tiefen. Sie widersetzt sich den abwertenden Blicken in der Highschool und tritt bewusst für ihre Entscheidung ein. Zweifeln tut sie eher im Stillen und für sich allein. An ihrer Seite stärken sie aber auch ihre Familie und ihre Freunde, die sie so lieben, wie sie ist. Ob mit Babybauch oder ohne.

Die Entscheidung von Juno, das Kind auszutragen und nicht abzutreiben, wird in dem Film als moralisch besonders wertvoll präsentiert. Obwohl der Film damit auch hochaktuelle Anknüpfungspunkte zu Diskussionen um die weibliche Bestimmung über den eigenen Körper oder den Diskurs zur Definition von schützenswertem Leben bietet, werden diese Themen kaum bis gar nicht im Film ausgehandelt. Vielmehr wird die Adoption als einzige Lösung präsentiert. Diese Lösung ist auf der einen Seite eine, die hauptsächlich die Normvorstellungen unterstreicht, dass es das Beste für ein Kind ist, wenn ihm im Form von gutem Einkommen der Eltern und einem Einfamilienhaus eine scheinbar perfekte Umgebung zum Großwerden geboten werden kann. Auf der anderen Seite birgt der Lösungsweg aber auch subversives Potenzial. Denn das scheinbar perfekte Adoptionsehepaar trennt sich kurz vor der Geburt des Kindes. Für einen kurzen Moment bricht auch für Juno die Traumvorstellung einer makellosen Umgebung des ungeborenen Babys zusammen. Aber dann erkennt sie, dass es auch alternative Familienmodelle geben kann. Und gibt das Kind nun zu der alleinstehenden Adoptionsmutter ab. Mit gutem Gewissen.

Die Schwangerschaft von Juno erscheint im Film als ein Problem, das von der Protagonistin eher pragmatisch als romantisch verklärt angegangen wird. Weder möchte sie ihren Freund und den Vater des Kindes heiraten, noch trauert sie ihrer Entscheidung der Adoption nach. Die Schwangerschaft war ein Moment in ihrem Teenagerleben, das auch nach der Geburt des Kindes einfach weitergeht. Juno war schwanger und ist nun keine Mutter. Und es funktioniert. Juno hat sich damit von gesellschaftlichen Vorstellungen von Mutterschaft gelöst. Einfach weil sie es kann.

USA | Kanada 200, 96′

Regie: Jason Reitman

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