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Die Kommunistin, die niemals lächelte

Die Kommunistin, die niemals lächelte published on Keine Kommentare zu Die Kommunistin, die niemals lächelte

von der Bücherhexe

Choreographie, Collage, Comaneci

1976 war ein revolutionäres und schicksalhaftes Jahr für den rumänischen Turnsport: Nadia Comaneci – Wunderkind, Ausnahmetalent, Nationalheldin – betrat mit ernster Miene die Bühne des olympischen Wettkampfes in Toronto und löste Stürme der Begeisterung aus. Wenn man Videos der damaligen Choreographien sieht, versteht man warum das Publikum zu Tränen gerührt war – tatsächlich scheint da ein vierzehnjähriges Mädchen die Schwerkraft zu überwinden und übermenschliches zu leisten. Lola Lafon hat Comaneci nun einen bemerkenswerten Roman gewidmet, in dem sie ihr Leben rekonstruiert, ohne einen Anspruch auf Wahrheit zu erheben. Beim Lesen empfand ich eine plötzliche Euphorie für das Turnen, wie sie sich bei mir sonst nur beim Mitverfolgen großer internationaler Sportereignisse einstellt. Lafons Sprache ist dabei so voller Dynamik und Schwung, dass auch sie wie eine Turnchoreographie wirkt. Ihr Sportlerinnen-Portrait ist dabei äußerst klug aufgebaut: Die Autorin stellt ihr eigenes Bild von Nadia immer wieder in Frage, indem sie fiktive Dialoge zwischen Erzählerin und Hauptfigur einstreut. Gerade das Leben eines berühmten Menschen, dazu noch in einer Diktatur, geprägt von politischer Instrumentalisierung, muss zwangsläufig in verschiedenen, teils widersprüchlichen Versionen existieren. Die sportliche Leidenschaft, gepaart einem Drill und Druck neben dem Germany’s Next Topmodel wie ein anti-autoritäres Feriencamp wirkt, das Leiden der Turnerinnen an der„Krankheit Pubertät“, Zuneigung und Psychoterror seitens des Trainers, all das erzeugt ebenfalls eine Spannung zwischen innen und außen, zwischen öffentlichen und inoffiziellen Deutungen. Unterschiedliche Perspektiven auf Rumänien früher und heute, auf Ceaucescu-Diktatur, Wende und Postsozialismus sind elementare Bestandteile dieser lebendigen Collage, ebenso wie die grenzwertige Faszination des Westens für minderjährige Mädchen. Lafons Buch macht gerade durch seinen inhaltlichen und sprachlichen Reichtum neugierig auf noch mehr – Informationen über Nadia Comaneci gibt es online genug, wie ich in meiner frisch entbrannten Begeisterung festgestellt habe. Wir alle können uns also zusätzlich zum Roman unser eigenes Bild machen – oder auch mehrere.

Die Kommunistin, die niemals laechelte

 

 

Lola Lafon
Die kleine Kommunistin, die niemals lächelte
Aus dem Französischen von Elsbeth Ranke
Piper
€ 19,99
9783492056700

 

 

Linkhinweis: https://www.genialokal.de/

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