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Wiegen ist scheiße!

Wiegen ist scheiße! published on Keine Kommentare zu Wiegen ist scheiße!

von wiesonur | http://blog.ruinendisteln.de/

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Bild: observando.net

Meine Gute-Laune Reihe wird um einen weiteren, persönlichen Befreiungsmoment erweitert.
Wie wahrscheinlich viele Menschen und sehr viele Frauen*, beschäftigte ich mich solange ich mich erinnern kann mit der Bearbeitung meines Körpers – besonders meines Gewichtes. Warum ich das mache? Ganz klar: Tief verinnerlichte Selbstobjektifizierung. Das hatte immer Höhen und Tiefen, mein ganzes Leben lang. Besonders einprägsam war eine Phase, in der ich in 2 Monaten von 75 auf 62 Kilo gehungert hatte. Anlass war diese ausschlaggebende Situation:

Ich esse eine Waffel.
Ein fremder Typ fragt mich: „Ey, kann ich was von deiner Waffel haben?“
Ich: „Nein.“
Er: „Alleine essen macht dick.“
Sein Freund: „Siehst du doch!“
(allgemeines Auslachen)

Ich konnte die Waffel nicht mehr aufessen und habe es für einige Wochen einfach ganz gelassen.
Das würde ich im Nachhinein nicht als Erfolg verbuchen.
Denn symptomatisch an dieser Situation ist das perfide Muster patriarchaler Anerkennung.
Ich habe in meinem Leben schon unzählige Bewertungen meines Äußeren mitgeteilt bekommen. Von „du bist schön“, bis zu „du bist furchtbar hässlich“. Im Grunde ist es mir mittlerweile völlig egal, ob es ein positiver oder ein negativer Kommentar ist. In jedem Fall wird mein Körper als Ding bewertet und daran implizit mein Wert für andere Personen, insbesondere Cis-Männer*, eingeschätzt. Ist Alltag… aber fühlt sich ganz schön komisch an, wenn man mal genau drauf achtet.
Jedenfalls habe ich diese Art der Wahrnehmung meines Körpers leider total verinnerlicht und vollziehe das auch an mir selbst. Ich versuche das abzustellen. Aber ich muss zugeben, dass ich mich am wohlsten gefühlt habe, als ich dünn war… weil ich einem Ideal entsprach und mich mit weniger fatshaming und negativer Bewertung konfrontiert sah. Heute weiß ich, dass auch die anerkennende Bewertung schäbig und Teil der (hetero)sexistischen Bewertung von menschlichen Körpern ist.

Jetzt aber zu meinem kleinen Erfolg. Das Wiegen habe ich mir vor einiger Zeit verboten. Auch wenn ich in Gedanken noch oft mit Schrecken mein Gewicht imaginiere. Leider werde ich bei der regelmäßigen, gynäkologischen Untersuchung vermessen und gewogen. Ich muss da leider im Moment alle 3 Monate hin. Meine Wiegeabstinenz wird so von einem 3 Monatszyklus unterminiert, indem alle verinnerlichten Selbstkasteiungen wieder anfangen.

„Oh nein, doch wieder über 70/75/xx Kilo!“
„Bis in 3 Monaten will ich 5 Kilo abnehmen.“
„Oh nein, wieder zugenommen!“
„Ich habe noch 6…5…4…3…2…1 Wochen… Wieder zu dick geblieben.“

Ich will gar nicht über ein bestimmtes Gewicht an sich sprechen. Für den_die eine_n mögen 75 Kilo super sein, für die_den nächste_n ist das ein Zustand des Selbstekels. Ist alles absurd. Sich überhaupt über sein Gewicht zu definieren und sich deswegen permanent mit seinem Gewicht zu beschäftigen ist… wie mit Scheiße spielen. Das macht krank!

Also schmiedete ich einen Plan: Ich will mich in Zukunft weigern, mich bei der Frauenärztin wiegen zu lassen. Selbstbehauptung gegen medizinische Autorität durchsetzen. Klingt einfach. Aber wenn ihr das echt vorhabt… da wurde es mir schnell unbehaglich und leicht schwitzig zumute. Was würden die sagen?

„Warum?“
„Das muss aber sein!“
„Schauen Sie halt weg beim Wiegen!“
„So schwer sind sie ja nicht?“
„Die Krankenkasse braucht das aber.“

Welche Argumente bin ich bereit, in dieser Situation aufzubringen. Verteidigung? Rechtfertigung? Erklärungen? Kompromisse? Und kann ich da irgendwie rauskommen, ohne als zimperlich wahrgenommen zu werden?
Kann ich deutlich machen, dass es nicht um Zimperlichkeit geht, sondern um ein Machtverhältnis, das sich gesellschaftlich gegen mich richtet und sich in dieser kleinen Mikrosituation knallhart manifestiert UND! MEINE! LEBENSQUALITÄT! HERABSETZT ! ?

Ich war so aufgeregt. Aber da wollte ich durch. Der nächste Termin: Ich wurde vermessen. Umfang der Oberschenkel, Blutdruck… alles klar… dann:

Sprechstundenhilfe: „Und auf die Waage bitte.“
Ich: „Nein, ich möchte nicht mehr gewogen werden.“
Sprechstundenhilfe: „Oh… nie?“
Ich: „Ja.“
Sprechstundenhilfe: „Ok, dann notier‘ ich das in Ihrer Akte. Dann werden Sie nicht mehr danach gefragt.“
Ich: „Danke.“

Wer hätte das gedacht?

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