Da sind ja so einige Mythen medial und gesellschaftlich im Umlauf über Singles mit Ende 20, Anfang 30, vom Bild der frigiden Spießerin bis hin zur promiskuitiven Hardcore-Feministin ist alles dabei. Da fragt sich unser eins: „Wohin mit meinem Leben?“ Und oft fühle ich mich wie ein Ausstellungsstück. Ja, ich bin eines dieser „Opfer“, ganz schön schlimm immer noch keinen Plan von Familie, Eigentum und Karriere auf dem Tisch zu haben.
Ein verzweifeltes und offensichtlich anzuzweifelndes Dasein, zumindest wird dieses grauenvolle Bild von der Unvollkommenheit eines Singlewesens oft vermittelt.
Und wie sich so ein „grauenvolles“ Leben anfühlt? Ja, ich möchte den Klischees nachgehen. Demzufolge sitze ich jeden Abend daheim, schaue tragische Liebesfilme mit NICHT-Happy-End und finde es generell ziemlich schwer diese Stille in mir selber und die Kälte des leeren Bettes am Abend und sowieso im Generellen zu ertragen. Und jetzt stehen auch noch die langen und ausmergelnden Wintermonate voller Dunkelheit, Traurigkeit und melancholischem Zähneknirschen bevor. Schon beim Anblick meiner einsamen Bettdecke, meines alleinstehenden Kopfkissens und meines ästhetisch vernachlässigten Unterwäschefachs, in dem sich seit den letzten Jahren statt aufreizender Spitze vielmehr sportive Baumwollschlüppis ansammeln, werde ich ganz traurig und genau aus diesem Grund habe ich mir auch nach längerer Abstinenz mal wieder Tinder runtergeladen und nutze es zeitgleich mit OkCupid, dem Einslive-Freundeskreis, kombiniert mit nächtlichen Partyexzessen, auf denen ich mit Schaum vor dem Mund auf Teufel komm raus auf die Männerpirsch gehe.
Man muss ja auch schließlich etwas unternehmen gegen das Komplett- und Mutterseelenalleinsein und den Verstoß gegen die gesellschaftliche Norm, dem Idealzustand in einer heterosexuellen Paarbeziehung zu leben, ja es hinzukriegen, dass da ein Mensch* bei einem bleibt, einen erträgt trotz all dieser vielen kleinen Makel. Ich habe auch kein soziales Netzwerk oder Freizeitaktivitäten, persönliche Interessen geschweige denn konkrete Ideen für eine (Über-) Lebensstrategie außerhalb des gängigen Beziehungsrahmens.
Aufgrund des Drucks von außen sollte ich wohl an nichts anderes denken können, als an mein übergeordnetes Ziel, ein intaktes Beziehungs- und Liebesleben zu führen und es einzutauschen gegen mein Klischeedasein als Dauer- oder On-Off-Singlefrau wie es Bridget Jones oder Elizabeth Taylor verkörpern. Ich habe mich also daneben zu benehmen, aus lauter Kummer der Einsamkeit wie ein Loch zu saufen, meinen Freundinnen jeden Abend am Telefon einen davon vorzuheulen, dass ich nichts mit mir anzufangen weiß und natürlich wohne ich noch bei Papa und Mama in der Nähe, ohne mich kommen die doch nicht klar und ganz ehrlich, so richtig abnabeln konnte ich mich noch nie. Deshalb wäre da auch überhaupt gar kein Platz für einen Partner, sagt Mama. Sie will mich aufbauen. Aber im Grunde ist es so: Ohne einen Mann (ich bin heterosexuell) bin ich nicht ganz mensch*. Ich ende als alte Jungfer, es sei kein Wunder bei „meiner Art“ (ich scheine ein Alien zu sein), dass ich keinen abbekäme. Das sind Gedanken von einigen über viele von „uns“ (Aliens).
Ja, ich glaube, so stellen sich manche das Leben ohne Partnerschaft vor. Die, die an diese Mythen glauben, die da so im Umlauf sind. Und was sage ich? Es fällt mir schwer dazu Stellung zu beziehen, denn ich habe eigentlich gar nicht das Bedürfnis vor jemandem* Rechenschaft abzulegen oder mich zu erklären für meinen Lebensstil, ob er sich nun gewählt oder unfreiwillig so ausgestaltet, denn es ist eine ganz persönlich intime Angelegenheit und ich fühle mich ein bisschen beobachtet von außen. Auch finde ich es höchst bedenklich, welche absurden Stereotype häufig in den Köpfen der Menschen herrschen, welcher Druck von außen aufgebaut wird in Bezug auf mein Privatleben und mein persönliches Glück; wie sie mir ihre Mitleidsblicke zuwerfen, wenn ich nach einer Party alleine nach Hause durchs Dunkle muss. Oder meine ich das nur? Nunja, allen Paranoia zum Trotz: Das alles erregt mich dazu, dies einmal mehr offen anzusprechen.
Ey, Leute, Medien oder sonst wer, der diese komischen Bilder produziert und die Mythenbildung befeuert: So schlimm ist das gar nicht als Single. Schau an, ich habe ein Leben außerhalb eines „Wir“. Und ja, keine Sorge, ansteckend ist das auch nicht, dieses „Singledasein“. Ich telefoniere zwar regelmäßig mit meiner Mutter, verwende Tinder und date Typen, wenn ich Bock darauf habe und es sich ergibt, ohne dass ich mir den Schuh des schwarzen Schafs der Gesellschaft, das zum Scheitern des Generationenvertrages beiträgt, anziehe. Ich lebe ein mehr oder weniger eigenständiges Leben, lasse meine Schlüpper nicht von Mama bügeln und tatsächlich würde ich, wenn es das Geld hergäbe, auch in einer Einzimmerwohnung alleine, statt in einer WG wohnen, denn meine Mitbewohner*innen müssen nichts und niemanden* ersetzen.
Natürlich gibt es Tage, an denen zwischenmenschliche Nähe der Qualität in einer Beziehung fehlt. Da nehme ich es bewusst wahr und reflektiere es, stelle mir vor, was sein könnte, wenn ich wieder eine*n Partner*in hätte und vergleiche es mit meiner jetzigen Lebenssituation und meinem inneren Gefühl. Und ich komme zu dem Schluss: Alles hat seine Vor- und Nachteile und ich werde mich selber nicht unter Druck setzen. Ich bin auch ohne Partner* liebenswürdig und wertig als Mensch in dieser Gesellschaft, habe meine Arschlochseiten und meine Ticks, aber genauso eben auch meine positiven Eigenschaften (was ja auch immer Ansichtssache ist). Ich entspreche nur nicht dem Optimum, wie es im Bild der jungen Frau von Ende 20 angelegt und mir als Subjekt gegenüber gestellt wird. Ich bin keine Versagerin, ich muss mich nicht öffentlich für etwas ganz Privates rechtfertigen oder erklären, nicht dafür, selten einem in meinen Augen attraktiven Mann zu begegnen, „zu kritisch“ oder „zu wählerisch“ zu sein, wie es so schön heißt. Ich muss mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich meine freie Zeit mit meinen Freund*innen und kulturellen Dingen genieße, auch nicht dafür, dass ich an einem Samstagabend zu Hause im Bett abhänge und Filme gucke. Vor wem denn auch? Natürlich wäre es auch manchmal schön, wenn da jemand bei wäre, mit dem ich dies und weiteres teilen kann, klar. Aber mir geht es gut, ich bin nicht krank, ich komme klar und jetzt festhalten: Ich bin die meiste Zeit sehr zufrieden damit partnerlos zu sein und davon überzeugt, dass das irgendwann verhofft oder unverhofft ganz ganz mythen- und aberglaubenlos anders sein wird.
Und bis dahin schaue ich und wandere weiter, voller Zuversicht und Freude, ohne Stützräder oder Schwimmflügel, ohne überzogene Erwartungen vom Ritter auf dem weißen Ross, genieße das Bett für mich alleine, trage Dessous und Ommaschlüpper (und bügele sie selbstverständlich nicht, das macht wirklich nur meine Mutter, befürchte ich) wann und für wen ich mag, nutze Onlinesinglebörsen und stehe dazu, trage meine Verantwortlichkeit für mich selber und sonst für keinen mit – würde es aber, wenn es sich gut anfühlt.
Und eines Tages am Wegesrand dieses Pfades, da wird mir sicherlich jemand begegnen, ganz unkonventionell. Und das ist schön und gut. Ich lasse mich überraschen. Das ist wie alles im Leben eine reine Glückssache.
6 Kommentare
Hallo,
also ich weiss ja nicht. Ich persönlich hab mich in der ersten Hälfte des Textes mehr wiedergefunden als in der zweiten. Es gibt auch Leute, die sehr unter ihrer Einsamkeit leiden. Außerdem könnte auch argumentiert werden, dass dieses glückliche Singlesein auch nur ein Ausdruck des Trends zur Atomisierung der Gesellschaft, der Entsolidarisierung und der durch den Neoliberalismus geforderten „Jeder für sich“-Mentalität ist. Keine Ahnung. Ich bin auf jeden Fall nicht gerne Single und sehr dankbar wenn ich Freunde anrufen kann, die sich mein Wehklagen anhören.
Lieber Fred,
das kann schon sein und stelle ich meines Erachtens nach auch gar nicht in Frage. Es geht mir in erster Linie um die Dramatisierung der (meist unveränderlichen) Lebenssituation, die manchmal medial so transportiert wird. Wie ich schrieb, gibt es natürlich manche Tage oder gar Phasen, in denen man es ganz stark spürt, wie sehr man eine*n Partner*in misst. Aber gerade in solche Phasen kann vielleicht ein ermutigendr und aufbauender Artikel oder Satz wie „Es hat Vor- und Nachteile“ ganz hilfreich sein. Zumindest aus meiner subjektiven Lage heraus betrachtet. Und verwerflich ist es keineswegs, sein Wehklagen kundzutun, das tut gut und dafür sind Freunde auch da.
Ich danke dir für dein Feedback, hoffe, du siehst das Geschreibsel nicht so brühernst, sondern kannst vielleicht auch ein bisschen darüber schmunzeln ;).
Ich wünsche dir alles Gute von Herzen,
Frau Fuchs von Feminismus im Pott
Hallo,
ja natürlich, hast du nicht in Frage gestellt. Und nein, bierernst nehme ich das auch nicht. Vielleicht ist das auch meiner Perspektive geschuldet. Die weibliche Perspektive ist ja vermutlich eher die, in der sich für das Singledasein gerechtfertigt werden muss. Auf meiner Seite des Geschlechterverhältnisses ist es dann wieder so, dass Single der vermeintliche Wunschzustand ist und sich diejenigen rechtfertigen müssen, die das nicht so sehen bzw. das nicht als so befreiend und schön empfinden und gleichzeitig noch das übliche Männlichkeitsnarrativ von Souveränität, emotionaler Unempfindlichkeit und Härte reingewürgt kriegen.
Viele Grüße and keep up the good work,
Fred
Lieber Fred,
das ist wahrlich ein ganz ganz spannender Punkt.
Hast du Lust etwas darüber zu schreiben? Immer her damit, das wäre sehr sehr interessant!
Mir selber ist dies aus Erzählungen von männlichen Singlefreunden bekannt. Ebenfalls sehr bedenklich und definitiv ein Sachverhalt, der sichtbar gemacht werden sollte/könnte.
Ich danke dir, wie bereits gesagt, für den Austausch und fürs Lesen 🙂
Allerliebst,
Frau Fuchs
Mh, tatsächlich? Naja, ich könnte schon was darüber schreiben aber leider hab ich gerade noch ’ne Abschlussarbeit vor der Brust. Vielleicht nach Weihnachten?
Viele Grüße,
Fred
Immer und wann du magst/kannst.
Wir freuen uns und sind offen für deine Gedanken in Form eines Artikels, dies gilt für alle unsere Leser*innen.
Viel Erfolg bei deiner Abschlussarbeit und eine schöne Adventszeit wünscht
Frau Fuchs