Skip to content

„Hallo!“ – „Hallo. Entschuldige, aber wir möchten für uns sein.“ – “ :@ „

„Hallo!“ – „Hallo. Entschuldige, aber wir möchten für uns sein.“ – “ :@ „ published on Keine Kommentare zu „Hallo!“ – „Hallo. Entschuldige, aber wir möchten für uns sein.“ – “ :@ „

Von sk

Nachts_Dina_Bea
Bild: Rosine Wagemut + Bea

So (no)

I don’t want your number (no)
I don’t want to give you mine and (no)
I don’t want to meet you nowhere (no)
I don’t want none of your time (no)

Die Höflichkeit im Umgang miteinander ist ein in den meisten Fällen nützliches gesellschaftliches Konstrukt, zum Nutzen und Vorteil aller Beteiligten. Ein freundliches Lächeln, ein „Danke“ und „Bitte“ gelten selten als hinderlich in einer Konversation. Und doch sind sie es manchmal. Unter dem Deckmantel der Höflichkeit verbirgt sich mitunter ein Korsett der ungeschriebenen Verhaltensregeln, speziell zugeschnitten für Frauen*. Eng am Körper anliegend, so dass einer* die Luft zum Atmen wegbleibt, jede Bewegung eingeschränkt bis hin unmöglich gemacht wird.

Während ich mit zwei anderen Frauen noch gemütlich vor dem Eingang zu einer Kneipe das Bier to Go austrinke, erklingt eine Stimme zu meiner Linken. „Entschuldigung, hallo“… .Ein junger Mann lächelt uns an. Doch sein Wunsch jemanden kennenzulernen, wird nicht erwidert. Keine von uns hat Lust auf eine Unterhaltung, wir sind zu sehr damit beschäftigt, für uns zu sein und einen entspannten Donnerstagabend zu verbringen. Also wird der Fremde stumm ignoriert. Keiner hat richtig Lust, darauf einzugehen. Davon lässt er sich nicht beirren und wird forscher. „Warum sagst du nicht Hallo? Also ich hab das doch ganz freundlich gesagt! Ist es hier nicht üblich, dass man antwortet, wenn man freundlich angesprochen wird?“ Ich wünschte, ich hätte ihm an dieser Stelle ins Gesicht gesagt, dass wir einfach nicht mit ihm reden wollen. Dass seine vermeintliche Höflichkeit gar keine ist, sie ist nur ein Mittel zum Zweck, dass seine Worte keine von uns zu einer Antwort verpflichten, geschweige denn zu Freudensprüngen über die unverhoffte männliche Aufmerksamkeit. Es ist wie mit der berühmt berüchtigten friend-zone. Nur weil du nett bist, muss ich nicht mit dir schlafen. Oder flirten. Oder überhaupt irgendwas. Deine, wie gesagt vermeintlich, höfliche Ansprache gibt dir kein Recht auf das Eindringen in unsere Privatgespräche.

Auch nach mehreren Hinweisen, dass wir uns allein unterhalten wollen, ist der Fremde hartnäckig und lässt sich erst einige Minuten später abschütteln. Der eindeutige Hinweis, dass wir lieber unsere Unterhaltung für uns weiterführen wollen, wird geflissentlich ignoriert. „Warum wollt ihr nicht mit reden? Ich habe doch gerade Hallo zu euch gesagt?“

Aber das schlimmste: Ein unbestimmtes Gefühl der Schuld liegt in der Luft. Er war doch nett, frau hat manchmal eben keine Lust auf Unterhaltung und Kennenlernen, wir haben es ja nicht böse gemeint. Aber genau darin liegt für mich persönlich das Problem: Frauen* haben in den Augen der Gesellschaft immer verfügbar zu sein, immer lieb und dankbar für männliche Aufmerksamkeit. Wenn frau angesprochen wird, ist sie lieb, höflich, lächelt freundlich und lässt sich natürlich aus Dankbarkeit gegenüber dem Mann, der sie beachtet auf ein Getränk einladen, rückt ihre Handynummer raus, lässt sich nach Hause begleiten usw. Frau hat höflich zu sein, auch wenn es gegen ihren Willen ist.

Scheinbar wird aber vielen Männern vermittelt, dass allein die Tatsache, mit einem Penis ausgestattet zu sein, sie für jede Frau dringend notwendig macht, dass alle Frauen nur stumm darauf warten von ihm beglückt zu werden und ihr „Nein“ nichts anderes bedeutet, als dass sie nicht fassen können, dass ausgerechnet IHNEN diese Ehre des Beachtetwerdens zuteil wird. Was fällt einer Frau ein, ihn zurückzuweisen? Sich eine Chance auf Sex entgehen zu lassen, eine Chance der Frustration und dem Warten auf einen paarungswilligen Typen ein Ende zu setzen? Es scheint in manchen Köpfen absolut unanfechtbar zu sein, dass Frauen* genau dies den lieben langen Tag und auch die ganze Nacht tun.

Ein anderes Beispiel: Ein freundlicher *hust* Fremder hilft mir dabei, mich in einer neuen Stadt zurecht zu finden. Er fährt sowieso in meine Richtung und würde mich ein Stück begleiten. Ich stimme zu, es ist schon spät und ich habe gar keine Lust, noch weiter umherzuirren. Er fragt mich, was ich hier mache und wie lange ich schon hier lebe. Auf einmal kommt die Frage: Mit wem wohnst du? Ich habe plötzliche in flaues Gefühl im Magen. Und bevor ich weiter darüber nachdenken kann, lüge ich: Mit zwei Kommilitonen. Ach ja, haben sie denn was dagegen, wenn jemand bei dir übernachtet? Ich versuche mich aufs Fahrrad fahren zu konzentrieren. Ich müsse sie vorher fragen, bevor ich jemand mitbringe. Ja, soll ich dann unten auf dich warten? Wo wohnst du eigentlich genau? In diesem Moment reicht es mir. Doch anstatt ihn zurückzuweisen, lüge ich weiter. Und biege in die falsche Straße ein, unter dem Vorwand, ich wohne lediglich ein Haus weiter. Er will meine Nummer, ich gebe sie ihm jedoch nicht, sondern frage stattdessen nach seiner. Ganz eindringlich schaut er mir in die Augen, schüttelt meine Hand und fragt, wann ich ihn anrufen werde. Erwarte dann morgen gegenfünf deinen Anruf. Ich verabschiede mich und hoffe, dass er bloß nicht darauf wartet, zu sehen, wo ich reingehe. Schweißgebadet und mit Bauchschmerzen fahre ich noch einen großen Bogen bis zu unserer Wohnung. Ja, ich hätte lieber Google Maps nutzen und mir den Weg nach Hause vorher raussuchen sollen.
Ja, ich weiß, dass wir im Bermudadreieck (siehe Beispiel 1) waren. Ja, ich weiß, dass jemanden zunächst ignorieren keine gute Lösung ist und ja, es gibt schlimmere Ereignisse und Übergriffe als den von mir hier dargestellten. Aber trotzdem ärgert es mich, dass ich hier das Gefühl hatte, es sei die Aufgabe der Frau*, den Typen so deeskalierend und unauffällig wie möglich abzuweisen, ganz gleich wie aufdringlich er ist. Oder dass man erwartet, dass nicht nur ein „Nein, ich will nicht mit dir reden“ nicht ausreicht, um in Ruhe gelassen zu werden.
Denn wenn man sagt „Hallo, wir möchten bitte unter uns bleiben und haben keine Interesse an einer Unterhaltung mit dir. Schönen Abend“ und daraufhin auch der Kontaktversuch belassen wird, wären alle Beteiligten wahrscheinlich zufriedener. Und höflicher.

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Primary Sidebar

Schrift anpassen
Hohe Kontraste