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Frau Fuchs liebt: Was bringt mir mein Feminismus, wenn ich Angst habe?

Frau Fuchs liebt: Was bringt mir mein Feminismus, wenn ich Angst habe? published on Keine Kommentare zu Frau Fuchs liebt: Was bringt mir mein Feminismus, wenn ich Angst habe?

von Frau Fuchs

Was bringt mir mein Feminismus, wenn ich Angst habe? Angst vor der Zukunft, davor, wie wir in den nächsten Jahrzehnten leben werden hier in Europa, so auch hier in meiner kleinen Welt? Angst vor Fremdenhass, engmaschigen Konventionen, Zwängen, Gewalt, Terror, Arbeitslosigkeit, Armut, vor struktureller Rücksichtslosigkeit, wachsender Anonymität und schwindender Solidarität?!

Ein Splitter steckt in meiner Brust und ich kann mich kaum winden aus Vorsicht, er könne noch mehr Schaden anrichten in meinem Herzen.

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Butterfly-Szene aus „Tree of Life“ | von Terrence Malick (2011) | Gif by Frau Fuchs

Ein Feminismus, der Freiheit fordert; der Gleichberechtigung ausruft; zur Reflektion festgefahrener Strukturen, die Abweichungen in jeglicher Form kategorisch ausschließen; kann er mir in meinem ängstlichen Gemütszustand dieser Tage helfen? Macht er mir Mut, stärkt er mich als kleine Person auf dieser großen weiten vielfältigen Welt oder ist er ein Tropfen auf den heißen Stein, Perlen vor die Säue angesichts ökonomisierter Lebenswelten, verrohter und entfremdeter Umgangsformen, intoleranter, konservativ protektionistischer Egoismen?

Die Kugel in meinem Kopf, die niemand operativ entfernen konnte, sie wandert und wandert durch meinen Körper und streut ihre Rußpartikel durch alle meine Gewebewindungen und das passiert alles lautlos, genauso lautlos, wie viele andere brutale Dinge passieren, tagein tagaus.

Der Feminismus, MEIN Feminismus (ich weiß, dass man Sprache braucht, um wahrgenommen zu werden, weshalb ich dieses Label überhaupt nutze; es schafft Gehör, es stiftet Verständigung) ist energetisch, er trickst mich und meinen inneren Schweinehund aus, macht mich kreativ, er befördert unerwartete unentdeckte Kräfte in mir, die offenkundig schlummerten und vielleicht verwahrlost wären, hätte ich es nicht zugelassen, dass sie sich freisetzen. Dabei war ich es SELBER und der Feminismus, MEIN Feminismus, er nützte mir als Werkzeug zur Entfachung dieser Kräfte. Und nun frage ich: Wie geht es weiter? Will ich weiter laut sein, um meine Angst vor dem Leben zu bekämpfen? Habe ich eine Aussicht auf Überwindung dieser Angst?

Vorne ist das Einschussloch und es ist wirklich nur eine winzig kleine Stelle, nicht größer als ein Centstück oder ein Glückspfennig, aber drehst du meinen reglosen Körper einmal um, so erkennst du die üblen Machenschaften splitternder Patronen: Die Stelle, an welcher ein Teil des Geschosses ausgetreten ist, sie ist groß wie ein Krater und das Blut vermischt sich mit Hautfetzen und Kleidung. Der Rest steckt in mir und wandert. „Wir sind im Krieg“ ist eine Konstruktion, weiß ich, aber ich habe Angst.

Kühn und stark wirke ich, wenn ich anderen erzähle, dass ich Feministin bin. In Wirklichkeit bin ich eine kleine Pisserin, ich verkrieche mich bei Gewitter, so auch bei Streit und ich weine, wenn mich der Zollbeamte im internationalen Zug verdächtigt, etwas zu schmuggeln und nach meiner Reiseroute fragt. Als einzige Person im ganzen Großraumabteil. Was weiß ich, in jedem Fall Diamanten. Ich habe ihm zu tief in die Augen geblickt, weil er mich an den Vater meiner Kindergartenfreundin erinnerte oder weil mir dieser Aufzug Angst machte. Ich in meinem chicen Vorstellungsgespräch-Outfit scheine gefährlich auszusehen. Oder geheimnisvoll. In meiner Brust scheint kein Splitter, sondern Sprengstoff zu sein. Auf alle Fälle meint er möglicherweise, ich hätte die Koffer vollgepackt mit Kokain oder mit Flüchtlingen. Dabei habe ich nur eine Handtasche. Immer diese Schranken im Kopf, diese Schubladen, diese Konstruktionen, das ist keine Mathematik, das ist Bauernweisheit. Wenn dem so ist, darf ich mir doch erlauben anzumerken, wie widerlich das alles ist.

Kontrolle. Anstieg. Kontrolle. Ich bin unbewaffnet gekommen und habe mich damit als naive Pazifistin geoutet. Das Schlachtfeld ist voller Sprengstoff, das trojanische Pferd ist voller Sprengstoff, obwohl alle sagten, sie kämen unbewaffnet und man würde reden, miteinander, gemeinsam über Gestaltungsmöglichkeiten, Interventionen für eine bessere Welt. Ich flackere auf wie eine brennende Vogelscheuche. Lichterloh. Und dann? Alles schwarz. Verkohlt. Diese Nutzflächen hier sind verseucht.

Mein Feminismus wird meine Angst nicht besiegen, aber hält sie in Zaum. Er erklärt mir viele Dinge, die ich früher nicht verstand. Er gibt mir Worte als Rüstzeug, als Puzzleteile, um sie zu etwas Sinnvollem zusammenzufügen, eine Idee von einer Welt, einer besseren. Er führt mit mir einen niemals endenden inneren Dialog, er provoziert mich selber, weil er sagt „Überdenk‘ mal dein Denken!“ Ja und ich stehe hier, naiv, ohne Waffen, die töten, weil der Mensch nicht dazu berechtigt ist einen anderen Menschen zu töten, ihm das Leben zu nehmen, ich will niemandem wehtun, ich brauche keinen Krieg, oder wie es die anderen nennen. Der Feminismus, den ich trage, wie eine Taschenuhr an meiner Brust, dicht an meinem Herzen, ticktack, oder wie einen kleinen Samtbeutel auf meinem Rücken, in dem ich Wasser transportiere und trinken kann, wenn ich auf meinem Pfad geschwächt und ausgetrocknet bin. Er ist mein Proviant auf meiner langen Reise durch das Leben.

Ich habe einen Glückspfennig gefunden. Ja, hier auf der Straße.

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