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Rezension: Carol

Rezension: Carol published on Keine Kommentare zu Rezension: Carol

von Lilli Boheme

Carol

Carol und Therese.
Therese ist eine Verkäuferin in der Spielzeugabteilung eines großen Kaufhauses. Den guten Job bekam sie durch ihren Freund vermittelt, sagt er.

Carol ist Hausfrau und Mutter.

Schön, selbstbewusst und lesbisch, die eine. Schön, jung und auf der Suche nach sich, die andere.

Beeindruckend ist sie, Carol. Gespielt von Cate Blanchett, bestimmt von Cate Blanchett. Ihr Gesicht, wie das einer Porzellanpuppe. Eindringlich und glatt. Unheimlich, schön.
Frau der us-amerikanischen Upperclass mit einer ganz eigenen Eleganz in ihren langen Röcken und mit ihren funkelnden Broschen. Immer perfekt, immer melancholisch. Ein trockener Martini mit einer Olive und Zigaretten. Viele Zigaretten. Sie wirkt betäubt in ihrer gepuderten Welt mit dem erfolgreichen Mann, der bereits nicht mehr im gemeinsamen Haus wohnt. Nur die kleine Tochter oder ihre Ausflüge zur Busenfreundin Abbey berühren sie dort, in dieser anderen Welt tief unter ihrer teuren Maske.

Carol ist einnehmend. Ein messerscharfer Blick und Therese scheint keine Chance zu haben.

Therese, gespielt von Rooney Mara, ist jung, unschlüssig und selbstverständlich wunderschön. Eigentlich besitzt sie mehr Talent. Vielleicht wird sie mal Fotografin. Aber vorerst bleibt sie die träumerische Verkäuferin, die alle um sich herum mit ihrer spröden Zurückhaltung, Naivität und den gespitzten Lippen bezirzt.

 

„Willst du denn heiraten?“
„Woher soll ich das wissen, wenn ich noch nicht mal weiß, was ich essen soll.“

Ihr gemeinsames, privilegiertes Abenteuer beginnt bei Spinat auf pochiertem Ei mit einem trockenem Martini und Zigaretten. Es endet vorerst in einem Motel. Verpennt und nackt. Desillusioniert – mit einer fremden Frau.
Die romantischen Szenen zwischen den beiden Frauen entspannen das Auge von der allgegenwärtigen Heterosexualität. Dennoch wird es durch diese hochkarätige Besetzung nie gefordert. Das normierte Auge stößt sich nicht an der Makellosigkeit, die uns hier präsentiert wird. Trotz ‚lesbischer Liebe‘ fällt der Film nicht aus seiner Rolle der vorhersehbaren Hollywoodromanze. Vielleicht ist es gerade das, was den Film ausmacht. Der Unwille zur politischen Debatte. Das Thematisieren aber Nicht-Fokussieren der Diskriminierung von Lesben in dieser staubigen Gesellschaft des Amerikas der 50er Jahre. Vielleicht soll er bloß seichte Unterhaltung bieten und sich in die Reihe der unzähligen Liebesfilme einreihen, ohne groß aufzufallen. Eine neue Konstellation im alten Gewand. Für die Zuschauer*innen leicht konsumierbar.

Und auch Carol und Therese haben außer der Liebe zur Frau in einer dafür unpassenden Zeit nur wenig Kanten. Selbst die restlichen Charaktere sind nett. Kein zu böser Ehemann, keine zu anstrengende Schwiegermutter, kein zu einnehmender Freund. Alles bleibt im Rahmen.

Und trotz dieser Distanz, die durch Umgangsformen und Sittengesetzte gewahrt wurde und die ich bis in meinen Kinosessel spüre, lässt mich der Film mitschwingen, ohne Intensität, aber dafür mit viel Ästhetik unter diesem matten Retro-Schleier. Eine Scheinwelt, die kurz verzückt, aber beim Verlassen des Kinos der Realität weichen muss.

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