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Frau Fuchs liebt: SOS, Frau Fröhlich! Das Singleleben mit 40 ist härter.

Frau Fuchs liebt: SOS, Frau Fröhlich! Das Singleleben mit 40 ist härter. published on Keine Kommentare zu Frau Fuchs liebt: SOS, Frau Fröhlich! Das Singleleben mit 40 ist härter.
Fr.Fuchs
von Frau Fuchs

Über manche Dinge muss man eigentlich gar nicht sprechen. Sie sind aufgrund ihrer doch so direkt einleuchtenden Überflüssigkeit nicht der Rede wert. Und doch geht es einem manchmal besser, sein Unbehagen über so manche mehr oder minder kulturelle Geschmacklosigkeit kundzutun. Und dazu zählen neben vielen anderen anspruchsfernen Phänomenen wie die Unterhalterin Helene Fischer, das eingestellte Sendeformat TV total oder die Damenmode Harald Glööcklers nun einmal mehr auch die literarischen Arbeiten einer Susanne Fröhlich inklusive ihrer öffentlichen Selbstinszenierung. Entschuldigt, sollte ich jemandem* mit irgendeiner dieser aufgelisteten Angelegenheit zu nahe treten, aber in Anbetracht der Existenz jener Erscheinungen und in Konfrontation mit dem Mündigkeitsideal Theodor W. Adornos handelt es sich hierbei um inhaltsleere Schachteln der Konsum- und Unterhaltungsindustrie.

Neulich gastierte Frau Fröhlich, Moderatorin und Buchautorin, nämlich zur Promotion ihres neuen Werkes (den Titel lasse ich für alle Interessierten mal ergooglebar) in der Sendung Nachtcafé, um über die Erfolgsgeschichten ihres Liebeslebens als Frau ü40 zu berichten. Plötzlich Single und dann? Das ist ja nichts Neues auf dem Ratgebermarkt, den ich jetzt hier weiß Gott nicht verreißen möchte. Doch sie, diese Füchsin, hat für sich doch, clever wie sie ist, eine Marktlücke entdeckt und zugleich besetzt: Gemeinsam mit ihrer Mitautorin (und vermutlich Freundin?) schreibt sie über den Dschungel des Alleineseins als Frau in ihrem Alter und reproduziert dabei das negative Bild, was der “alternden Frau” in dieser Gesellschaft zugeordnet wird. Klar, sie will Frauen empowern, die nach einer langjährigen und gescheiterten Partnerschaft den Kopf in den Sand stecken und sich gehemmt fühlen, sich nicht mehr vor die Türe trauen, weil Singlefrauen (insbesondere ab 40) gesellschaftlich nach wie vor ihr Verliererinnen-Image innehaben.

Sei mal 40 und in jeglicher Hinsicht erfolgreich

Doch anstatt sich vielleicht wirklich mit der öffentlich geführten Diskussion dieses antiquierten Frauenbildes, auch heute als “Katzenfrau, die im Wohnwagen im Wald lebt” bekannt, zu beschäftigen und sich hierfür nachhaltig und emanzipatorisch einzusetzen und zu äußern, bestätigt sie durch die Veröffentlichung eines Buches zu diesem auf diese bestimmte Weise abgehandelten Themas die bestehenden Vorurteile und unterstreicht sie sogar durch die Darstellung ihres eigenen Lifestyles in der Sendung. Während der Moderator Michael Steinbrecher mit seinen Fragen eigentlich im Rahmen dieses Formates nach den persönlichen Geschichten, dem Tiefgründigen subjektiver Lebenswelten sucht, kontert Frau Fröhlich mit knallhart kalkulierten Antworten einer Businesslady. So musste sie nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten Gert Scobel erst einmal wieder lernen, wie man seinen eigenen Marktwert in der ökonomisch durchzogenen Beziehungslandschaft mit Strategie und Verstand ermitteln kann, um sich in diesem – wie sie es nennt – “Akquisegeschäft” als Selbstunternehmerin in Sachen Liebe zu positionieren und durchzusetzen. Früher oder später gerate man dann in der heutigen Zeit in Kontakt mit dem offensichtlich nach wie vor gefährlich erscheinenden Medium Internet, probiert sich in Singlechats, Inseraten und den gängigen Singlebörsen des deutschsprachigen Raumes. Während sie sich selber als ökonomisch und rational handelnde Akteurin der Dynamik dieses Marktes, wie sie ihn selber mit kapitalistischen Begrifflichkeiten umschreibt, beugt, erscheint sie plötzlich als groteske Person: Bedauert sie einerseits selber, dass ihr die Emotionalität, die Originalität von Bekanntschaften im realen Leben beim Internetdating fehlen würde, agiert sie andererseits aber selber als homo oeconomicus in Sachen Liebe. So gibt sie allen Userinnen solcher Plattformen einen guten Rat mit auf ihren weiteren Lebensweg. Stringent gestikulierend verkündet sie: “Ich sage allen Frauen: Geht wieder raus, habt Verabredungen. Wenn es ganz schlimm is’, habt ihr in zwei Wochen ne lustige Geschichte bei euren Freundinnen.” Das sind Probleme, sagt so mancher vielleicht. Doch was Fröhlich durch solche Szenerien aufbaut, ist ein Ideal, eine Schablonenform, davon wie eine Frau bitteschön über 40 zu sein hat und mit welchen Problemen sie sich bitteschön in ihrem Alltag befassen sollte, anstatt…ja, vielem anderen, wirklich Existenziellem. Ein bisschen Sex and the City ten years later und absolut bourgeois deutsch.

Fröhlich über den Untergang der Beziehungskultur: “[…] Früher hat man sich auf Partys und so kennengelernt. Find ich eigentlich auch schön. […]”

Und wer kennt sie nicht, diese Alltagsszenen im selbstgeschriebenen weiblichen Liebesdrehbuch? Heute ist alles anders. Diese Höhepunkte der verlorenen Flirtkultur: “[…] Früher war es auch so, dass man, keine Ahnung im Zug oder irgendwo, dann sagte mal Jemand: “Ah, fahren Sie auch nach München?” “Mhmh,” sagt man, weil klar, der Zug ging ja nach München, so…[Lacher im Publikum, dabei außen vor, dass es sicherlich auch Zwischenhalte auf der ICE-Strecke gibt, auch für die Menschen in der 1. Klasse] […] Aber trotzdem, es war ein Einstieg. Oder es sagt Jemand, geht in den Speisewagen, “Hätten Sie eigentlich auch Lust auf’n Kaffee?” Also man hat geSPROCHEN. Das find’ich nett. Es wurde im Alltag auch mal geflirtet […] Leute sind [heute] so uncharmant miteinander und das find’ ich schade […]”. Ein dunkles Zeitalter ohne viel Gefühl scheint angebrochen. Zumindest hat das Fröhlich mit viel Feingefühl wahrgenommen.

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Quelle: giphy.com

Das sind dann diese Momente, die einen so berühren, die Flirtperlen des Lebens, sozusagen. Und ja, stimmt. Gesprochen wird heute nicht mehr viel, Leute glotzen nur noch auf ihre Handys, die Flirtkultur ist quasi lahmgelegt, man fühlt nicht mehr, sondern tippt und Schuld daran, so Fröhlich: Das böse Internet, das böse Whatsappen, die böse Technisierung; alles böse und der Tod von allem Emotionalen, allem Echten. Diese schicksalhaften kleinen Situationen in der Bahn, im Speisewagen, das sind ja wahrlich die Situationen, überschäumend vor Romantik, Gefühl und zwischenmenschlicher Wärme, in ihnen steckt ja wirklich so viel Tiefe, dass man schon beim Zuhören Gänsehaut bekommt. Und diese Tiefe, die spricht Fröhlich allen Beziehungen, die sich durch die medialen Tools online ergeben, von Anfang an ab. An dieser Stelle reißt mir meine imaginäre Hutschnur und ich bekomme eine rote Birne, denke ich daran, welche tiefgründigen Gespräche ich bereits mit den Menschen meiner Tinderdates führte, welche Chancen mir durch Onlineplattformen nicht nur in Bezug auf das Thema Partnerschaft, sondern auch in Bezug auf das künstlerische Tätigsein geboten hat. Diese Frau ist so dermaßen hinterwälderisch und unreflektiert, dagegen ist die Katzenfrau aus dem Wald das It-Girl der angesagtesten Lifestyle-Blogger*innen.

Frau Fröhlich, müssen wir uns Sorgen machen?

Was ist los mit Ihnen? Sind sie verzweifelt? Ich kann verstehen, dass Sie nach einer langen Beziehung, deren Vorzüge man nunmehr misst, nach der großen Enttäuschung, die sich nach dem Ende einer solchen Intensität, dem Zusammenbruch einer langjährig gewachsenen Paaridentität, Angst hat davor, dass das jetzt immer wieder mit einem Mann auf diese Art passieren wird. Das ist sehr traurig und nachvollziehbar, alle haben Angst vor Verletzungen und ich habe Respekt davor, dass Sie einen Weg für sich gefunden haben, sich aus einem tiefen Loch der Verzweiflung herauszumanövrieren, wie Sie es selber offenkundig immer wieder beweisen müssen. Es wäre aber doch schöner, Sie würden diese Metamorphose, die Ihre eigene ist, nicht als den Musterweg für alle Frauen vorgeben und parallel dazu das Bild der verzweifelten Singlefrau ab 40 bekräftigen, die das Schwinden der Lebensphase, in der man noch die Liebe finden könne, managen sollte. Finden Sie das nicht auch ein bisschen widersprüchlich? Ich bin mit Sicherheit nicht Sprecherin ihrer Zielgruppe und ich respektiere auch Ihre Art Geld zu verdienen, erwarte aber ein bisschen mehr Reflexion der Dinge, die Sie in Worte kleiden, auch wenn oder insbesondere weil Sie ethnologische Feldforschung in diesem Bereich betrieben haben. Ehrlich gesagt, ich glaube, Sie sind eine gute Schauspielerin und machen ihren Zuhörer*innen/Leser*innen und allem voran sich selbst etwas vor. Die starke und emanzipierte Frau, die Sie vorgeben zu sein, sind Sie weder auf der persönlichen Ebene (soweit ich das beurteilen kann), noch auf der beruflichen. Wenn man Ihnen zuhört und die Augen schließt, sieht man einen kleinen aufgeregten Kolobri vor sich herumflattern, der sich aufgrund seiner schlechten Erfahrungen nicht mehr traut in weitere Blütenkelche hineinzublicken. Nicht alle sind leer, aber wenn man sich nicht einmal wagt sich vom Gegenteil zu überzeugen, dann wird man es nie erfahren.

Nachtcafé 15.01.2016 - Vom Aufhören und Anfangen
Szene aus der Sendung Nachtcafé, 15.1., SWR

Das war ja wahrscheinlich auch der Grund, warum Sie das probiert haben mit dem Onlinedating. Ein mutiges Experiment, in dem man viel über sich und seine eigenen Werte erfährt. Vielleicht haben Sie sich auch dort weitere Verletzungen zugezogen, gesehen, wie oberflächlich Menschen im Zwischenmenschlichen sein können, wie verbittert viele sind?! Das ist ebenfalls traurig. Aber vielleicht hätten Sie gerade über dieses Gefühl schreiben sollen, anstatt darüber, wie man möglichst wenig Emotionales in die Partnersuche investiert, sich taktisch so verhält, dass man ein Optimum erzielt. Weshalb wundert man sich dann hinterher darüber, dass alles so ökonomisiert funktioniert und alle Beteiligten ebenfalls nach diesen Regeln handeln und beurteilen? Kritik üben an sozialen Bedingungen und Verhaltensweisen, die man im selben Atemzug reproduziert, das ist zynisch!

Und ganz offen gesprochen: Ich halte es für grob fahrlässig, wenn eine offensichtlich sehr verletzte Frau, die zudem mit dem eigenen Altern nicht klar kommt, ein Buch über die Partnersuche für Frauen jenseits des Kinderwunsches schreibt.

Ich muss mich jetzt mal stark machen für alle Onlinedating-Anbieter*innen. So fragwürdig eure Matching-Konzepte, eure GPS-Suchsysteme und eure verobjektivierenden Profilschablonierungen auch sind, wenn es euch nicht gäbe, dann hätte ich zwei meiner Expartner und viele andere wundervolle Menschen niemals kennengelernt. Und bin ich jetzt etwa gefühllos, uncharmant oder seelisch entleert?

Liebe Frau Fröhlich, ich – ein kleiner naiver Stern im Worldwideweb, wünsche Ihnen, auch wenn ich keine Ahnung habe, inwiefern die Dinge stimmen, die Sie über Ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Singlesein schildern, von Herzen mehr Gelassenheit, zwischenmenschliche Wärme und vor allen Dingen viel viel Liebe. Darüber hinaus noch ein Rat einer partnerlosen Endzwanzigerin: Lesen Sie doch mal Eva Illouz. Besser als jeder Ratgeber, glauben Sie mir.

Ihr wollt euch die Sendung mit Susanne Fröhlich anschauen? Dann schaut doch mal in der Mediathek des SWR (noch ein Jahr verfügbar).

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