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Tag der Offenen Tür im Bordell – ein Interview

Tag der Offenen Tür im Bordell – ein Interview published on Keine Kommentare zu Tag der Offenen Tür im Bordell – ein Interview

  von Lilli Boheme und Chiara Fabri

 

Vor ziemlich genau einem Jahr veranstaltete das Bordell Secret Service in Arnsberg zum Internationalen Hurentag einen Tag der Offenen Tür, zu dem alle Interessierten eingeladen waren, hinter die Kulissen zu schauen und ein Bordell einmal von innen zu sehen.

(c) secret service

Lilli Boheme und Chiara Fabri fuhren hin und verbrachten ihren Tag dort zusammen mit der Leiterin von Madonna e.V., der Betreiberin Kerstin, die sich für ein Gespräch zu dritt bereit erklärte (DANKE dafür), Sexarbeiterinnen, die dort arbeiten und arbeiteten, sowie Bekannte, die zu Besuch kamen. Auch ein paar wenige potenzielle Freier nutzen die Gunst des unverbindlichen Veranstaltungstages. Auch mit denen saßen Lilli und Chiara zusammen mit anderen der anwesenden Frauen im Kontaktzimmer und unterhielten sich – MainsPlaining vom Feinsten, aber darin sind wir alle ja mächtig geschult. Die Küche war den weiblichen Besucherinnen vorbehalten. Und dort war es richtig spannend. Eine angenehme Atmosphäre voll von Sex, Liebe, Arbeit, Feminismus – pardon FeminismEN 😉 – Dessous, Essen und alltägliches Genörgel. Herrliche Kantinenstimmung mit frechem und klugen und sanften Mundwerken und Köpfen!

Im Folgenden drucken wir das Interview mit der Betreiberin ab.

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Der Tag der offenen Tür findet heute zum ersten Mal statt. Wie bist auf die Idee gekommen?

Durch eine Kollegin. Sie sagte mir, dass wir demnächst den 40. Internationalen Hurentag haben und ich fand es eine gute Idee etwas zum Thema zu planen.

Und was versprichst du dir davon?

Aufklärung. Die Menschen haben einfach ein falsches Bild von dieser Branche und die sind weit von der Realität entfernt. Ich wünsche mir dass die Leute sich hier einfinden und versuchen sich ein eigenes Bild zu machen. 

Menschen haben ein Bild von Prostitution und wie das Leben einer Sexarbeiterin aussieht. Man meint, die Frauen müssen das aus verschiedenen Gründen machen, es sei ein Zwang und die Frauen haben keine anderen Möglichkeiten. Ich finde Aufklärung unheimlich wichtig. Heute kann man hier sehen, dass dieser Job so wie jeder andere sein kann bzw. zumindest sehen, wie er bei uns ist. Niemand verlangt dass es jeder gut findet. Es bedarf keiner Erklärung dass nicht jeder Beruf für jeden gleich gut ist. Ich würde gern zeigen dass wir nicht den üblichen Klischees entsprechen. Das einzige was wir fordern ist Toleranz. Das ist das älteste Gewerbe der Welt undich glaube es ist falsch zu denken, wenn man das verbietet wird es das nicht mehr geben. Mit der neuen Gesetzgebung werden nur die freiwilligen in die Illegalität gedrängt. Klar einige werden aussteigen, weil z.B. eine Anwältin sich keinen Hurenausweis „leisten“ kann. Allgemein sind wir immer „die armen Frauen“, die daran zugrunde gehen müssen. „du bist doch nicht dumm, warum machst du nicht was anderes?“ Das finde ich unmöglich. Wir kommen zum sehr großen Teil aus bestehenden Berufen und haben Ausbildungen gemacht und Kinder bekommen und waren oder sind verheiratet. Wir haben eine Wahl.

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(c) Hydra e.V.

Und man muss ganz klar unterscheiden zwischen Menschenhandel/Zwangsprostitution und Sexarbeit. Unsereins nimmt es eben als ganz normalen Job an. Für mich ist das kein Problem der Prostitution, sondern ein menschliches. Wieviele Frauenhäuser gibt es? Wieviele Frauen harren Jahrzehnte mit einem Mann aus, dem sie 3x am Tag das Essen auf den Tisch stellen müssen und abends nimmt er sich einfach, was ihm gehört auf seine talentfreie Art und Weise. Am Wochenende kommt er besoffen nach Hause, da ist Gewalt oft das übliche Programm. Sie bekommt Haushaltsgeld zugewiesen und muss jeden Cent nachweisen können. Von der psychischen Gewalt mal ganz zu schweigen.

Ich weiß gar nicht wie hoch die Dunkelziffer dieser Frauen ist. Und so gut wie KEINE Frau zeigt diesen Mann an oder trennt sich. Weil die Angst zu gross ist.  So ist es eben auch mit Frauen in der Sexarbeit. Sie sind verliebt und schützen ihn noch. Und wieviele Frauen lassen sich aus der Prostitution befreien? Darüber kann man sich bei Beratungsstellen informieren.

Ja und auch in dieser Branche gibt es Frauen die sich in den falschen verlieben. Und diese Typen finden es einfach mal interessant, solche Frauen zuhause zu haben. Da liegt es doch im Wesen des Mannes, was er in dieser Frau sieht und wie es weitergeht. Dominierende Männer gibt es doch überall.

Denn es gibt ganz viele Sexarbeiterinnen die in Ehe oder ähnlichem Verhältnis leben. Männer die akzeptieren was die Frau beruflich macht.

Hattest du Sorge, dass der Tag der offenen Tür nach hinten losgehen kann?

Inwiefern soll der nach hinten losgehen?

Ich hatte so einen Horror-Bild vor Augen wie bei Abtreibungs-Kliniken. Wo so eine Horde von Christen stehen und dann rufen und so.

(amüsiert) Oh mein Gott, überhaupt nicht.

Die Sorge hattest du also nicht. Vielleicht bin ich da einfach viel zu paranoid.

Nein, die hatte ich überhaupt nicht. Ich hatte eher die Sorge, dass keiner kommt, weil wir ja eh abgestempelt sind. Die Idee zum Tag der Offenen Tür war kurzfristig.

Ist der Plan den Tag der Offenen Tür jedes Jahr stattfinden zu lassen?

Ich würde ich das gern jedes Jahr machen.

Cool. (kurze Pause. Blick auf unseren Vorbereitungszettel) Wir sind ein bisschen unorganisiert.

Macht nichts.

Was ich gerne wissen möchte, ist: Wenn ich mir Photos von Bordellen oder Swingerclubs anschaue, sind viele so schrecklich eingerichtet (Zustimmung von Kerstin). Da möchte ich deswegen schon nicht hingehen, weil die Bilder so grauselig sind. Als wir vorhin den Rundgang von dir bekamen, hattest du angesprochen, dass das SM-Studio im Keller schön hell ist und nicht so düster und „dark-mäßig“, aber manche Kunden das nicht so gerne hätten.

Also unsere Gäste  nehmen das gut an, aber Geschmäcker sind unterschiedlich.

Hast du das das Bordell nach deinem persönlichen Empfinden und Geschmack eingerichtet oder nach dem der Kunden?

Nein. Wir sind zuhause auch alle anders eingerichtet. Manche meinen, ein Puff muss puffig sein. Dann hängt man rote Tücher über die Lampen oder Bling Bling und rote Herzen über den Fenstern.Manche wollen genau DIESE Atmosphäre, andere sind unauffälliger. Klar hängt man hier schon mal einen Spiegel schräg übers Bett. Zuhause brauch ich das auch nicht. Aber hier passt es. Wobei ich privat Leute kenne, die einen Spiegel über dem Bett haben.

Und wir sind ja hier in ländlicher Umgebung. Du hast vielleicht selber beim Ankommen festgestellt, dass es nicht leicht zu finden ist. Es sieht nicht nach Bordell aus. Das ist nicht nur im Sauerland so, sondern liegt an der Art des Bordells. Es gibt so viele unterschiedliche Formen der Sexarbeit. Nachtclubs haben gern eine Außenbeleuchtung. Es gibt Laufhäuser die optisch auf sich aufmerksam machen. Wir bieten hier diskreten Service ohne Aufenthalt und wir schließen um 21 Uhr. Am Wochenende auch schon um 20 Uhr.

Aber der Großteil unserer Gäste kommt seit Jahren, die wissen wo wir sind. Wer es nicht weiß bekommts einfach am Telefon erklärt. Ein Routenplaner gibt’s ja auch auf unserer Webseite. Es ist aber wohl persönliche Geschmackssache, wie jemand sein Geschäft einrichtet. Ich mein’, es ist ja auch nicht jeder Friseur gleich eingerichtet. Es gibt welche, die sind superschick, und manche sind seit 30 Jahren gleich geblieben. Das ist wie in jeder anderen Branche. Es gibt sehr stylische Lokale und manche alteingesessene Gaststätte mit entsprechendem Flair. Es ist ja auch so, dass manche Frauen teilweise wochenweise da sind und die schlafen hier.  Und wenn du dann das Licht anmachst und alles würde blinken – also meins ist es nicht. Es soll eine angenehme Atmosphäre sein, dass sich jeder wohlfühlen kann. Und jede Frau findet den richtigen Laden für sich. In unserer Branche ist es ja so dass sich Frauen aussuchen wo sie arbeiten.

Wie hast du das Gebäude hier gefunden, wie hast du danach gesucht?

Ich habe hier vorher gearbeitet und plötzlich stand der Laden zum Verkauf.

Und dann die Renovierungen und so weiter?

Ja, die Zimmer sahen vorher etwas anders aus.

In diesem Zuge auch der Namenswechsel? Auf der Homepage weist du darauf hin, dass sich der Name geändert hat. 

Nein, das hatte nichts miteinander zu tun. Der Laden wurde 2002 von den Vorbesitzern eröffnet. Den Namen fand ich nicht mehr zeitgemäß, weil sich die Sexarbeit sehr gewandelt hat. Es gibt heutzutage  viele FKK-Sauna-Clubs, mit Aufenthalt, Sauna, Alkohol und Restaurant. Teilweise mit integriertem Hotel. Da gibt es also sehr sehr große Unterschiede zwischen eben solchen riesigen Clubs mit 50 Frauen und kleinen Wohnungen deswegen fand ich einfach den Namen für uns nicht mehr passend.

Und ich wollte was finden, was uns entspricht. Secret Service war ideal.

Darf ich als Unwissende fragen, was das für Service ist, der sich von anderen unterscheidet?

Ich will nicht sagen, dass ich mich von anderen unterscheide – zumindest nicht grundsätzlich. Es oft so, dass vieles schon mit im Preis inbegriffen ist und die Frau nicht mehr bestimmen kann, was sie davon machen will. Viele Frauen werden deswegen gar nicht erst angenommen, wenn sie zum Beispiel kein Französisch ohne [Kondom] oder nicht  Küssen mag. Weil es einfach schon Standard ist und dann werden diese Frauen abgelehnt, weil es nicht dem Geschäftskonzept entspricht. Ich lehne das ab. Das ist einfach mein persönliches Empfinden und eigene Erfahrung. Und selbst dann, wenn die Frau ihren Service anbietet, steht immer noch zur Option, ja oder nein zu einem Gast zu sagen, weil es auch um Sympathie geht. Das kann jede für sich entscheiden. In der Sexarbeit gibt es kein Weisungsrecht wie in anderen Jobs. Und genauso haben die Frauen dann eben die Wahl, zu entscheiden: Ja, ich mach zwar Französisch ohne, aber du stinkst drei Meter gegen den Wind und deinen Sch…z nehme ich jetzt nicht in den Mund.

Was ist das Weisungsrecht [Erklärvideo]?

Normalerweise hat ein Chef das Recht zu sagen, was die Angestellten zu machen und zu lassen haben. In einer Firma sagt dir dein Chef das und das wird bis heute fertig. Und das geht hier eben nicht und das werde ich auch nicht. Es gibt aber eben auch welche, die das tun.

Wie viele Geschäftsführer*innen sagen, so wie du, dass es die alleinige Entscheidung der Frauen ist, in den Mund nehmen oder nicht? Gibt es da viele oder bist du da eher außergewöhnlich?

Außergewöhnlich glaube ich nicht. Eine Zahl kann ich nicht nennen. Also zum Beispiel Küssen, oder Oralverkehr ohne Schutz gehört hier nicht in den Zeitpreis.

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(c) sauerlandinitiative

Ach echt?

Ja. Ist schon sehr oft im Preis mit inbegriffen.

Krass.

Du wirst wirklich abgelehnt, wenn du sagst du machst das nicht. Da hast du keine Chance mehr, was zu sagen.

Ich bin aus einem Puff rausgeschmissen worden deswegen. Das war ein Pauschalclub und ich bekam ein,- zweimal gesagt „du musst das aber jetzt mal machen.“ und habe aber immer den Kopf weggedreht und gesagt „Huren küsst man nicht.“, – das war mein damaliger Standard. Und dann war es auch für mich vorbei. Ich konnte dann gehen, weil ich es nicht gemacht habe.

Wann war das? 19…?

Nein, ich bin Späteinsteigerin gewesen. Ich habe einen ganz anderen Beruf erlernt. 2005 habe ich als Quereinsteigerin begonnen. Da war es schon legal. Also ich kenne leider diese alte „illegale“ Zeit nicht. Wünsche es mir manchmal ein wenig zurück, weil die damals eine Scheiß kohle verdient haben. Heute ist das nicht mehr so üppig, wenn auch vermutlich über dem normalen Durschnitt. Aber das kann man überhaupt nicht pauschalisieren, da jede Frau ihren Einsatz selbst bestimmt. Eine Frau die in Vollzeit arbeitet und für vieles offen ist, läßt sich natürlich ihre Sonderleistungen vom Gast bezahlen. Eine Hausfrau die nur 2x die Woche für ein paar Stunden kommt, hat natürlich entsprechend weniger. Jede Frau bestimmt somit ihren Lohn.

Wie kam es zu dem Job?

Ich war nach vielen Jahren Single und habe noch„normal“ gearbeitet. Und dachte: Mensch, wie kann ich mein Geld vermehren?Ich kam mit meinem Geld immer ganz gut aus, ich hatte nie Probleme. Aber alle sprachen damals immer von diesen Ich Ag´s und ich wollte mich auch selbständig machen. Aber dafür hätte ich entweder eine neue Ausbildung/Weiterbildung gebraucht oder viel Eigenkapital. Und dann kamder Gedanke: Was kann ich eigentlich besonders gut?

[lautes Lachen auf dem Bett aller drei Anwesenden]

Ich habe früher viel „ehrenamtlich“ gearbeitet – leider [wissendes und bestätigendes Lächeln auf dem Bett vonseiten der Interviewerinnen] 

Das ist so geil: „Ich habe früher viel ehrenamtlich gearbeitet.”

Das habe ich mir aber auch schon oft gedacht – sorry – außerhalb des Interviews.

Ich habe in jungen Jahren nichts anbrennen lassen, weil ich Sex toll fand. Aber manchmal kam ich morgens irgendwo wieder raus und dachte: „Man, hätte ich dafür mal Kohle gekriegt, dann hätte sich das auch gelohnt.“ Wieviele Männer sind sowas von  talentfrei. Da kannse 10x sagen wie und wo und… es scheint als würde man chinesisch reden.  Ich ärgere mich heute um diese vertanen Jahre, in denen ich so viel…nun, ich weiß nicht, ob ich mit 18 oder 20 wirklich soweit gewesen wäre, dass ich das hätte machen können.

Ich hatte damals eine neue Arbeitskollegin und wir freundeten uns an und ich hatte das mal geäußert dass ich das gern probieren würde. Sie meinte nur: „Hey, das habe ich vor 20 Jahren auch mal gemacht.” “Ich traute mich da nur nicht hin.” Weil dieses typische Klischee im Raum stand: Ich werde vom Chef eingeritten, ich muss alles machen und erstmal zeigen, was ich alles kann – Oh mein Gott. Du steckst da gleich drin in diesem Rotlichtmilieu. Böse Menschen und Drogen und Zuhälter.

Aber ich hatte echt Bedenken und saß beim ersten Besuch schüchtern da, wobei ich nicht zu den schüchternen Menschen zähle. Ich machte auf den Chef wahrscheinlich nicht so den Eindruck, als wenn das was für mich wäre.

Ich hab dann auch zwei Tage da gesessen, hab’ Geld verdient und nichts gemacht. Und wie dann der Erste kam, der mich fragte – alle machten sich Sorgen um mich – und als ich wiederkam hatte ich so’n breites Grinsen im Gesicht und sagte: “Ist alles super!” Kann heute nicht mehr nachvollziehen warum ich mir solche Sorgen gemacht habe. Es ist ja nicht das 1.mal. [Lachen] Und dann wuppte das. So ist das bei vielen Dingen im Leben, vorher hat man Angst und hinterher weiß man gar nicht mehr warum. Natürlich kommt man mit Wünschen in Berührung die man nicht erwartet hat. Aber ich hatte gute Kolleginnen die mir einiges erklärt haben. Aber ich war wohl ein Naturtalent. [lacht]

Und dann ist man mal hier, mal da und guckt sich verschiedenen Läden an. Aber nichts war vergleichbar mit dem ersten Laden. Im ersten Laden waren wir viele „Neue“ und wir verstanden uns super, wir waren ein super geiles Team und haben uns gegenseitig geholfen. Ich bin auch der Mensch, der gerne bleibt; ich war vorher zehn Jahre in einer Firma. Und das wollte ich eigentlich nicht ändern. Und ich finde das sollte in jedem anderen Job auch so ähnlich sein -, dass man einfach mal reingeht, ausprobieren und wieder gehen, wenn es nicht passt. Unsere deutsche Bürokratie macht vieles nicht leichter. Ohne Verpflichtung, ohne Bindung, das ist einfach superpraktisch. Ich finde, da kann man sich in der normalen Welt wirklich einiges von abschneiden. Klar, es geht natürlich nicht immer so, das ist auch klar, aber es gibt doch Jobs für die man wirklich nicht immer eine 3 jährige Ausbildung braucht.

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(c) tourist-online

Und dann kamst du hierher?

Da waren noch ein bisschen Zeit dazwischen, aber ja.

Wie kam es dazu, dass du Chefin wurdest?

Als die Option kam dieses Bordell zu übernehmen, wie war deine Überlegung, das zu machen. Da hängt ja viel Organisation mit zusammen oder etwas von deinem Geschäftsmodell.

[lacht laut] Klar, Geschäftsmodell. Das bestand doch schon! Ich war noch zu blöd und hatte da die 40 vor mir. Ist ja fast so wie beim Kinderkriegen, die magische 40 schwebt da über dir und danach ist Schluss. Heute weiß ich, dass ist absoluter Quatsch. Aber damals habe ich das eben so gesehen, oder geglaubt. Aber aus dieser Branche wollte ich auf keinen Fall mehr weg, weil es mir so gut gefiel. Damals hatte ich einen Mann kennengelernt, der sagte mir „Mensch, mach das doch, warum denn nicht?“ und ich dachte „Na gut. Verdammte scheiße, dann mach ich das halt.“ [lacht]

Mir scheint, dir ist manches, was du an die Frauen weitergibst, wichtig, weil du es selber halt auch mitbekommen hast. Wenn die Frauen zum Beispiel nicht küssen wollen, dann sollen sie es von dir aus verdammt nochmal nicht tun.

Genau.

Mit Blick auf deine Homepage – ich habe sie mir komplett angeschaut, mir auch alle Frauen angeschaut – da wird angezeigt, dass noch Kolleginnen gesucht werden —

Das haben alle Webseiten dieser Art.

…Auch, dass du da geschrieben hast, wer du bist. Da ist jetzt kein Persönlichkeitsprofil von dir, aber du hast da angegeben, dass das Haus unter weiblicher deutscher Leitung steht. Dadurch beantworten sich gleich beim Lesen gewisse Fragen sofort.

Da steht „Weibliche deutsche Leitung“ vor allem deshalb, weil – und ich zähle mich dazu- schon Anfragen vom „Chef“ hatte. Nicht die üblen Übergriffe die man sich evtl. vorstellt. Aber manch Chef ist sich selbst der beste Kunde und viele Frauen wollen einfach nicht angegraben werden innerhalb der Arbeit. Das ist wie in jedem anderen Beruf auch. Wobei es, wie in vielen anderen Bereichen auch immer Frauen gibt die ihren Chef angraben um.. keine Ahnung, bessere Bedingungen(welche das auch immer sein mögen) zu erhalten.  Viele Frauen lehnen einen männlichen „Chef“ ab.

Auch das ist ja ein Klischee welches ich öfter zu hören bekomme: Ach wenn die da ist, müßen wir unsere Männer verstecken. Das ist soo ein Quatsch. Wir sind doch keine Nymphomaninnen, keine Männer schluckenden Monster, die sobald sie einen Mann sehen feucht werden und den anspringen.

Bei dir kommen auch Studentinnen zu arbeiten, ist das üblich?

Ja.

Wie oft hatte ich den Gedanken „Ich brauche Geld“.

Es ist bestimmt lukrativer, im Bordell zu arbeiten, als 80 Stunden im Monat woanders zu arbeiten.

Ja, im Vergleich zu einem Catering-Job als Student*in auf jeden Fall. Da läufst dir 10 bis 12 Stunden die Hacken ab, dir tut der Körper weh, du bist total übermüdet, hast noch den Heimweg vor dir und das für vielleicht 10€ die Stunde, aber in der Regel 8,51€.

Aber das soll jetzt kein Rekrutierungsgespräch werden.

Ja, ich habe einige Studentinnen.

Ich habe auch schon Frauen in „normale“ Jobs oder in Ausbildung gebracht. Die trauen sich nicht, sich zu bewerben aus unterschiedlichen Gründen oder wissen einfach nicht, wie sie das angehen müssen.

Bei diesem Job hier habe ist damals gedacht: Das ist meins! Ich will nichts anderes mehr.

Na gut, ein Lehrberuf kann’s nicht werden. Aber für mich war das perfekt. Ich wollte niemals mehr aus dieser Branche weg. Ich würde bleiben, egal in welcher Form.

Kannst du in Worte fassen, warum?

Weil ich einfach wie dafür gemacht bin! Ich fühle mich wohl und ich weiß gar nicht wie ich das erklären soll.

Ja, ich kann das Wohlfühlen schon verstehen. Gerade durch die Gesprächen in der Küche. Das Gefühl kommt halt so, weil man schon im Bordell ist und es hier um Sex geht und da man einfach frei darüber reden kann. Wenn du sonst – auch mit deinen Freundinnen – sonst irgendwo sitzt, kommst du an diese Grenzen und musst schauen, ob du die jetzt überschreiten kannst oder nicht. Und hier sind diese Grenzen überhaupt nicht gegeben.

Ja, genau. Und ich bin irgendwie immer schon „anders“ – offener und bei weitem nicht prüde gewesen. Ich habe damit nicht hinterm Berg gehalten, als ich damals mit der Arbeit angefangen habe. Und wenn ich durch die Stadt ging damals, betrachtete ich so die Männer und dachte „Dich krieg ich auch noch“. Weil ich diese beschissene Prüderie zum Kotzen finde. Wir alle haben Sex. Wo ist das Problem?

Wie reagierst du auf Prostitutionsgegner?

Gar nicht. [lacht]

Was würdest du denen entgegnen?

Wenn wir jetzt zum Beispiel Gegnerinnen wären – Na gut, schlechtes Beispiel. Dann würden wir wahrscheinlich gar nicht hier sitzen.

Und nicht so auf dem Bett liegen. [Wir saßen schon lange nicht mehr. Wir lagen und kuschelten uns in die Matratze und Lehnen. So ein Gangbang-Bett ist groß-artig!]

Du merkst, ob jemand offen ist für etwas oder, ob jemand ablehnend ist. Frau Schwarzer wirst du niemals davon überzeugen können, dass das  ein toller Job ist. Obwohl ich mich freuen würde wenn sie uns besucht.

Frau Schwarzer würde einfach immer Gründe finden würde, warum der Job so schlimm ist. Weil sie eine einseitige Sichtweise haben und starrsinnig sind. Sie lassen keine Änderung der Sichtweise zu. Aber auch das hat doch jeder in seiner eigenen Art.

Natürlich! Wir sagen auch schon mal hinterher „Man, was war das denn!“ [kichert] Natürlich passiert das. Manche versuchen schon über die vorher abgesprochenen Leistungen hinaus zu gehen. Darin sehe ich meine Aufgabe, gerade bei jungen oder schüchternen Frauen die gerade eingestiegen sind, zu sagen, wie es richtig geht. Nicht jede Frau bietet jeden Service an und dann soll er sich diejenige suchen die dazu bereit ist. Wer bei Aufforderung dies zu unterlassen nicht aufhört muss leider gegangen werden. UND: DAS hast du in keinem anderen Beruf. Schwierige Kunden gibt es doch überall. Man kennt die doch. Ich habe auch Anfängerinnen von bestimmten Kunden ferngehalten, weil ich wusste wie die ticken. Der soll dann eine Erfahrene nehmen, die genau weiß, wie man damit umgeht.

Natürlich hat jeder Job Vor- und Nachteile. Aber das kann ja auch jeder selber entscheiden. Die ganzen armen Frauen, die immer von ihrem großen Unglück erzählen, dass sie sich 20 Jahre ihren geschundenen Körper verkauft haben und immer dem Willen des Mannes unterlegene waren, halte ich mal für absoluten Schwachsinn. Wenn man das mit dieser Einstellung anfängt ist es doch auch schon zum Scheitern verurteilt. Also wer daran zerbricht ist einfach falsch am Platz. Ich mein, alten Männern und Frauen die Windel wechseln, waschen, Fußnägel schneiden.. ist das denn so toll? Warum werden diese Menschen bewundert? Und ich weise darauf hin dass du in unserer Branche viele Altenpflegerinnen (soziale Dienste im Allgemeinen)findest. Ich habe schon mit Ärztinnen und Polizistinnen gearbeitet. Nichts was es hier nicht gibt. Für viele ist es einfach ein spannendes und geheimes Doppelleben.

Jede ach so gepeinigte Frau kann sich auch bei Aldi an die Kasse setzten. Aber das wollen sie nicht. Sie wollen ihr eigener Herr sein und das geht bei Aldi nun mal nicht(sorry, ist das Schleichwerbung? Das ist natürlich durch viele Möglichkeiten zu ersetzten).

Viele Sexarbeiterinnen haben ja noch einen normalen Job. Ich kenne einige, die sich Ausbildungen finanziert haben oder eine kleine Boutique damit eröffnet haben, durch ihre Arbeit hier.

Worauf achtest du bei der Auswahl deiner Mitarbeiterinnen?

Das kann man so pauschal gar nicht sagen. Nett sollte sie sein, ein freundliches Wesenhaben, man verbringt ja teilweise viel Zeit miteinander. Ich verlasse mich da auf meine Intuition und auf meine Menschenkenntnis.

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