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She works hard for the money – Dokumentation des Gottesdienst zum 41. Internationalen Hurentag in Bochum

She works hard for the money – Dokumentation des Gottesdienst zum 41. Internationalen Hurentag in Bochum published on Keine Kommentare zu She works hard for the money – Dokumentation des Gottesdienst zum 41. Internationalen Hurentag in Bochum

 von Chiara Fabri

Begrüßung durch Astrid Gabb, Madonna e.V.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Unterstützerinnen, ich begrüße Sie zum heutigen Gottesdienst im Namen der Beratungsstelle Madonna e.V., einer Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen hier in Bochum.

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(c) Madonna e.V.

Mein Name ist Astrid Gabb und meine Kolleginnen und ich beraten seit vielen Jahren Frauen, die aus der Prostitution aussteigen wollen, aber auch Frauen, die in die Prostitution einsteigen wollen.

Das diesjährige Thema des Gottesdienstes ist „She works hard for the money“ – und dies kennzeichnet häufig die Situation der Frauen, die ihre eigene Existenz –wie alle Menschen- sichern müssen, aber häufig auch die ihrer Familien, ob hier oder im Ausland.

In diesem Jahr jährt sich der Internationale Hurentag zum 41. Mal. Am 2. Juni 1975 verschanzten sich Sexarbeiterinnen in einer Kirche in Lyon, Frankreich. Sie wollten zeigen, wie sehr sie der Willkür der Staatsmacht ausgeliefert sind, wie sehr sie Gewalt ständig begegnen. Sie suchten einen sicheren Ort, da sie immer wieder von ihren Arbeitsplätzen vertrieben wurden. Sie sollten nicht sichtbar sein.

Dies spiegelt sich auch in der aktuellen politischen Diskussion wider. Es wird derzeit ein sogenanntes Prostituiertenschutzgesetz diskutiert, welches 2017 in Kraft treten soll. Nicht diejenigen in der Prostitution, die das Gesetz betreffen wird, wurden gehört, sondern diejenigen, die Sexarbeit nicht sehen wollen, die die Menschen in der Sexarbeit nur zu Opfern machen wollen – anstatt ihre Stärke zu sehen, mit der sie unter teilweise sicher auch schwierigen Bedingungen ihren Unterhalt verdienen.

Den Lebensunterhalt in der Sexarbeit verdienen – für viele nicht vorstellbar, jedoch ebenso für viele Realität.

Auch heute lassen wir wieder die Frauen zu Wort kommen, indem wir für sie ihre Texte sprechen, ihren Arbeitsalltag erzählen. Indem wir zeigen, daß Sexarbeit Arbeit ist, die häufig nicht gesehen wird oder nicht gesehen werden will und doch meist als schlecht angesehen gilt.

Im Folgenden sind die vier Beiträge zu lesen,

die Einblicke in die Arbeits- und Lebensituation vierer Sexarbeiterinnen in der Stadt Bochum bieten:

 

 

 

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Monica

Mein Name ist Monica und ich lebe seit 5 Jahren in Deutschland. Ich wohne und arbeite am selben Ort. Während der Arbeit kennt man mich als das „kleine Mädchen“.

Wenn ich morgens aufstehe, mache ich mir erst einmal einen Kaffee und rauch eine dazu.

Dann gehe ich ins Bad und mache mich fertig. Ich selber muss mich ja auch hübsch machen für die Kunden, dafür brauch ich so ca. eine halbe Stunde. Anschließend mache ich mein Zimmer fertig, weil ich ja auch dort wohne. Meine privaten Sachen räume ich weg, und  Sachen wie Geld und Ausweis, verstecke ich vorher, damit es nicht geklaut wird.

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(c) Jana Brauer

Das Bett beziehe ich jeden Tag vor Arbeitsbeginn neu und die Arbeitsmittel wie Kondome, Gleitgel, Tücher usw., kommen neben mein Bett. Auch lege ich Handtücher bereit, denn für jeden neuen Kunden leg ich ein frisches Handtuch drunter.

Dann beginnt das Warten auf die Kunden. Da höre ich Musik, surfe im Internet, spiele auf dem Handy und ich spreche mit Kunden, ob sie nicht rein kommen wollen.

Wie lange ich arbeite hängt vom Verdienst ab. Manchmal bis zu 18 Stunden, wenn es schlecht läuft und ich noch nicht einmal die Miete wieder drin habe. Ansonsten arbeite ich bis die Miete drin ist und ich zusätzlich genug zum Leben habe. Und nach Hause zu meiner Familie muss ich ja auch noch was schicken. Pro Tag zahle ich für das Zimmer an Miete und Steuern 100€.  Wie viel ich pro Kunde verdiene hängt davon ab, was der Kunde sich wünscht. Der Standard  kostet 50.

Jeden Tag denke ich als erstes an die Miete und versuche positiv zu bleiben und nicht so negativ an die Arbeit heran zu gehen. Aber die tägliche Ungewissheit „verdiene ich heute genug?, reicht es für die Miete?“ usw. ist extrem anstrengend.

Absprachen mit den anderen Kolleginnen gibt es nicht, nur an der Theke sage ich der Wirtschafterin Bescheid, wenn ich anfange zu arbeiten. Es gibt einige Kunden, die versuchen meine Sachen zu klauen oder Ihr Geld einfach wieder einzustecken.  Darum ist mir helles Licht wichtig, damit ich alles sehen kann. Aber es gibt auch nette Kunden, die mich respektvoll behandeln und gut bezahlen. Einer hat immer vorher angerufen, bevor er gekommen ist, und gefragt, ob ich noch etwas brauche, und mir eigentlich immer etwas mitgebracht

Aber ich lasse grundsätzlich keinen Kunden alleine in meinem Zimmer. Ich verabschiede sie erst, bevor ich ins Bad gehe, um mich zu waschen.

Michaela

Mein Name ist Michaela und ich arbeite und wohne seit 2011 im Bochumer Bordell.

Wisst ihr, wann mir die Arbeit Spaß macht? Wenn die Kunden freundlich sind und sich an Absprachen halten. Mich als Menschen wahrnehmen, respektvoll mit mir umgehen und genauso an Hygiene und Gesundheit denken, wie ich. Dann fällt es mir auch leicht zu lächeln und charmant zu sein.

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(c) Jana Brauer

Manche Kunden denken jedoch, sie könnten mich für ihr Geld behandeln, wie ein Hund. Diese Kunden verstehen oft kein „Nein“, akzeptieren meine Grenzen nicht und wollen dann doch mehr als zuvor abgesprochen. Natürlich für das gleiche Geld.

Da versteh ich keinen Spaß. Auch wenn ich jeden Morgen mit dem Druck aufstehe, genügend Geld für mein Zimmer verdienen zu müssen, in dem ich arbeite und wohne, bestimme nur ich, was ich anbiete.

Ich habe gelernt, Kunden vorher zum Waschen zu schicken, wenn sie stinken, Grenzen zu setzen, um mich gegen aggressive und aufdringliche Kunden zu wehren, und ich habe gelernt, mich von der Arbeit zu distanzieren, um Ruhe und Pausen zu finden, auch wenn es keine räumliche Trennung gibt.

Es ist immer wieder schwer, überhaupt Pausen oder Feierabend zu machen, wenn es im Haus laut ist, weil andere noch arbeiten müssen oder Kunden ans Fenster klopfen, auch wenn die Vorhänge zugezogen sind. Trotzdem ist es mir wichtig, dass Arbeit und Privates klar getrennt sind. So habe ich zum Beispiel zwei  Paar Bettwäschen, eine für die Arbeit, die ich täglich wechsle und eine Private nur für mich.

Betty

Wir sind Betty und Sabine und wir arbeiten in einer Wohnung in Bochum.

Mein Wecker schellt jeden Morgen um 6.  Dann mache ich das Frühstück für die Familie fertig und  schmier noch ein paar Brote für meinen Sohn. Er geht dann zur Schule und mein Mann und ich machen uns gemeinsam auf den Weg zum Büro, so glaubt zumindest unser Umfeld.  Aber eigentlich mache ich mich auf den Weg in die Wohnung, in der ich zusammen mit Sabine arbeite. Mein Mann weiß natürlich, was ich dort mache. Das muss er auch, wenn mal was sein sollte… Ich weiß einfach nicht, was ich meinem Sohn sagen soll… welches Kind möchte schon gerne hören, dass die Mutter anschaffen geht… ich glaube schon, dass er es sich mittlerweile denken kann, aber solange man nicht drüber redet…

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(c) Jana Brauer

In der Wohnung angekommen, mache ich erstmal die Zimmer soweit fertig, dass wir Kunden empfangen können und danach mach ich mich hübsch. Dann setzen Sabine und ich uns mit einem Kaffee zusammen und besprechen den Tag, bevor wir zwischen 10 und 8 öffnen. Was muss noch besorgt werden, gibt es schon Voranmeldungen von Kunden, … und was halt so anfällt.

Wir sind mittlerweile echt lange im Geschäft und haben daher einen größeren Kundenstamm, aber natürlich heißt es auch für uns jeden Tag neue Kunden zu gewinnen und darauf zu warten, dass sie sich auf unsere Anzeigen melden. Das kann echt ermüdend sein, gerade, wenn man lange mit neuen Kunden telefoniert, diese dann aber doch keine Termine ausmachen oder zu vereinbarten Terminen nicht kommen. Das ist Arbeitszeit, in der wir nichts verdienen…

Und immer wieder haben wir Kontrollen vom Finanzamt. Vom Bauordnungsamt und der Polizei gar nicht zu sprechen.  Kontrollen sind wir schon seit Jahren gewohnt, aber spontan vor der Tür zu stehen, uns während der Arbeit zu stören und uns und den Kunden nicht einmal die Zeit zum Anziehen zu geben, daran kann man sich nicht gewöhnen. Das ist unangenehm, peinlich und vor allem geschäftsschädigend.

Sabine

Früher war alles besser. Da konnte man noch echt gut verdienen in der Branche. Heutzutage kann man froh sein, wenn man den Club nicht verliert. Und auch das Bewusstsein für HIV und andere Krankheiten war ein ganz anderes. Da musste man sich nicht damit herumplagen, dass alle Kunden es „ohne“ machen wollen. 

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(c) Jana Brauer

Aber manches ändert sich auch nicht… Zum Beispiel, wenn Kunden so was sagen, wie: “Heute verwöhn ich dich, Lass dir ruhig Zeit, ich möchte dass du es genießt“… Einfach so dämliche Aussagen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Natürlich gehört es zu meinem Job, dem Kunden das Gefühl zu geben, dass es auch mir Spaß macht, und ihm zu schmeicheln, denn auch in diesem Job ist der Kunde König. Doch jeder Kunde muss für die Zeit mit mir und die Dienstleistung, die ich anbiete, zahlen und dabei ist es egal, ob es mir wirklich selbst Spaß bereitet oder nicht. Denn natürlich habe ich auch mal in diesem Job Spaß.

Kunden, die mich und meine Arbeit wertschätzen, meine Preise nicht in Frage stellen und mir die Möglichkeit bieten, auch Spaß an der Arbeit zu haben, sind Kunden, die ich einfach sehr schätze.

 

 

 

 

 

 

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(c) Madonna e.V.

Mitwirkende am Gottesdienst:

Jana B., Maria E., Astrid G., Sarah G., Heike K., Anne M., Angela P, Taren R., Ulrike R., Sorothee S., Tamara S.  sowie Susanne K. des Frauenreferat im evangelischen Kirchenkreis Bochum, Die Pastorin der Pauluskirche Heike Lengenfeld-Brown.

Musikalische Rahmung durch Milli Häuser & Band und Charmeeli

Fotoreportage „Im roten Licht“ von Jana Brauer

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