Skip to content

Ehegelübde

Ehegelübde published on Keine Kommentare zu Ehegelübde

Von Caroline Königs

Schon 2015 berichteten wir über Caroline Königs und ihre Leidenschaft für alles, was mit dem Theater zu tun hat. In diesem Text beschäftigt sie sich nun mit der Institution Ehe.

Nachdem er sich an schweren Dämpfen gefüllter Luft aufbläht, zerfällt der dumpfe Körper. Wie dem auch sei, ich lasse ihn liegen, ich tue so, als sei er nicht mein Problem. Zusammen mit dem Mundgeruch zuckt er zusammen. Das ist das Eheglück, das wir uns erhofft hatten, vereint im Schlaf, das Glück zusammen aufzuwachen. Der Schweiß tropft in Perlen, sickert zu mir, nachdem er die Matratze durchmiefte. Das pulsierende Fleisch in deinem Schoß, abgestorbene Adern der Zierde, blaues, verfaultes Fleisch taumelt hin und her. Da ist keine Kraft in dir. Spindelnde Handgelenke versteckt unter Adern, hässliche Gesichtszüge unter dem Bart, erschreckende Kleine versteckt unter Leinen. Ein Berg des Verbrauchens entehrter Luft. Dein Mund zuckt in deinem Traum. Naivität lässt mich nicht schlafen gehüllt im Schleier der Scheinheiligkeit.

Du im Glauben, ich die Krücke. Dann bereite ich das Essen vor, drei Mal täglich. Du im Gerichtssaal wie all die anderen, die in nichts besser waren als der Langeweile, ich in der Küche, die in nichts besser ist als Langeweile. Das ist das Leben, das du wolltest. Ein Haus mit Vorgarten, der umzäunt ist. Ich vergesse sein Wieso, denn dort liegt die Batterie, damit Hunde nicht mehr auf die weißen Rosen urinieren. Ich hämmere in meinen Träumen gegen den Stacheldraht, aber ich kann nicht hindurch. Und ich weiß dann nicht mehr, was mich zuerst umbringen wird – der Zaun oder die Hardesgräser im Vorgarten. In Erregung regen sie sich, die Erreger in freudiger Unzucht. Muskeln werden zerfressen werden wie deine komplette Haut, bis nur noch Schürfwunden übrig geblieben sein werden. Du kannst ihm nicht entfliehen genau wie ich im Vorgarten. Stacheldraht durchwühlt deine Adern. Ich bewundere mit Ehrfurcht deine Hässlichkeit. Oh, wie bist du grotesk, Liebling. Doch nicht auf eine ästhetische Art und Weise. Lasse deine Ohren zu Moder verkommen, transformiere in Ekstase der Gleichgültigkeit zu den weitesten Feldern der Jauche. Das ergibt das Bild, das ich sehe, jede Nacht, wenn ich einschlafe, jeden Morgen bei dem Erwachen, jede Sekunde, wenn du dir das Spiegelei in deinen Verschlingungsrachen schiebst, jeden Augenblick bei der Zubereitung der nächsten Mahlzeit und was ist das Leben für mich anderes als das Warten auf deinen Appetit? Es ist immer da, diese Gülle; aber nie ein anderer Appetit als auf Essen. Leidenschaft ist tot, mein Herz. Und auf dass uns der Tod scheidet, schwimme ich, schwimme ich, schwimme ich immer weiter.

Bepisste Rosen unter mir, über mir dein fetter, knochiger Leib, nur mein Geist geht unter, geht unter unter dir, kann sich nicht retten unter dir. Ein abgebrochener Satz, denn wie geht es weiter nach „will“? Ja, ich will, dass der Ekel mein ständiger Begleiter wird; ja, ich will, dass ich erstarre beim Anblick deiner Unvollkommenheit; ja, ich will jeden, den ich einst liebte für dich verleugnen; ja, ich will, dass du auf den Fliesen ausrutscht; ja, ich will die Unzucht von deiner Haut in meine Übernehmen; ich will alle Krankheiten, alle Leiden, alle Gebrechen von dir teilen, auf dass wir doppelt an Schmerzen verkümmern, keiner mehr gefeilt, den anderen zu beschützen; ja, ich will, dass du mir nur noch zuhörst und dich für meine Probleme interessierst, weil du meinen Körper geheiratet hast; ja, ich will, dass du mich bezahlst, unser Dach über dem Kopf, unser Konto, unsere Lohnsteuererklärung, damit ich von dir abhängig werde; ja, ich will dir ein Kind gebären, damit du glaubst, dass ich mich nicht mehr leer fühlen werde, wenn du in der Kanzlei sitzt; ja, ich will den blutigen Auswurf aus meiner Gebärmutter quetschen, damit ich zu noch größerer Unappetitlichkeit verkomme, damit ich nichts weiter mehr sein kann als eine Aufgabe, eine Zucht- und Lehrmaschine für den zukunftsträchtigen, aufstrebenden Nachwuchs. Vielleicht kann er eines Tages deine Arbeit aufgreifen, kann eines Tages genauso werden wie du. Das lästige Blag zu dir in die Kanzlei, die Göre zu mir an den Herd, in den Herd. Ungenutzte Möglichkeiten beim Anblick mit dem Auswurf.

Doch all das kann ich nicht, will ich, kann ich nicht. Nein, ich will nicht, darf nicht. Du brauchst mich, damit ich Essen koche. Du weißt, dass das andere auch können, aber die Trauer, die Dokumente, der Rechtsanwalt. Und wenn ich nun ausbrechen würde, dann hätte ich nur verurteilt und nicht mit Klugheit gesiegt. Hätte lieber ein Pamphlet schreiben sollen. Die wissenschaftliche Arbeit wiegt mehr als Taten. Du sitzt am Schreibtisch, ich an der Anrichte. Und das wird sich nicht ändern, denn ich bin nicht schlau genug. Das wussten wir schon immer.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Primary Sidebar

Schrift anpassen
Hohe Kontraste