wie ein “Experiment” von 1LIVE an fehlender Sensibilität scheiterte
von Chiara Fabri und Lilli Boheme
Kürzlich erhielten wir von 1LIVE kurzfristig die Anfrage, ob wir als Feministinnen an einem neuen „Meinungsvielfaltsformat“ teilnehmen wollen. Auf der Suche nach jungen Feministinnen zwischen 20 und 40 Jahren sei man auf Feminismus im Pott gestoßen. Wir freuen uns immer wieder, wenn Sender auf uns aufmerksam werden. Leider kommen viele dieser Anfragen im doppelten Sinne knapp: kurzfristig und ohne genauere Informationen. Liebe Journalist*innen, bitte gebt uns die Zeit und die Infos, uns gut vorbereiten zu können. Dann wird die Zusammenarbeit gleich konstruktiver.
Jetzt wo die erste Folge des neuen Formats “Ausgepackt” online ist, sind wir froh, die Anfrage abgelehnt zu haben. Der Titel erinnert an eine Verhörsituation und ist viel benutzt in reißerischen Reportagen, verrät aber nicht den eigentlichen Plot in dem zwei feindliche Positionen miteinander konfrontiert werden. Ein Experiment (so nennt es der 1LIVE Reporter Jörn Behr)? Eine Realityshow? Ein Duell? Irgendwie von jedem etwas. In jedem Fall eine unangenehme Situation für alle Beteiligten, inklusive der Zuschauenden.
Was hätte uns also erwartet, wenn eine von uns als “die Feministin” teilgenommen hätte? Mit aller Wahrscheinlichkeit wäre uns ein*e Antifeminist*in in die Küche gesetzt worden. Als Feminist*innen sind wir täglich mit Antifeminismus konfrontiert, daher brauchen wir nichts weniger als ein nicht verabredetes Aufeinandertreffen mit Antifeminist*innen.
Ein solches Format bietet keinen Rahmen für eine respektvolle und konstruktive Diskussion, sondern ist zynisches Entertainment („Behr bringt Beef“) und hebt sich kaum von dem Sozialvoyeurismus von Shows wie Big Brother oder Frauentausch ab. Dies wird in der ersten Folge des Formats deutlich, in dem zwei Frauen, die noch unbehelligt zusammen eine Küche einräumen, dann mit dem konfrontiert werden, was sie zuvor per Video ausgepackt haben. Lizzy erzählt über ihr Leben als Lesbe und die damit verbundenen Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen, wohingegen Julia praktizierte Homosexualität als Sünde und Krankheit verurteilt. Sexuelle Orientierung wird gegen Ideologie gesetzt. Eine sehr sensible Situation – aber wo bleibt die Sensibilität der Sendungsmacher*innen? Eine nach eigenen Aussagen diskriminierte Homosexuelle wird mit einer Person konfrontiert, die sie pathologisiert. Erstaunlich, dass das heute noch möglich ist, wo doch schon die Bundesärztekammer 2013 klargestellt hat, dass Homosexualität keine Krankheit ist und keiner Heilung bedarf und im Zuge des “Waldschlösschen-Appells” die Presse aufgerufen wurde, gerade solche Konfrontationen zu vermeiden, in denen Homosexuelle sich für ihre sexuelle Orientierung rechtfertigen sollen. Hoffentlich lernen die Macher*innen der Sendung etwas aus der massiven Kritik ihrer Zuhörer*innen.
Eigentlich sind wir ja froh, dass es Formate gibt, die Themen wie Homosexualität und Feminismus thematisieren und steigen gerne ein, wenn es um unsere Erfahrung und Kompetenzen in gesellschaftlichen Fragen insbesondere im Bereich Gender und Feminismus geht. Dazu muss aber der Rahmen sensibel und kooperativ erarbeitet werden.