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Rezension zum Dokumentarfilm „#Female Pleasure“

Rezension zum Dokumentarfilm „#Female Pleasure“ published on Keine Kommentare zu Rezension zum Dokumentarfilm „#Female Pleasure“

Autorin: Stella Venohr

Es sind Fotos von Männern und Frauen. Stilisierte Bilder aus der Werbung. Männer, die nackte Frauen dominieren. Bilder, die unglaublich vertraut wirken. Damit beginnt der Dokumentarfilm „#Female Pleasure“ der Regisseurin Barbara Miller. Die Schweizerin zeichnet in ihrem Werk ein Bild von systematischer Unterdrückung der weiblichen Sexualität. Im Mittelpunkt stehen dabei fünf Protagonistinnen aus verschiedenen Regionen der Welt in denen verschiedene Religionen vorherrschend sind.

Bild einer Eintrittskarte und eines Schreibblocks in einem vollen Kinosaal

Einige Geschichten kommen bekannt vor, sind schon oft in den Medien erzählt worden. So wie über die Jüdin Deborah Feldmann, die aus einer arrangierten Ehe in New York flüchtete. „Wie kann es einen lieben Gott geben, der gleichzeitig Frauen hasst? Das geht doch nicht zusammen“, so Feldmann. Inzwischen lebt die Mutter eines Sohnes in Berlin. Gemeinsam mit einem Freund erarbeitet sie Fotoprojekte, um auf die Rolle der Frau im orthodoxen Judentum aufmerksam zu machen. So ist sie auf einem Bild nackt, nur mit dem heiligen Schal im Judentum bekleidet zu sehen. Sie eine Frau, die im orthodoxen Judentum den Schal nicht einmal anfassen dürfte.

Auch die ehemalige Nonne Doris Wagner hat es erlebt als Frau weniger wert zu sein. „In der Welt in der ich gelebt habe, war ich als Frau eine große Gefahr“, so Wagner. In dem gleichen Tenor wird ihr dann auch die Schuld angelastet, als sie in ihrem Orden vergewaltigt wird. Sie schreibt Briefe an den Papst, damals in dem festen Glauben, dass alles anders würde, wenn er nur davon wüsste. Inzwischen lebt sie nicht mehr in dem Orden: „Im Orden denkst du, die da draußen sind alle unglücklich, so weit weg von Gott.“ Im nächsten Augenblick fängt Doris Wagner an zu schmunzeln: „Aber Pustekuchen. Das Leben ist so schön.“

„Ich begann mich dafür zu hassen, dass ich ein Mädchen bin“, so Vithika Yadav. Die Inderin berichtet in der Dokumentation über die Vorstellung von Weiblichkeit in Indien und im Hinduismus. Sexuelle Übergriffe als junge Frau gehören zum Alltag, Vithika Yadav möchte das ändern und betreibt mit ihrer Webseite Aufklärungsarbeit für eine gleichberechtigte sexuelle Beziehung zwischen den Geschlechtern.

Dann gibt es aber auch die Geschichte der Japanerin Rokudaneashiko. Die Künstlerin wird in der Dokumentation oft lachend gezeigt. Sie vervielfältigt ihre Vulva mit einem 3D-Drucker, macht kleine Kunstwerke daraus. Doch als sie ein quietschgelbes Kajak in Form ihrer Vulva baut, geht sie nach Ansicht der japanischen Regierung zu weit und wird wegen vermeintlicher Obszönität verhaftet. Wo einerseits in Rokudaneashikos Land bei Fruchtbarkeitsfesten Penisse in Übergröße gefeiert und verehrt werden, wird andererseits das weibliche Geschlecht abgelehnt und verteufelt.

„Es war ein sonniger Morgen, ich war sieben Jahre alt und meine Genitalien wurden entfernt“ – bei diesem Satz wird es komplett still im Kinosaal. Leyla Hussein spricht mit fester Stimme, als sie von der Genitalverstümmelung erzählt, die ihr als Kind von Verwandten und Bekannten angetan wurde. Inzwischen engagiert sie sich als Psychologin, spricht viel mit Betroffenen. Es sind bewegende Bilder als sie an einer Vulva aus Knete zeigt, was bei einer Genitalverstümmelung passiert. Obwohl es ja doch nur Knete ist, die Klitoris und Vulvalippen darstellen, fällt das Hinschauen schwer.

In diesem Zusammenhang fällt auf, dass es sprachliche Ungenauigkeiten gibt. Die weibliche Anatomie wird als gegeben dargestellt, es fällt kein Wort über die sprachlichen Unterschiede bei der Bezeichnung der weiblichen Geschlechtsorgane. So spricht Deborah Feldmann an einer Stelle im Englischen von „Vulva“, was in den deutschen Untertiteln mit „Vagina“ übersetzt wird. Besonders in einem Film, der sich explizit mit der weiblichen Sexualität auseinandersetzt, wäre sprachliche Genauigkeit wichtig gewesen. Denn Sprache ist bekanntlich Macht und etwas sprachlich korrekt zu bezeichnen, macht es sichtbar und lässt weniger Raum für Mythen.

Trotz kultureller und religiöser Unterschiede ziehen sich die Erfahrungen der fünf Frauen wie ein roter Faden durch den Film: Die weibliche Sexualität wird weltweit unterdrückt und dämonisiert. Das ist auch ein weiterer Kritikpunkt an der Dokumentation. Der Film verknüpft weibliche Sexualität einseitig mit Unterdrückung und Problemen. Nicht die Religionen werden verteufelt, sondern die herrschende misogyne Lesart. Der Titel der Dokumentation „#Female Pleasure“ kann dabei irreführend wirken. Weibliche Lust, Freude an Sex und an Orgasmen von Frauen finden wenig Platz. Stattdessen ist weibliche Sexualität stets verbunden mit Leid und Opfern.

Doch diese einseitige Sichtweise auf weibliche Sexualität, nimmt der Dokumentation keine Relevanz. Die Worte Intersektionalität und Feminismus finden nicht in den Film, sowenig wie Perspektiven von transgeschlechtlichen Personen. Der Regisseurin ist es wichtig die Geschichten in dem Film einer möglichst breiten Öffentlichkeit zu erzählen. Das macht Barbara Miller; sie lässt ihren Protagonistinnen viel Raum für ihre Erzählungen. Es gibt keine einordnende Stimme aus dem Off, die gottgleich über alles richtet. Viel mehr lebt die Dokumentation von ihren starken Protagonistinnen, deren Geschichten miteinander durch die männliche Vormachtstellung verwoben sind. Oder wie Leyla Hussein es in der Dokumentation beschreibt: „Sie praktizieren das Patriarchat – Die universelle Religion. Wenn Frauen sich verbünden, sind wir unbezwingbar.“

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