Skip to content

Corona-Krise aus feministischer Sicht

Corona-Krise aus feministischer Sicht published on Keine Kommentare zu Corona-Krise aus feministischer Sicht

Es verändert sich gerade viel durch die gesellschaftlichen und politischen Anpassungen an die Corona-Epidemie. Es wird viel getan und es scheint erst mal, als wäre das ganze ein Thema für Wissenschaftler*innen. Ist es aber nicht. Es ist auch ein politisches Thema, denn es geht darum, wie wir miteinander umgehen. Im Feminismus geht es viel darum, wie wir gut miteinander umgehen wollen, welche Gesellschaften wir wollen und wie wir mit Krisen umgehen wollen und sollten. Die Lage verändert sich schnell, und damit auch die Ideen. Trotzdem wollten wir ein paar unserer Gedanken sammeln und mit euch teilen. Hier haben wir einige feministische Perspektiven auf das Leben während und nach der Corona-Epidemie gesammelt.

 

Ableismus

Es wird häufig zur Besonnenheit geraten, weil das Virus für die meisten Menschen nicht tödlich ist. Das führt dazu, dass sich einige Menschen nicht solidarisch verhalten, also wenig auf Hygiene achten und damit das Ansteckungsrisiko für ältere und Menschen mit einem schwachen Immunsystem vergrößern.
Wenn also geschrieben wird, dass das Virus nicht so schlimm sei, weil es nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen besonders tödlich ist, wird das mit Eugenik in Verbindung gebracht (ihr könnt zum Beispiel Mika Murstein auf Twitter folgen oder mers Buch lesen: I’m a queer feminist cyborg, that’s okay (erschienen in deutscher Sprache). Eugenik meint die Ideologie, dass bestimmte Menschen wertvoller für die Gesellschaft als andere sind und es deshalb gut oder wünschenswert wäre, wenn diese Menschen sterben, damit die Gesellschaft entlastet wird. Deutschland hat insbesondere im Dritten Reich viele Menschen aus eugenischer Ideologie ermordet, aber das Problem ist kein rein deutsches und nicht nur auf diesen Zeitraum beschränkt. Die Denkweise, dass manche Menschen mehr Wert sind als andere, setzt sich fort.
Die feministische Denkweise ist eine andere. Sie sieht alle Menschen unabhängig von ihrer körperlichen Verfassung als wertvoll an und wenn manche Menschen solidarische Unterstützung brauchen, und wir sie geben können, sollten wir es tun.Dazu noch ein Artikel von der tollen Margarete Stokowski.

Solidarität kann so aussehen:

  • Menschen, die sagen, dass Corona nicht so schlimm ist, weil nur bestimmte Menschen sterben, daran erinnern, dass alle Menschen wertvoll sind.
  • Keine Hamsterkäufe von Hygieneartikeln! Viele Menschen sind darauf angewiesen, dass sie regelmäßig Zugriff auf Desinfektionsmittel haben. Für die meisten Menschen ist Seife sehr hilfreich und ausreichend , also überlegt euch, ob ihr zu den Menschen gehört, die sicher Desinfektionmittel brauchen.
  • Auf das eigene Händewaschen und Niesverhalten achten. Auch das können solidarische Akte sein.
  • Menschen, von denen man weiß, dass ihr Immunsystem schwächer ist, anbieten für sie einkaufen zu gehen.
  • Wenn möglich zu Hause bleiben, besonders wenn man sich nicht gut fühlt.
    Die Pandemie nicht romantisieren; das ist ein Schlag ins Gesicht für die besonders Gefährdeten und ableistisch!

 

Klassismus

Einige kaufen sich viele Vorräte. Das führt dazu, dass bestimmte Leute, die darauf angewiesen sind günstig einzukaufen, es jetzt schwerer haben, in mehr Supermärkte gehen müssen und sich eventuell größeren Gefahren aussetzen. Längst nicht alle Menschen können es sich leisten, in großen Mengen Dinge einzukaufen, oder sich viel nach Hause zu bestellen. Die Strukturen, die armen Menschen das Leben schwerer machen sind klassistisch. Wir finden, dass alle Menschen die Dinge haben sollten, die sie brauchen, um ihre Gesundheit zu erhalten. Hier müssen wir etwas am Gesundheitssystem ändern, weil es oft unfair agiert. Aber bis wir das geschafft haben, müssen wir uns gegenseitig als Individuen unterstützen. Das könnte etwa so aussehen:
Wenn ihr wisst, dass Menschen wenig Geld haben, könnt ihr ihnen etwas mitbringen.
Vermeidet Hamsterkäufe, kauft was ihr braucht für etwa eine Woche.
Reflektiert eure finanzielle Situation und denkt bei euren Einkäufen an die Menschen, die finanziell schlechter gestellt sind als ihr. Lasst ihnen bitte die günstigeren Produkte übrig.
Überlegt, ob ihr etwas an die Tafeln spenden könnt. Die haben aktuell auch weniger Spenden.
Wenn ihr Essen bestellt, überlegt, ob ihr asiatisches Essen bestellt. Unterstützt Menschen, die wegen der rassistischen Strukturen, die jetzt besonders stark wirken, weniger Geld verdienen. Gebt den Leuten, die euch das Essen bringen, so viel Trinkgeld, wie es euch gerade möglich ist.
Bringt den Menschen eine hohe Wertschätzung entgegen, die trotz Krisensituation weiterhin in Supermärkten, Drogeriemärkten und Apotheken arbeiten (müssen).

 

Rassismus

Seit Anfang der Corona-Epedemie werden Menschen, denen man zuschreibt aus Asien zu kommen, schlechter behandelt, gemieden oder sogar verprügelt. Mehr und mehr Restaurants und Geschäfte bekommen Probleme wegen dieser Strukturen. Wenn Menschen aufgrund ihres Aussehens und ihrer zugeschriebenen Herkunft schlechter behandelt werden, ist das Rassismus. Zu rassistischem Gedankengut, welches in Deutschland seit Jahrhunderten immer weiter getragen wird, gehört, rassifizierte Menschen als “dreckiger” oder “unreiner” zu bezeichnen. Dieses Gedankengut trägt sich fort und sollte aus feministischer Perspektive bekämpft werden. Du könntest:

  • Wenn du weiß bist, dann setze dich mit deinem weiß sein auseinander. Jetzt ist auch ein guter Zeitpunkt, um Bücher zu kaufen und zu lesen. Zum Beispiel: Exit Racism, Deutschland Schwarz-Weiß, Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. Alle drei Bücher sind toll und geschrieben von Schwarzen Frauen.
    Wenn ihr mitbekommt, dass Menschen rassistisch beleidigt oder angegangen werden, fragt sie, ob ihr ihnen helfen könnt.
  • Wenn ihr Essen bestellt – vielleicht ostasiatisch?
  • Widersprecht, wann immer ihr könnt, Aussagen, dass People of Color für die Ausbreitungen von Krankheiten verantwortlich sind. Positioniert euch ganz allgemein gegen rassistische Aussagen, auch wenn gerade keine Personen of Color im Raum sind.

 

Neoliberalismus

Die Politik hat schon viele Milliarden Euro versprochen um “die Wirtschaft” zu retten. Viele einzelne Menschen haben Probleme während der Epidemie und werden mit denen erst mal alleine gelassen. Wer ein schwaches Immunsystem hat und sich isolieren will, muss hoffen irgendwen zu haben, der*die für ihn*sie einkaufen geht. Selbstständige, insbesondere im Kulturbetrieb können kein Geld mehr verdienen, weil sie nicht auf Veranstaltungen auftreten können, müssen aber trotzdem ihre Miete bezahlen und Essen kaufen. Die Idee, dass alle Menschen sich um sich selbst kümmern müssen, anstatt umeinander und, dass die Wirtschaft wichtig ist und dass es, wenn es der Wirtschaft gut geht, bestimmt auch allen anderen gut geht, gehört zum Neoliberalismus. Als Feminist*innen glauben wir, dass wir viel zusammen arbeiten müssen und dass die Strukturen für die Menschen da sein sollten und nicht für die Wirtschaft. Was könntet ihr also tun?

  • Es gibt auch die Tendenz mit seinen engsten Menschen (wie romantische Beziehungen oder allerbeste Freund*innen) zu fokussieren. Es gibt (wahrscheinlich auch in eurem Umfeld) Menschen, die keine großen Sozialkreis haben und vielleicht in keinem Freund*innenkreis so richtig dabei sind. Denkt an sie und, wenn sie nicht toxisch sind, meldet euch bei ihnen. Seid aufmerksam, wo ihr in Beziehungen hierarchisiert.
  • Schaut, wo ihr Banden bilden könnt.
  • Unterstützt Menschen aus der Kulturbranche! Findet heraus, ob sie Bücher, Sticker oder Postkarten anbieten, die ihr kaufen könntet.
  • Überlegt, ob ihr hier mitmachen könntet: https://www.quarantaenehelden.org/#/
  • Unterstützt Petitionen, die Druck auf Politiker*innen ausüben, damit die sich mehr um das Wohl der Menschen kümmern als um das der Unternehmen.
  • Für Selbstständige könnte das hier interessant sein.
  • Wenn ihr zu denen gehört, die in gut bezahlten Berufen arbeiten, Rücklagen habt oder Eltern, die gut verdienen, teilt sie mit den Menschen, die prekär beschäftigt sind, keine finanziellen Rücklagen haben, oder sich von ihren Eltern kein Geld leihen können. Dazu zählen meistens Minijobber*innen, Leiharbeiter*innen oder Studierende, die aus weniger privilegierten Haushalten kommen.
  • Dieser Artikel kann allgemein dabei helfen, eigene Privilegien zu erkennen und demnach zu handeln.

 

Geschlecht, Sorgearbeit und Kinderbetreuung

Die Schulen und Kitas werden geschlossen. Viele Menschen können und müssen zu Hause arbeiten. Das kann tatsächlich eine gute Sache sein, doch oft werden es wieder Frauen sein, die sich um die Kinder kümmern, während Männer in einem anderem Zimmer sitzen und Arbeit nachgehen, die als gesellschaftlich wertvoll betrachtet wird. Frauen übernehmen viel mehr Sorgetätigkeiten als Männer in unserer Gesellschaft. Sie kümmern sich um Kinder, ältere Menschen und sind in der Pflege vertreten. Im Gesundheits- und Bilundungssystem verdienen sie weniger Geld, weil sie öfter die schlechter bezahlten Berufe als Krankenpfleger*innen und Erzieher*innen haben. Dabei werden sie auch nicht besonders geschützt. Die Arbeit, die Frauen tun, wird wenig wertgeschätzt. Zusätzlich sind Frauen in Quarantäne jetzt auch häufiger von häuslicher Gewalt bedroht. Frauen können gefährlichen Strukturen weniger leicht entkommen. Was könntet ihr tun?

  • Achtet aufeinander! Verbreitet Ressourcen wie das Hilfetelefon: https://www.hilfetelefon.de/
  • Fordert Männer dazu auf, Sorge-, Pflege- und Haushaltsaufgaben zu übernehmen. Alle Menschen haben das Recht auf Pausen!
  • Setzt euch für die Anerkennung und bessere Bezahlung von Pflegekräften und Erzieher*innen ein.
  • Bildet Netzwerke um euch gegenseitig zu unterstützen!

 

Selbstsorge

Sich den ganzen Tag mit den Sorgen anderer und dem Tagesgeschehen zu beschäftigen, kann auslaugen und den Eindruck erwecken, dass wir nie genug tun. Feminismus heißt auch zu sagen: Du bist genug! Selbstsorge hat immer dann einen Wert, wenn es nicht in neoliberalen Egoismus ausartet (siehe oben). Selbst-Isolation ist gut und wichtig, aber manche Menschen brauchen auch Kontakt für ihre psychische Gesundheit. Es zählt: Alles was es wert ist, getan zu werden, ist es auch wert halbarschig getan zu werden. Bewältigungsstrategien, die Menschen helfen, mit psychischen Problemen umzugehen, können nicht einfach auf “Pause” gedrückt werden, sondern können langsam ersetzt werden, das geht nicht von heute auf morgen. Für manche gehört menschlicher Kontakt einfach dazu. Wenn du weniger Menschen siehst, ist das auch schon gut. Du musst nicht immer mehr leisten als du im Stande bist, zu tun. Was kannst du tun?

  • Du musst nicht jede Corona-Neuigkeit lesen und oder teilen.
  • Wenn du zuhause bist, musst du nicht produktiv sein. Du musst kein Buch schreiben oder viel schaffen. Du darfst auch einfach nur sein.
  • Wenn du alleine lebst und den Kontakt zu anderen Menschen vermisst, versuche Dir Unterstützung von Personen zu suchen, die Dir nahestehen. Du kannst zum Beispiel regelmäßig skypen oder telefonieren.
  • Seid lieb zueinander. Passt aufeinander auf.

Wir wissen, dass wir wahrscheinlich viel vergessen haben, aber ich hoffe wir konnten ein paar Gedanken weitergeben. Wenn euch noch was einfällt, schreibt uns gern in den Kommentaren!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Primary Sidebar

Schrift anpassen
Hohe Kontraste