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Mein Minirock und ich.

Mein Minirock und ich. published on 1 Kommentar zu Mein Minirock und ich.

von Frau Fuchs

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http://lilliboheme.tumblr.com/

Dass ich als hochsensibler Mensch jegliche Blicke und Bewegungen, Farben und Gerüche der Menschen spüre und wahrnehme, das empfinde ich als eine Gabe.

 Dass ich als hochsensibles Wesen feine Schwingungen in Räumen einfange und mir schnell kalt wird, während andere noch schwitzen, dass es mir nicht schwer fällt mich in Gesellschaft aufrichtig und höflich zu verhalten, dass ich gerne Miniröcke trage, das empfinde ich als etwas Eigenes.

 Dass ich als hochsensible Frau jegliche anzügliche Absichten von Männern, Ansätze ihrer Gedankenverläufe, ihrer Drehbücher im Kopf, die Sprüche und Geräusche, subtil infame Gesten und mimische Expressionen wie kleine Pfeile auf meinem Körper, meiner Hülle, meinem Außen spüre, das ist keine Gabe, das ist kein Geschenk, das ist ein sozialer Tatbestand, eine Verletzung, die mich regelmäßig und immer wieder einholt und die ich versuche durch die Taktik der Verdrängung zu vergessen.

 Aber eben dieses komplexe und autopoietische Verdrängungssyndrom, welches sich fernab des Verstandes generiert hat und immerzu vollzieht und sich durch meine ganze Kindheit erstreckt, das ist womöglich eine typisch weibliche unbewusste Verhaltensform in dieser Gesellschaft.

Wie kann es denn sein, dass, wenn Frauen sich bereits vor über 40 Jahren emanzipierten, ich als einzelne Frau so für mich unterbewusst dieses Verdrängungssyndrom – seit ich denken kann – durch mein Leben schleppe wie eine Bürde?

Ich bin nicht die Einzige, die dieses Syndrom aufweist. Und lange Zeit dachte ich, es wäre meiner Hochsensibilität geschuldet, dass ich diese kleinen Spitzen der Männer im öffentlichen Raum mitbekomme.

Ich gab mir stets die Schuld, meinem Wesen, meiner Dünnhäutigkeit. Und dachte daran arbeiten zu müssen mir ein dickeres Fell zuzulegen anstatt den Situationen, in welchen diese Erlebnisse heraufbeschwört würden, aus dem Wege zu gehen. Ich vermied keine Miniröcke, hielt aber meinen Rockzipfel beim Aufstehen oder beim Treppensteigen fest, sodass man mir nicht hinunterluken konnte. Ich ließ die morgendlichen Sprüche der Bauarbeiter über mich ergehen indem ich mich ganz klein machte, ihren Blicken auswich unter ihrem Gerüst, auf welchem sie standen und eins wurde mit der Farbe des Bordsteins. Grau. Ich vermied tief ausgeschnittene Damenoberbekleidung und trug möglichst unprätentiöse Büstenhalter. Und wenn ich mein männliches Gegenüber dabei ertappte, wie sein Blick in meinen Ausschnitt fiel, da ignorierte ich es, indem ich mich klammheimlich zurückzog mit meinem Oberkörper und meine Bewegungen möglichst unweiblich und unzweideutig aussehen ließ. Ich zog mir abends die Kapuze über mein blondes Haar, wenn ich vom Bahnhof alleine nach Hause schlich während die wilden Tiergruppen vor dem sozial dicht umstellten Gebäude bereit waren verbal auszuholen nach einem Gegenstand, auf den sie die Ladung abzielen konnten.

Wenn ich Glück hatte, dann wurde ich übersehen. Vergessen.

Grau wie der Bordstein.

Wenn ich weniger Glück hatte, dann fiel es harmlos aus und tat nicht so weh.

Blauer Fleck auf meiner Haut.

Wenn ich Unglück hatte, was meistens der Fall war, dann passierte es und ich versuchte es schnell wieder zu vergessen. Zu Verdrängen.

Keine äußeren Spuren.

Es geht nicht um emanzipierte Frauen, es geht um emanzipierte Männer.

Es geht um Gleichwertigkeit. Um Respekt. Mindestens um Höflichkeit.

Ich schämte mich oft dafür eine blonde, schlanke, hochsensible Frau zu sein, die kurze Röcke trägt.

Spätestens dann, wenn man das Haus verlässt mit dem Gedanken „Hoffentlich passiert heute nichts“, dann sollte man sich eingestehen, dass man nicht mehr frei ist, sondern das etwas Anderes seinen Lebensraum eingeschränkt hat.

Ich wäre gern ein tumber, paralysierter Stein, der nichts spürt, nichts sieht, nichts hört.

Aber ich bin nicht bloß eine empfindsame Person, sondern eine empfindsame Frau und das ist für manche eine Gabe, ein Geschenk. Für mich ist es relativ. Ich bin ein Mensch. Und ich möchte frei sein und mich nicht unangenehm berührt fühlen, wenn ich mich frei bewege. Wenn ich tanze, wenn ich lache, wenn ich mich attraktiv fühle, wenn ich mich wohl fühle.

Es ist so als würde man einen fremden Menschen an seine nackte Schulter betasten. Einfach so. Ohne Vorwarnung, ohne Ankündigung, ohne Bezug zu dieser Person.

 

Wer hat ein Recht darauf? Die Männer, weil sie, wie ominöse einschlägige neurobiologische Studien beweisen, triebgesteuerter sind als die Frauen und sich demnach „ausleben“ sollten und via Naturgesetz müssen? Weil wir Frauen im gesellschaftlichen Gefüge eher für das „Emotionale Feld“ zuständig sind, zu dem Männer aufgrund ihrer neurologischen Struktur angeblich eine geringere Affinität aufweisen und die Frauen deshalb mit solchen Erfahrungen einfach lockerer umgehen müssen?

So unterschiedlich sind Männer und Frauen gar nicht. Das sagt keine Studie, das sage ich.

Es gibt immer schlechte oder gute Menschen, bösartige oder freundlich gesinnte. Und ganz viel dazwischen.

Ich mag Komplimente. Jeder Mensch braucht und mag sie. Jedem Menschen tun ehrliche wohlgemeinte Worte gut. Aber jemand, der mir hinterherschnalzt wie es ein Cowboy bei seinem Pferd tut, wenn er es mit seinen Sporen antreibt oder ein Farmer, wenn er sein Vieh auf einer Weide zusammenführt, der löst in mir das Gefühl aus mich abzuwerten und nicht mit einem Kompliment zu meiner äußeren Erscheinung zu beglücken.

Wenn mir versehentlich der Saum meines Rockes aus meiner Hand entgleitet und dieser hinaufrutscht, sodass man nun doch einen Blick auf den oberen Teil meiner Oberschenkel werfen kann und dem Typen neben mir im Beisein seines Kumpels die Worte „Guck mal, geiler Arsch“ herausrutscht, dann fühle ich mich nicht mit einem Kompliment zu meiner äußeren Erscheinung beglückt, sondern gedemütigt.

Ich bin zutiefst beschämt, darüber wie die anderen Menschen in der Bahn, die um dieses Geschehnis herum agieren, mich plötzlich in ähnlicher Weise wie die beiden Jungs inspizieren. Ich bin ein Objekt, eine Figuration, ein Modell, Projektionsfläche für Ideen, Kinoleinwand für Imaginationen, obwohl ich kein weißer Untergrund bin. Ich bin bunt.

Diese steten Verletzungen führten dazu, dass ich kein dickeres Fell bekam, sondern dass ich mein Herz verdeckte. Vor all den grausigen Menschen da draußen, vor allem Gemeingefährlichem.

Und so wurde ich zu dem, was ich heute bin.

Ich bin ein geschlossenes Buch auf welchem ein Stein liegt, ein Fels, ein Berg und niemand wird es so schnell fertig bringen jenen zu verrücken.

Und nach außen, da spiele ich. Und trage meinen Minirock, mein blondes Haar und gebe mich auch als Leinwand her für eure blöden Filme, eure flachen Synchros, eure schlechten Drehbücher, denn meinem Inneren können diese Dinge ja nichts anhaben.

Und keiner wird jemals erfahren, was ich alles mitbekomme.

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