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Belästigung entgegenschreiben – ein offener Brief an Herr*

Belästigung entgegenschreiben – ein offener Brief an Herr* published on 1 Kommentar zu Belästigung entgegenschreiben – ein offener Brief an Herr*

von Giovanna

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Quelle: www.allmystery.de

Eine ehrenamtliche Vereinigung, die sich zur Aufgabe macht, auf den herrschenden Sexismus in der Werbung in Deutschland und deutschen TV-Sendungsformate hinzuweisen und sich den bezüglichen Firmen, Agenturen und Sendern als Gesprächspartner anbietet, postete in der Chronik des eigenen Facebook-Accounts den Titel eines Artikels einer Ausgabe des kostenlosen Magazins der Deutschen Bahn und urteilte diesen als kritisch. Verschiedene Personen nahmen die Möglichkeit wahr, diesen Beitrag zu kommentieren und wiederum zu kommentieren. Die Einen sehen den Titel ebenfalls kritisch, Andere wiederum sehen es nicht so eng oder relativeren. Auch sind Kommentare zu lesen, welche die Auseinandersetzung darüber abwerten und diese als überholt, unwichtig oder nervig ansehen. Zu einem dieser Kommentare hatte ich mich mahnend geäußert, dass es der Nachricht an freundlicher Art mangelt, wie sie anderleuts Anliegen als „nervig“ bezeichnet und rückständig. Auch wies ich in diesem Zuge darauf hin, dass die Auseinandersetzung – entgegen der Ansicht besagter Person – anstatt überholt, bedauerlicherweise seit jeher fortdauert.

Eine Rückantwort der angesprochenen Person bekam ich bisher nicht zu lesen. Die Kommentarleiste wächst und wächst; schnell sind die frühsten Kommentare nicht mehr im Blick, und/oder wird auf diese sich nicht mehr bzw. selten bezogen. Einerlei. So ist’s.

Eine Reaktion dann auf genau jenen meinen Kommentar erhielt ich dann doch. Von einer anderen Person. In einer „Privatnachricht“. In der mein Beitrag komplett nachzulesen ist, sowie eine einzelne Aussage dazu. Es liegt nahe, dass die Aussage, bestehend aus drei Worten zzgl. einem traurigen Emoticon von der Nachricht übermittelnden Person stammt.

Dem gezwungenen Umstand wegen, dieser Person via ebensolcher Privatnachricht nicht antworten zu können, ward ich veranlasst zu einem offenen Brief:

Sehr geehrter Herr* (…).

Persönlich kenne ich Sie nicht. Unsere Wege haben sich im realen Leben nie gekreuzt, vermutlich werden sich unsere Wege auch weiterhin im realen Leben nie kreuzen. Das gar nicht so sehr, weil wir zu weit entfernt voneinander wohnen. Sie scheinen in Berlin zu wohnen, ich im Ruhrgebiet. Das ist nun wirklich nicht so weit. Noch dazu, weil ich das Privileg genieße, finanziell und sozial die Mittel und Möglichkeiten zu haben, meinen unmittelbaren Lebensraum hin und ab zu verlassen und in andere Städte zu fahren. Ich bin doch regelmäßig in Berlin. Dennoch, unsere Kreise, in denen wir ¬ (Sie und ich) uns bewegen, diese tangieren sich im realen Leben nicht; da machen wir uns mal nichts vor.
Anders verhält es sich im Social Network des World Wide Web. Auch hier bewegen Sie und ich uns jeweils gewiss nur auf einem winzig kleinen Gebiet. Doch hier scheinen wir uns begegnen zu müssen. Beide scheinen wir die Facebook-Präsenz der Vereinigung (…) zu verfolgen. Es ist mir nicht bekannt, wie fleißig und regelmäßig Sie der Sache nachgehen; möglich auch, dass Sie letztens deren Chronik zum ersten Mal durchlasen oder aus irgendeinem Grund auf nur gerade den einen Post stießen, den ich besonders verfolgte; so sehr, dass ich insgesamt zwei Kommentare bezüglich zwei anderer Kommentare in diesem Sachverhalt hinterließ. Jedenfalls, ich hinterließ eine Spur und sie erblickten diese. Meine Spur schien Sie angeregt zu haben, vielleicht gar erregt. Denn Sie sahen sich genötigt bzw. veranlasst, mir Ihr Beileid auszudrücken.

Sie schrieben mir über die Facebook-Funktion „Privatnachricht“ eine Mitteilung. Da wir über Facebook ebenfalls nicht in Verbindung stehen, sprich nicht „befreundet“ sind, rutschte Ihre Nachricht in das Postfach „Sonstiges“. Ich sah Ihre Nachricht dementsprechend erst einige Tage nach Ihrem Absenden. Antworte hiermit aber unmittelbar.

Bedauerlicherweise taten Sie daran, Ihre Profil-Einstellungen nach Absenden Ihres Beileids, dahingehend zu ändern, dass ich Ihnen auf Ihre Nachricht nicht antworten kann. Genauso bemühten Sie sich darum, einzustellen, dass der Einblick Ihres Profils über mein Profil verwehrt ist. Sie wollen, wenn ich die Einschränkungen richtig verstehe, gar nicht mit mir ins Gespräch oder in den Dialog treten. Sie wollten mir lediglich etwas mitteilen und mich damit dann einfach stehenlassen. Gewiss, meine Interpretation geht noch weiter. Sie drücken mir gar kein Mitleid aus, dass Sie mich oder etwas an mir oder etwas an mir fehlendes bedauern. Ihr an mich gerichtetes Beileid gründet sich gar nicht auf Empathie. Es ist wohl eher ein Ausdruck von Beleidigung oder Vorwurf oder Unmut. Vielleicht sogar ein Ausdruck, der sich vielmehr auf sie selbst richtet. Ein Ausdruck dessen, dass Sie nicht in der Lage sind, auf Reaktion Ihres Handels reagieren zu können. Vielleicht macht es Sie unsicher oder gar ängstigt es Sie, wenn Sie zuhören, zusehen, erleben müssten, wie auf Ihr Handeln reagiert wird. Sie wüssten ja womöglich nicht, welche der vielen möglichen Reaktionen auf Sie dann zukäme. Sie kennen mich ja faktisch kaum und können so wenig einschätzen, wozu ich imstande bin oder wie ich am ehesten reagieren werde. Womöglich ahnen oder wissen oder vermuten Sie, dass Sie einigen dieser Möglichkeiten nicht standhalten oder nicht lange standhalten werden können. Vielleicht ahnen oder wissen oder vermuten Sie, dass Sie mit Ihrem an mich gerichteten Handeln etwas nicht so Nettes getan haben; und wollen mir den Weg erschweren, Ihnen mitzuteilen, dass ich es als unfreundlich erachte, was sie mir da taten. Und haben deswegen, den direkten Kanal von Ihrem Profil zu meinem Profil gekappt. Mist aber auch, was mach ich denn jetzt nur?

Sie armes Wesen, schrieben Sie mir.

Vielleicht tue ich Ihnen ja unrecht und halte Sie für unreflektierter als Sie tatsächlich sind. Doch Sie lassen mir ja doch nur, was Sie mir schrieben. Ich kann Sie bisher nicht besser kennen- und verstehen lernen. Das verwehren Sie mir derzeit. Aber ich kann Ihnen dafür aber etwas über mich sagen.
Ich weise Sie freundlich darauf hin: Ich bin eine Person. Eine Staatsbürgerin zweier Länder mit uneingeschränktem Wahlrecht. Ich habe Stimmrecht, ich bin vertragsmündig, meine Würde ist unantastbar. Ich bin ein Mensch. Kein Wesen. Ich bin weder transzendent, noch eine Ausgeburt Ihrer oder sonst jemandes Phantasie. Ich bin nicht diffus oder indifferent. Ich bin ein Mensch, ich bin eine Person. Ich bin nicht arm. Ich bin reich an Kompetenz und Fähigkeiten. Ich bin reich an Erfahrung und Lebensglück. Ich erwarte von Ihnen wie von jeder anderen Person, die mit mir oder anderen Personen in direkte oder indirekte Beziehung tritt, das Höchstmaß an Respekt und respektvollem Umgang. Das Maß dessen ist im mindestens orientiert an dem Kant‘schen Imperativ.

Was heißt das für Sie jetzt im Falle mit mir konkret?

Sehen Sie von einseitigem Ansprechen ab, lassen Sie zu, dass man Ihnen auf Augenhöhe begegnen kann. Begegnen Sie mir auf Augenhöhe. Wenn Sie in Kontakt mit mir treten, wenn Sie mir etwas zu sagen haben – gleichwohl, was es ist –, so treten Sie mit mir in den Dialog. Bemühen Sie sich darum, Ihr Rückgrat derart zu stabilisieren, dass Sie aufregende Situationen im Gespräch aushalten können. Dabei dürfen Sie auch mal aufbrausend sein, Schwäche zeigen und auch zurückrudern oder sich entschuldigen. Sie dürfen dabei Ihre Ansicht jederzeit ändern. Das steht Ihnen wie jeder anderen Person selbstverständlich zu.

Es grüßt Sie (…).

Facebookby feather

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