von Feminismus im Pott
Melanie Trommer ist Feministin, Mutter, Aktivistin, Genderreferentin und Bloggerin. Sie wohnt in Köln und im Internet, dort findet man sie unter dem Namen glücklich scheitern.
Wie kam es zum Projekt #konsenskarneval und welche Grundgedanken stecken dahinter?
Die Idee kam zuerst, als ich bei einem Stammtisch mit anderen Feministinnen zusammen saß. Ja, viele dieser Feministinnen waren und sind leidenschaftliche Karnevalsfans. So ist das hier in Köln. Karneval ist einfach toll! Aber ja, Sexismus und sexualisierte Gewalt ist auch an Karneval nichts Neues. Präventionskampagnen setzen – wie so oft bei dem Thema – bei den Betroffenen an: Mädchen und Frauen wird geraten nicht alleine auszugehen, keine Getränke von Fremden anzunehmen, keinen Alkohol zu trinken, keine allzu sexy Kostüme anzuziehen und so weiter. Wir fanden, dass das nur gut gemeintes Victim Blaming ist. Denn der Umkehrschluss wäre ja: Wirst Du tatsächlich begrapscht oder vergewaltigt lag es an Dir – das Dekolletee zu freizügig, der Alkoholpegel zu hoch – und drängt damit Betroffene in eine unschöne Situation – ihnen wird ein aktiver Anteil am Geschehen unterstellt. Die Scham ist grade dann groß, sich Hilfe und Unterstützung zu suchen.
Wir wollten, dass der Fokus endlich auf die Typen gelegt wird: Sie sind es, die mit dem Alkohol vorsichtiger sein sollten und an deren Anstand appelliert werden sollte.
Das war der Gedanke unserer Aktion: Frauen sollten unbeschwert Karneval feiern können, in dem Wissen, dass sich alle gut benehmen würden
Gab es nach den Übergriffen in Köln im letzten Jahr ein größeres Interesse am Projekt?
Ja. Spannenderweise hauptsächlich aus dem Ausland. Ich hatte Anfragen aus Kanada, England und der Schweiz. Lokaljournalismus? Fehlanzeige. Bei den Anfragen war natürlich auch immer Thema, ob die erhöhte Anzahl zugezogener Refugees ein Problem sei. Dabei ist Sexismus im Karneval kein Phänomen, dass erst seit der letzten Flüchtlingswelle besteht. Es ist ein altbekanntes Phänomen an Karneval.
Wie würdest du argumentativ dagegen halten, wenn eine Person findet, dass diese „feucht-fröhliche Stimmung“ a.k.a. übergriffige Stimmung zum Karneval dazu gehört?
Erst mal ist feuchtfröhlich nicht gleich übergriffig. Ich bin ja noch nicht so lange vom Karnevalsfieber gepackt. Aber es hätte mich nicht gepackt, wenn die übergriffe Stimmung „dazu“ gehören würde. Karneval ist ein buntes, fröhliches Fest mit sehr unterschiedlichen Ebenen: Es gibt die traditionsreichen Karnevalsvereine, es gibt die Schul- und Veedelszüge bei denen nahezu jede_r mitmachen kann vom Baby bis zur Rentnerin. Es gibt den „Anti-„Karneval mit seinem satirisch-politischen Anspruch wie auf der Stunksitzung oder dem Geisterzug. Kurz: Der Karneval hat für jede_n was hier in Köln. Aber ja: Der Straßenkarneval ist auch eine Massenveranstaltung. Ich weiß nicht, wie viele Tourist_innen in der Woche erwartet werden, mehrere 100000? Und definitiv gibt es immer wieder Menschen, die die ausgelassene Stimmung ausnutzen oder sich damit entschuldigen, bei all der Feierei und dem Alkohol ihre Selbstbeherrschung zu verlieren.
Du als Vollblutkarnevalistin und Feministin: wie hältst du die nächste Zeit aus? Trägst du die feministische Brille auch beim Feiern?
Hahaaa, hätte mir jemand vor wenigen Jahren gesagt, dass ich mal Vollblutkarnevalistin werde hätte ich gelacht. Das spricht schon mal für den Karneval. Persönlich hab ich nur gute Erfahrungen gemacht, aber wer schon jahrelang feiert kann auch ganz andere Geschichten erzählen. Ich werde zweimal in Kneipen feiern, letztes Jahr war das sehr harmonisch und toll. Das sag ich, obwohl ich sonst nicht so auf Körperkontakt und Schunkelei stehe, aber ach, die Musik! die Leute. Ja äh, das artet grad etwas in Lobpudelei aus, aber was soll ich machen?