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Clit Clit Hurra! Zehn Jahre Mösen Monat März – ein Interview mit Laura Méritt

Clit Clit Hurra! Zehn Jahre Mösen Monat März – ein Interview mit Laura Méritt published on Keine Kommentare zu Clit Clit Hurra! Zehn Jahre Mösen Monat März – ein Interview mit Laura Méritt

von Lexi Heinrich

Foto: Verena Reygers

Zwei Tage vor der Eröffnung der Ausstellung Clitoral Rising, in der sexpositive Projekte aus 10 Jahren Mösen Monat März ausgestellt werden, ist die Sexpertin und Aktivistin Dr. Laura Meritt ziemlich erkältet, aber deshalb nicht weniger gut gelaunt als gewohnt. Die Gründerin des ältesten feministischen Sexshops Europas Sexclusivitäten und Initiatorin des PorYes – Feminist Porn Award Europe spricht mit mir über den Aktionsmonat und sexpositiven Feminismus.

Laura, herzlichen Glückwunsch zu 10 Jahren Mösen Monat März (MöMo). Warum hast du 2007 diesen Aktionsmonat ins Leben gerufen?

Ich habe mir immer angeschaut, was es im Frauenmonat März für tolle Veranstaltungen gibt und hatte das Gefühl, dass vor allem der Sex fehlt (lacht) und das habe ich dann geändert. Abgesehen davon wird sowieso viel zu wenig über Sexualität in der Öffentlichkeit geredet oder geschrieben, zumindest in einer gehaltvollen oder lustvollen Art. Hinzu kam, dass die Sammlung des New Yorker MOMA in Berlin zu Gast war und täglich viele Menschen anstanden, um diese Kunst-Ausstellung zu sehen. Da dachten wir uns: Das wollen wir auch, und haben kurzerhand den MöMo erfunden. Weibliche* Sexualität ist ja auch wie ein Museum, wo wir noch viel Ausgrabungsarbeit betreiben dürfen, um wirklich alles ans Licht zu holen. Im Mösen Monat März gibt es in diesem Sinne in jedem Jahr eine große Werkschau von Klassikerinnen und neuen klitoralen Wahrheiten.

 

Hat sich der MöMo in den letzten 10 Jahren verändert oder sind die Themen gleich geblieben?

Es gibt Dauerbrennerinnen wie die politische Anatomie und die Workshops zur weiblichen* Ejakulation oder zur Mösenmassage, darüber wissen einfach nach wie vor die allerwenigsten Bescheid. Zusätzlich setzen wir jedes Mal neue Schwerpunkte. Im ersten Jahr haben wir noch viel durch Kunst aufgeklärt: Wir hatten eine Fotostrecke zur weiblichen Ejakulation, ein Vulvakissenmobile, einen Austernvorhang. Hinter einem Vorhang hangen sehr explizite Mösen-Bilder von der weiblichen Prostata, auf denen wir diese (die Prostata) nach außen gedrückt haben, sie also gut sichtbar wurde. Den Vorhang mussten wir aufhängen, da viele Gästinnen* gesagt haben: „Das ist mir zu viel, wenn ich hier rein komme und gleich auf solch ein Bild stoße.“ Wir wundern uns dann immer, nehmen Rücksicht und klären noch mehr auf. Aber genau wegen dieser Reaktion von Frauen* auf Teile ihres eigenen Körpers: „Uhhh, so genau will ich es gar nicht wissen“ haben wir weitergemacht und setzen genau dort an, mit Aufklärungsmaterial, Kunstbeiträgen, Filmen, Inputs und Workshops. Und in diesem Jahr wollten wir einfach nach 10 Jahren schauen, was sich alles entwickelt hat. Ich habe festgestellt, dass es mittlerweile viele Gruppe, Initiativen und Personen gibt, die sich mit weiblicher* Sexualität freudvoll, kreativ und sexpositiv beschäftigen und es hat viel Spaß gemacht, hier einiges für den Aktionsmonat zusammenzutragen.

Das Ergebnis können wir in der Ausstellung sehen. Zusätzlich gibt es Workshops zu weiblicher Ejakulation, Mösenmassage und das Programm jeden Freitag im Freudensalon?

Genau! So ist es in jedem Jahr und dazu setzen wir verschiedene Schwerpunkte. Wir hatten beispielsweise in einem Jahr den Schwerpunkt Polen, wo wir uns angeschaut haben, wie die sexpositiven Feministinnen* dort arbeiten. Dafür haben wir Iwona Demko und ihre tollen Puppen eingeladen und gelernt: Dort geht die Aufklärung nur über Kunst, anders ist das nicht möglich. Das war spannend. Oder in einem anderen Jahr haben wir Ergebnisse der Pussy Profile *(Anmerkung: eine dauerhafte Befragung des Freundflussnetzwerks über die Vielfältigkeit der Pussy)* genommen und geschaut, welche wundervolle Vielfalt es rund um die Form der Vulva gibt. Das haben wir in der Zeit gemacht als die Intimbereich-Schönheitsoperationen in den Medien so gepusht wurden, mit beispielsweise Labienanpassung und vielen anderen unschönen Sachen. In einem anderen Jahr haben wir die Worte gesammelt, die es für Klitoris gibt. Wir laden regelmäßig Aktivistinnen* ein, die auch Performerinnen* sind. Einmal hatten wir Jess Dobkin aus Kanada zu Gast, die in ihrer Möse Stifte angespitzt hat. Das Ganze hat hinter einem Vorhang stattgefunden, hinter den die ahnungslosen Gästinnen* mit Stiften geschickt wurden und sehr verschmitzt wieder hervor kamen. In ihrer Performance ging es um das Spiel mit dem Bild der Vagina Dentata. Uns ist es wichtig, dass alle mit Spaß und Lust passiert.

Nun arbeitest du ja, gemeinsam mit deinem Freudenfluss-Netzwerk, unentwegt an der sexpositiven und feministischen pleasure education und das nicht nur im Mösen Monat März. Trotzdem bleiben Themen wie die weibliche Ejakulation und die Mösenmassage nachgefragte Dauerbrennerinnen, wie du sagst. Wie schätzt du die sexpositive Bewegung ein? Was wurde in den letzten 10 Jahren erreicht und was vielleicht auch nicht?

Ich finde die Formulierung clitoral awareness ziemlich klasse, um zu beschreiben, was jetzt so langsam angekommen ist: Es besteht inzwischen ein Bewusstsein darüber, dass es mehr gibt, als Fortpflanzung und heteronormative Lust. Ich sehe, auch bei unseren Gästinnen* jeden Freitag im Freundensalon, dass ein Bewusstsein darüber entsteht, dass weibliche* Lust viel komplexer ist, als im Allgemeinen vermittelt und zugelassen wird. Und ich beobachte, dass bei vielen Menschen die Neugierde da ist, hier genauer zu forschen und mehr zu erfahren. Das sehe ich auch ganz klar bei den Anfragen für private Stunden und Workshops. Frauen* melden sich mittlerweile und sagen: „Ich weiß zu wenig, kannst du mir bitte einfach Mal eine Stunde geben“. Hier arbeite ich dann wirklich im Sinne der Aufklärung und ich finde es wunderbar, dass immer mehr Frauen* es sich selbst gönnen, mehr über ihrer Sexualität heraus zu finden. Das Bewusst-Sein ist in den letzten 10 Jahren sehr gewachsen. Die andere Frage geht natürlich über das Persönliche hinaus: Wie komme wir in die sexistischen Strukturen und düsteren Ecken? Und daran arbeiten wir als sexpositive Bewegung. Ich verfolge mit großer Freude die Entwicklung von positiven Worten wie fat positivity, periode positivity oder body positivity. Das gibt mir das Gefühl, die Bewegung differenziert sich weiter aus.

Was wünschst du dir für den diesjährigen Mösen Monat März?

Dass es fotzt!

Es gibt ja durchaus eine Kritik daran, sich im sexpositiven Feminismus so stark auf Genitalien zu beziehen, also auch eine genitale Sprache zu nutzen mit Slogans wie „Viva La Vulva“, „Vulvinchen“, „Clit Clit Hurra“, weil dies zu verschiedenen Ausschlüssen, vor allem von Trans-Personen, führen kann. Beispielsweise Menschen, die sich mit sexpositivem Feminismus verbunden fühlen, aber keine Klitoris mitbringen. Wie geht Sexclusivitäten mit diesem Spannungsfeld um?

Wir haben uns am letzten Wochenende bei Sexclusivitäten in der Ausbildung zur sexpositiven Referent_in* mit der Geschichte des sexpositiven Feminismus beschäftigt, die ja weiter zurück geht als 40 Jahre. Sexpo-Feminismus gibt es seitdem es Feminismus gibt. Ich finde es solidarisch, wenn wir uns gegenseitig darin bekräftigen, positive Wörter und Formulierungen für unsere Körper zu finden, die unbedingt unterschiedlich sein dürfen. Und wenn wir jetzt die Klitoris betonen, dann ist das etwas, was Jahrhunderte lang verboten war und unterdrückt wurde. Insofern ist die Möglichkeit, die Sexualität zu entdecken, noch so neu, dass wir gerade in dem Stadium sind, das zu feiern, mit Hilfe einer festiven, positiven und gern auch verspielten Sprache. Das ist immer offen für neue Vorschläge und wir sind auf der Suche, nach guten gemeinsamen Strategien. Gerade der sexpositive Feminismus steht nicht dafür, zu behaupten: So oder so muss etwas gemacht werden, sondern für eine Vielfalt, in der Sprache wie überall sonst. Aktuell finde ich es sehr erfrischend zu sehen, wie Frauen* damit beginnen, positiv und kreativ mit ihrer Sexualität umzugehen. Schön wäre, wenn wir gemeinsame Wege finden, sexuelle Vielfalt zu feiern. Wir haben uns erst ein kleines Stück aus der absoluten Marginalisierung der Pussy herausgekämpft, da gibt es noch viel zu tun. Eine positive Sprache ist eine unserer Strategien mit der es überhaupt erst so weit gekommen ist. An den Aktionen, Workshops, Veranstaltungen von Sexclusivitäten und des Freudenflussnetzwerks, also auch dem Mösen Monat März, nehmen traditionell Frauen* mit vielfältigen Körpern und sexuellen Identitäten teil und das ist auch gut so.

Gibt es ein Highlight in den nächsten vier Wochen auf das du dich am meisten freust?

Ich freue mich, dass wir so viele Clips von verschiedenen Künstlerinnen* zeigen können. Film ist natürlich auch das Medium der heutigen Zeit und viel mehr Frauen* und Aktivistinnen* produzieren selbst. Ich bin gespannt darauf, denn ich habe selbst noch nicht alle Clips gesehen.

Na dann viel Spaß beim Aktionsmonat, Laura und danke für das Gespräch.

Wer jetzt Lust auf einen Wochenendausflug nach Berlin bekommen hat, findet hier das gesamte Programm des Mösen Monat März 2017!

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