Von Johanna Ziemes
Poetry Slam soll ein Wettkampf der Dichter*innen sein, in der Menschen die Gelegenheit haben kurze Texte mit dem Publikum zu teilen. Hier präsentieren Menschen dem Publikum gesprochene Kunst, die sich häufig auch auf die Verarbeitung der persönlichen Erfahrungen der Künstler*innen mit der Gesellschaft bezieht. Poetry Slam kann ein starkes Mittel sein, um Menschen einander näher zu bringen, indem Slammer*innen ihre Erfahrungen, Phantasien und Ideen in Geschichten und Lyrik verwandeln und teilen. Gerade ungewöhnliche und oft tabuisierte Themen haben hier Raum, um von einem Publikum aufgenommen zu werden. Doch leider sieht man Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund und anderen Diskriminierungserfahrungen viel seltener auf den Slam-Bühnen des Landes und der Welt als weiße cis Männer.
Wie vielleicht viele andere auch, hatte ich eine meiner ersten Slam-Erfahrungen über YouTube mit Julia Engelmann gemacht, die deutschlandweit zu den bekannten Slammerinnen gehört (zumindest in meiner Welt). Leider ist die Slamszene trotzdem von Mackern durchsetzt, die auch gerne mal alte Stereotype auf die Bühne bringen, statt sie in Frage zu stellen, bis hin zu offen vorgetragenen Gewaltphantasien über Ex-Freudinnen. An vielen Abenden stehen keine oder nur eine Frau auf der Bühne, die dann gerne mal mit Julia Engelmann verwechselt werden, als wäre diese die einzige Slammerin (Spoiler-Alarm: Ist sie nicht).
Die Unterrepräsentation von Frauen auf diesen Bühnen deutet einmal auf Probleme hin und dann ist Unterrepräsentation selbst ein Problem. Slammen geht nur, wenn mensch das Gefühl hat, etwas sagen zu können, das andere Menschen hören möchten und gerade Frauen werden deutlich weniger ermutigt, Raum einzunehmen, Reden zu halten oder Kunst zu betreiben. Lustige Texte spielen eine große Rolle in der Beliebtheit von Texten und Vortragenden und leider werden Frauen immer noch zu oft für nicht lustig gehalten. Ein Problem ist es, weil Poetry Slams selbst eine großartige Möglichkeit sind, sich selbst zu behaupten, sich als Künstler*in zu erfahren. Und für das Publikum ist es eine Möglichkeit von Erfahrungen unterschiedlicher Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen zu hören und zu lernen, welche Erfahrungen andere Menschen in der Gesellschaft gemacht haben und machen.
Daher ist es besonders wichtig Menschen zu unterstützen, denen beigebracht wird, dass ihre Stimme weniger wert ist. Ihre (Eure!) Stimmen sind wichtig und sollten gehört werden. Deswegen bin ich begeistert wenn Slam-Veranstaltungen explizit auf ihre Frauenquote achten. Dieses Jahr war ich bei zwei Slams, die sich das auf die Fahne geschrieben haben. Einmal den FLTI*-zentrierten Slam der Lila Lautstark Aktion und dem Xx Slam in der Heldenbar.
Der FLTI*-Slam war ein großartiger Erfolg mit einer beeindruckend talentierten Truppe ohne cis Männer. Die Texte waren kritisch gegenüber Diskriminierung, Hass und Herrschaft und das Publikum war berührt und beeindruckt von dem Talent der Auftretenden. Die Veranstaltung in der Heldenbar war hingegen problematisch. Einige Slammerinnen haben kurzfristig abgesagt und anstatt mit den übriggebliebenen Slammerinnen eine Lösung zu finden, wurden stattdessen einige Männer kurzfristig angefragt um den Abend zu ergänzen. Das war für die Slammerinnen, die sich auf einen reinen Frauenslam eingestellt haben, eine herbe Enttäuschung und wurde bissig ironisch kommentiert. Inklusive Moderatoren waren an diesem Frauenabend nur sechs von elf Personen auf der Bühne keine Männer.
Hier zeigt sich, dass pro-feministische Aktionen deutlich besser gelingen, wenn dezidiert feministisch arbeitende Menschen in Planung und Durchführung eingebunden sind. Es ist großartig, wenn Männer sich dazu entscheiden, sich mit Frauen gegen Sexismus in der Gesellschaft zu solidarisieren. Änderungen hervorbringen ist jedoch oftmals erfolgreicher, wenn Frauen und andere marginalisierte Personen dann auch in die Organisation mit eingebunden (und gleich bezahlt) werden.
Es ist wichtig, den Spagat zu schaffen, gute Unternehmungen zu unterstützen, auch wenn sie noch problematisch sind und gleichzeitig kritisch zu bleiben und auf die Fehler hinzuweisen. Und jede von uns kann auch wieder ganz konkrete Dinge tun, um die Slammer*innenszene etwas inklusiver zu gestalten:
- Unterstützt Slammer*innen
Besucht insbesondere Slams mit vielen Frauen und Minderheiten. Wenn bei einem Slam nur cis Männer sind, sprecht oder schreibt den Veranstalter*innen und Organisator*innen. - Klatscht nicht für Macker-Geschichten und Diskriminierung.
Bleibt kritisch bei den Texten die ihr hört! Sexismus und andere –ismen sind scheiße, auch wenn sie sich in Kunst und „Humor“ kleiden. Sexuelle Gewalt und Rachephantasien an Frauen und anderen marginalisierten Personen sind juristisch vielleicht erlaubt, menschlich aber einfach scheiße. - Unterstützt bestehende Organisationen
Es gibt bereits Organisationen, die Frauenstimmen fördern möchten (z.B. die Slam Alphas). Unterstützt eure lokalen feministischen Aktionen, bietet eure Hilfe an, verbreitet Wissen. Lest Blogs und verbreitet Beiträge. Sorgt dafür, dass gerade Künstlerinnen für Workshops bezahlt werden, wenn ihr in der Position seid, sie einzuladen. - Bildet Banden!
Bildet eigene kleine Gruppen, in denen ihr euch mit euren Texten wohlfühlt. Lest sie vielleicht erst euch selbst oder eurer verständnisvollen Katze vor. Erweitert euer Publikum langsam mit Leuten, bei denen ihr euch sicher fühlt. Macht, was euch Mut und Kraft gibt, um eure Geschichten zu erzählen. Wir wollen sie hören. - Denkt intersektional
Nicht nur weiße cis Frauen, die Geschichten aus dem Hörsaal erzählen, sollten ermutigt werden, auf der Bühne zu stehen und Erfahrungen zu teilen. Unterstützt ohne paternalistisches, unangemessenes Drängen Menschen, die aufgrund anderer Merkmale diskriminiert werden als ihr!
Die Bilder im Beitrag wurden uns freundlicherweise von den Slam Alphas zur Verfügung gestellt.