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Bis zum bitteren Ende – über Einvernehmlichkeit und Grenzen, Angst und Ekel

Bis zum bitteren Ende – über Einvernehmlichkeit und Grenzen, Angst und Ekel published on 1 Kommentar zu Bis zum bitteren Ende – über Einvernehmlichkeit und Grenzen, Angst und Ekel

Von Sonja

„Habt ihr eurem*eurer Partner*in schon mal eine (erfundene) Ausrede aufgetischt um nicht mit ihr*ihm Sex haben zu müssen?“ – Gemütlicher Abend mit meinen Gurrrls, Wein, Pasta-Frutta und einer Runde des grandiosen Spiels ‚Ich hab noch nie‘, was von uns fünf Sozistudentinnen gerne auch genutzt wird, um grundlegende Meinungen und Erfahrungen in Sachen Sex, Liebe und Beziehungen auszudiskutieren. – Während meine Ladies also belustigt verneinen und grübeln, wieso Menschen nicht offen sagen, wenn sie mal keine Laune auf Sex haben, werde ich immer ruhiger…

Es war meine erste intensive Beziehung. Vier Jahre mit einem unglaublich lauten und selbstbewussten Menschen, der meine Identität, meine Meinung und gleichzeitig meinen Selbstwert dauerhaft gegen Null hielt. Zu wenig Platz für die Vans tragende kleine Rebellin in seiner Tommy Hilfiger-Welt. Ich glaube, dass wir beide relativ schnell merkten, dass wir nicht so wirklich perfekt war’n füreinander – sowohl menschlich als auch rein körperlich.

Von Anfang an hatte ich Schmerzen beim Sex. Erst dachte ich, dass es an meiner Unerfahrenheit läge gefolgt von dem Gedanken, dass ich zu eng sei, er zu breit, ich zu trocken, er zu ruppig, ich angespannt oder vielleicht asexuell? Also entschied ich mich nach einer Weile, lieber nur noch Sex mit mir zu haben (wobei ich im Nachhinein auch besser geblieben wäre). Da mir Küsse oder andere liebevolle Gesten und Zärtlichkeit von ihm im Laufe der Monate und dann auch Jahre leider verwehrt blieben, entwickelte sich unsere Beziehung langsam aber sicher zu einer Art geschwisterlichem Verhältnis. Mit jedem weiteren Tag Schlunzklamotten, Pizza bestellen und ziemlich einseitiger Diskussionen über den Tatort oder Wer wird Millionär, schlugen meine Trennungsalarmglocken lauter. Spätestens nachdem er mir einige Wochen später gestand, dass er fremdgevögelt hat, hätten wir beide erkennen müssen, dass wir einfach nur aus Angst und nicht aus Liebe zueinander keinen Schlussstrich zogen.
Ich verzieh ihm jedoch und wir langweilten uns weiter im Kreis. Ich war nicht bereit, loszulassen und da ich nicht wollte, dass er mich nochmal betrügt, machte ich die Beine breit. Zwar nur hin und wieder – ich konnte ja eben auch nicht jeden Tag sagen, dass ich nicht kann oder will, Schmerzen habe oder sonstiges. Also hatte er Sex mit mir bzw. mit meinem Körper. In diesen Momenten waren mein Körper und ich uns so fremd wie noch nie zuvor. Es ging so weit, dass ich still weinte während ich ihn machen ließ (ich frage mich bis heute, wie er das nicht merken oder ignorieren konnte) und ich, nachdem er gekommen war und sich zufrieden seiner Facebooktimeline zuwandte, zur Toilette ging, um zu duschen, zu kotzen, zu weinen, mich zu verletzen und einfach alleine zu sein mit meiner Wut, meinem Hass und der Enttäuschung gegenüber meinem Ekel und meiner Feigheit.

Während ich durch das Zartrosa auf den Boden meines Weinglases blicke, wird die Wut in mir größer und größer. Als ich dann von meinen Erlebnissen erzähle, landet der Kommentar ‚Aber das ist ja fast, wie sich selbst zu vergewaltigen‘ ziemlich fest und backpfeifenähnlich in meinem Gesicht.
Das klingt so hart und extrem und ich kann und will meine Erlebnisse absolut nicht gleichsetzen mit den Erlebnissen von Menschen, welche sexuelle Übergriffe oder Gewalt erfahren haben. Jedoch wird mir klar: noch immer, noch drei Jahre und mehrere Sexpartner*innen später, tut es weh und macht mir Angst. Noch immer habe ich Panik, dass der Sex mit einem Menschen, insbesondere mit einem Mann* für mich abstoßend sein könnte und ich es nicht unterbinden kann bzw. nicht aus der Situation fliehen kann. Manchmal empfinde ich Ekel, wenn ich mir vorstelle, einem Mann* körperlich nahe zu kommen, auch wenn ich den Menschen eigentlich total heiß und anziehend finde –- und das hasse ich. Vereinfacht gesagt – Penis bedeutet für mich Gefahr. (Ganz toll Sonja! Gut gemacht! Chapeau!)


Ich weiß nicht, wie viel positive Erfahrungen ich noch machen muss, um meine unguten Gefühle wieder zu verlieren. Vielleicht muss ich nur oft genug ’nein‘ sagen und merken, dass mir nichts “schlimmeres“ passieren kann als eben keinen Sex zu haben, wenn ich es eigentlich nicht will. Denn sind wir mal ehrlich… Tatort, Pizza und Solosex wären doch wirklich die bessere Wahl gewesen.
Es gibt so viele Gründe, weswegen ein Mensch keine Lust auf Sex haben kann. Entweder eure Partner*innen akzeptieren das und begehren euch weiterhin oder (ich lehne mich jetzt mal etwas weit aus dem Fenster) sie sind sowieso zu rücksichtslos und zu wenig in Liebe, um euch zu verdienen! Oder aber, und so war es bei mir, ihr selbst seid nicht mehr genug in Liebe mit der Person und solltet euch Gedanken machen, ob es euch beiden alleine nicht vielleicht sogar besser gehen würde/könnte. Begehrt, liebt und genießt den Sex mit wundervollen Menschen. Natürlich ist es nicht einmal so perfekt wie (was ich euch von Herzen wünsche) viele andere Male, aber überschreitet nie die Grenze des Ekels oder des Unbehagen. Seid ehrlich zu euren Partner*innen und ganz besonders zu euch selbst. Denn das habt ihr alle sowas von verdient – Wunderbaren, einvernehmlichen und vor allem respektvollen Sex! Und Pizza! ♥ (Den Tatort lasse ich hier weg da ich glaube, dass ich da eher wenige Menschen mit ansprechen kann – wünsch ich allen Tatortfans aber natürlich trotzdem aus tiefstem Herzen! :D)

Ganz viele Liebe an Euch

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