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Meine trans feministische Ikone im echten Leben – Sophie Labelle in Bochum

Meine trans feministische Ikone im echten Leben – Sophie Labelle in Bochum published on 3 Kommentare zu Meine trans feministische Ikone im echten Leben – Sophie Labelle in Bochum

Fee_ministisch

Sophie Labelle, die Autorin des Comics Assigned Male (1), welcher vor allem auf die fiktiven Geschichten eines trans Mädchens fokussiert, ist diesen Sommer und Herbst durch Europa getourt. Nach eigener Aussage hat sie hier in den letzten Monaten an über 100 Veranstaltungen mitgewirkt oder diese sogar ganz gestaltet. Mit ihren Comics richtet sie sich explizit an eine trans und nicht geschlechterkonforme (gender nonconforming) Leser*innenschaft. Der Comic ist allerdings auch bei vielen feministisch orientierten cis Leser*innen beliebt. Mit einem liebe- und humorvollen Blick begleitet sie die Figuren durch größere und kleinere Entwicklungskrisen. Dabei wachsen sie menschlich und haben auf die meisten dummen Sprüche von cis Menschen eine gute Erwiderung parat. Für mich waren und sind die Comics von Sophie Labelle wichtig, um einige meiner Erfahrungen besser zu verstehen, mit meiner eigenen Transsexualität besser zurecht zu kommen und eine positivere Einstellung zu diesem Teil von meiner selbst zu entwickeln. Daher war ich begeistert zu hören, dass sie nach Europa kommt und bei ihrer Tour auch das Ruhrgebiet im Ruhrgebiet Halt macht.

Comic von Sophie Labelle. Behandelt mehrere Stereotype Aussagen, mit denen trans Personen konfrontiert werden.
Comic von Sophie Labelle

Der Trans Day of Remembrance, der jedes Jahr am 20. November stattfindet, hat mich wieder nachdenklicher und trauriger gemacht. Ich habe mich gefragt, was in dieser Gesellschaft passieren muss, damit wir nicht um Jahrzehnte zurückgeworfen werden und die bitter erkämpften Fortschritte, wie Aufklärung in der Schule oder geschlechtsneutrale Einträge im Ausweis nicht wieder verlieren. Ich beschäftigte mich mit der Frage, wie man aus dem cisnormativen System aussteigende Menschen vor Gewalt schützen könnte. Vom Workshop, der vom  Fachschaftsrat Gender Studies der Uni Bochum organisiert und  von der TRIQ*-AG Dortmund co-finanziert wurde, habe ich mir neue Impulse für meine persönliche und politische Entwicklung erhofft.

Von Hatern und dem Umgang mit diesen

Sophie hielt bewusst keinen klassischen Vortrag. Sie versteht sich nicht mehr als Aufklärerin der cis-Community, sondern als Ermächtigerin der queeren Community. Ironisch legt sie dar, dass trans Personen immerhin selbst trans sind und daher nicht über trans sein aufgeklärt werden müssen. Daher ist das Ziel der Comics nicht die Aufklärung von trans Personen, sondern die Ermutigung. Belustigt erzählt sie von cis Leser*innen, die sich in den Kommentarspalten beschweren, wenn diese das Gefühl haben, nichts durch den Comic gelernt zu haben. Dies ist für sie auch ein Akt des Widerstands, da trans Personen oft in die Rolle der Erklärenden gedrängt werden.

Sie berichtet von den Anfängen ihres Projekts und wie Hater, Menschen die ihr mit Gewalt und Tod drohen, immer ungehemmter werden. Früher hätten sie noch anonyme Accounts erstellt, um sie zu bedrohen, heute tun sie es mit ihren Klarnamen und ihren Kindern mit im Profilbild. Sophie wirkt nicht eingeschüchtert, sondern berichtet, wie sie diese Kritik nutzbar macht und in ihren Comics verarbeitet. In ihren Comics geht es nicht um körperliche Gewalt und krasse Bedrohungen, wie Sophie sie erlebt, sondern um junge Menschen in einer einigermaßen friedlichen Welt, die Identitäten für sich erforschen und dabei Transitionsprozesse nicht offen diskutieren. Sie passieren einfach. Ihr Ziel ist es eben nicht aufzuklären, sondern eine Welt zu erschaffen, in der trans Personen sich wiederfinden.

 

Workshopinhalte

Sophie Labelle berichtet, was zu beachten ist, wenn Comics für soziale Medien geschaffen werden: Comics sollten vor allem auch außerhalb des Kontextes der Gesamtstory für sich stehend verständlich sein. Sie betont, dass Talent fürs Zeichnen von Comics nur bedingt nötig sei – viele berühmte Webcomics nutzen immerhin auch „nur“ Strichmännchen. Stattdessen sei die Art und Weise des Geschichtenerzählens besonders wichtig. Gemeinsam mit der Gruppe spricht sie über Diskriminierungserfahrungen oder Coming-Out Erfahrungen der Teilnehmenr*innen und wie diese in lustigen und ironischen Comics verarbeitet werden könnten.

Wohl zu fühlen scheint sich Sophie vor allem bei lustigen Anekdoten oder Geschichten, die sich leicht ironisieren lassen. Die Rolle einer politischen Wortführerin lehnt sie bewusst ab und gestaltet ihre Comics auch in den letzten Jahren immer weniger politisch. Auch beim Aufarbeiten von Geschichten aus der Gruppe konzentriert sie sich eher auf die Geschichten, die in sich schon viel Lustiges tragen. Sie tritt natürlich und ermutigend in Interaktion mit der Gruppe und wirkt aufrichtig interessiert an deren Wohlergehen. Zudem zeigt sich ihr großes Wissen über staatliche Regulationen in den verschiedenen Ländern. Sie stellt besonders den Prozess der Vornamensänderung in Deutschland als einen der komplexesten und bürokratischsten heraus.

 

Trans Aktivismus

Sophie berichtet wie wichtig das Gefühl der Zugehörigkeit für ihre Entwicklung war und wie sehr ihr daher die trans Gemeinschaft am Herzen liegt. Sie berichtet, dass gerade bei dem Halten von trans Frauen in der Community Sicherheitsaspekte von großer Relevanz sind. Sie kennt die gängigen feministischen und soziologischen Diskurse, hat aber mehr Freude daran, mit dem Publikum Spaß zu haben als die grauen Theorien wiederzukäuen. Ihr Wunsch für eine zukünftige Gesellschaft ist klar inklusiv: Transsein soll gefeiert werden und in der Gesellschaft sichtbar gelebt werden dürfen. Hier kommt sie nicht ganz raus aus der politischen Arbeit in einer Welt, in der die Sichtbarkeit von trans Menschen noch politisiert wird.

Poster erstellt von Sophie Labelle. Stellt ironisiert Gefahren des trans seins dar.
Comic von Sophie Labelle

Sie betont auch die Wichtigkeit von Offline-Arbeit und das subversive Potential von Zines, da es für Eltern zunehmend einfacher wird, das Verhalten ihrer Kinder in der digitalen Welt zu überprüfen, so dass diese sich eventuell nur analog einigermaßen frei über transbezogene Themen und Transitionsprozesse informieren können.

 

Mein Fazit

Zu Beginn der Veranstaltung hatte ich mir mehr politische und aktivistische Hinweise gewünscht, um dem Rechtsruck in Deutschland, Europa und den USA zu begegnen. Sicherlich zu viel verlangt. Doch das Wachsen und Lachen von trans Personen, insbesondere Frauen, ist manchmal schon selbst ein Akt des Widerstands. Ich habe einen spannenden Einblick in ihre Arbeit als Comiczeichnerin erhalten. Für mich konnte ich aber nur wenige Anstöße mitnehmen, selbst mit dem aktivistischen Comiczeichnen zu beginnen, auch, da wir während der Workshopphase nicht selbst gezeichnet haben. Dass wir im Workshop keine eigenen Comics entworfen haben, oder etwas anderes, das wir physisch mit nach Hause hätten nehmen konnten, finde ich nach wie vor schade.

Insgesamt war die Veranstaltung für mich trotzdem total schön. Trans Menschen mit anderen gemeinsam feiern zu können, fühlt sich einfach schon so unglaublich befreiend an. Ich konnte mein inneres Fangirl befriedigen und habe einige großartige Poster zur Verschönerung meiner Wohnung und der von Freund*innen gekauft. (Also doch noch etwas mit nach Hause genommen). Ich konnte einer Person begegnen, die mir für meine Entwicklung viel gegeben hat. Aber ein Fazit für mich ist auch, dass ich wieder mehr nach kleineren, unbekannteren und politischeren Zeichner*innen suchen möchte.

(1) Assigned Male: Englische Kurzform von: Bei der Geburt dem Geschlecht „männlich“ zugewiesen; Nutzbar um etwa um über verschiedene Erfahrungen von trans Biografien zu sprechen, ohne die Validität der trans Identität in Frage zu stellen

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