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Aktivismus in Zeiten von Corona: Maria González Leal

Aktivismus in Zeiten von Corona: Maria González Leal published on Keine Kommentare zu Aktivismus in Zeiten von Corona: Maria González Leal
Foto: Elif Kucuk

Schaut an euren Tisch, wer dort keinen Platz hat und fragt Euch, warum bestimmte Perspektiven in eurem Leben und in eurer politischen Arbeit fehlen.


Wer bist du und wofür engagierst du dich?

Mein Name ist Maria González Leal und ich positioniere mich als Schwarz of mixed race, fett, queer und ost-sozialisiert. Ich arbeite in der Antidiskriminierungsberatung mit den Schwerpunkten: Antirassismus, Gewichtsdiskriminierung, Intersektionaler Feminismus, Queerness, psychische Erkrankung als Behinderung, Chronische Erkrankung und vererbte Armut. In den sozialen Netzwerken wie Instagram mache ich mit dem Account BodyMary zu diesen Themen Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlage meiner Arbeit ist ein Intersektionaler Ansatz um verschiedene Diskriminierungsformen, Mehrfachdiskriminierungen und deren Verbindungen miteinander sichtbar zu machen. Ich wünsche mir nachhaltige Lösungsansätze mit Verbündeten zu konzipieren, um Gewaltstrukturen abzubauen.

Inwiefern hatte Corona Einfluss auf deine aktivistische Tätigkeit?
Der Einfluss von Corona auf meine aktivistische Tätigkeit war und ist massiv: Aufträge sind weggefallen und ein Großteil meiner Arbeit findet online statt. Der Nachteil fast ausschließlich
online zu arbeiten, bedeutet Menschen ausschließen zu müssen, die keinen Zugang zum Internet haben. Der Vorteil ist, ich kann Menschen ortsunabhängig erreichen. Ich bin Risikopatient_In und erschöpft vom ständigen Isolieren und keinen oder kaum Kontakt zu Menschen haben. Öffentliche Verkehrsmittel benutze ich fast nie, was eine riesige Kostenfrage ist. Zu der psychischen Herausforderung kommt die Physische: ich versuche jeden Arztbesuch zu vermeiden, jeden Gang zur Apotheke. Was für mich nicht das Beste ist, da ich regelmäßige zu Ärzten gehen muss. Die Zusammenarbeit mit anderen Menschen ist schwieriger geworden, da viele nicht gut zu erreichen sind, weil sie zwar Homeoffice machen, aber zeitgleich auch noch die Kinderbetreuung wuppen müssen, Angehörige versorgen oder Angehörige verloren haben. Die Arbeitsplanung ist eine andere und es ist noch weniger Zeit zu prozessieren, was alles in dieser Welt und in unserem Leben passiert.

Ich arbeite sehr intensiv zu dem Thema Gewichtsdiskriminierung. Als es am Anfang hieß, Menschen mit einem hohen Gewicht seien Risikopatient_innen, hat mich das entsetzt, denn diese Annahme ist nicht nur falsch, sondern wurde auch durch viele Mediziner widerlegt. Dennoch werden Menschen mit einem großen Körper bei der Triage nicht notversorgt, weil ihr Gewicht als Risiko eingestuft wurde. Der Bundestag hat letztes Jahr um Juni entschieden, dass Addipositas eine chronische Erkrankung ist. Dies bedeutet, dass eine Frau ab einem BMI von 25 eine chronische Erkrankung hat. BMI bedeutet das Gewicht im Verhältnis zur Körpergröße zu messen, ohne die Berücksichtigung anderer Vitalwerte. Meine Befürchtung ist, dass für den Fall, dass es zu Triage in Deutschland kommt, Menschen mit einem großen Körper leichter die Notversorgung untersagt werden kann. Diese Situation bedeutet für mich, noch mehr Aufklärungs- und Betroffenenarbeit leisten zu müssen. Und für mich privat bedeutet es Angst zu haben, dass ich im schlimmsten Fall keine medizinische Versorgung erhalte, weil die Ressourcen nur denjenigen zu Teil kommen sollen, bei denen die Behandlung den „besten“ Erfolg verspricht. Ausgeschlossen sind hierbei nicht nur Menschen mit großen Körpern, sondern auch: gehinderte Menschen, ältere Menschen und Menschen mit einer chronischen Erkrankung.

Die soziale Realität zeigt, dass wir diese Gruppe erweitern müssen, BIPoCs und Menschen, die von Armut und Wohnungslosigkeit betroffen sind. Wichtig ist mir hierbei, dass es nicht um Risikopatient_innen geht, sondern am fehlenden Willen in ein Gesundheitssystem zu investieren, dass alle Menschen nach ihren Bedürfnissen versorgt.
Unterm Strich brauche ich mehr Pausen, um das zu kompensieren, was in dieser Welt passiert.

Was können wir als Aktivist*innen tun, damit die Bewegung nicht stillsteht? Was brauchen wir als aktivistische Community, um handlungsfähig zu bleiben?
Immer wieder in den Kontakt mit Betroffenen gehen, fragen was sie brauchen und dies wenn möglich kommunizieren. Vor allem immer dann, wenn Betroffene nicht gehört werden. In die eigene Verantwortung gehen – jetzt noch mehr als früher – und für sich Sorge leisten. Wirklich in die Reflektionsarbeit gehen, was kann ich leisten und wann sind meine Reserven erschöpft. Lernen Nein zu sagen und wie kann ich meine Batterien wieder auftanken. Bildet Banden! Schaut an euren Tisch, wer dort keinen Platz hat und fragt Euch, warum bestimmte Perspektiven in eurem Leben und in eurer politischen Arbeit fehlen. Wir brauchen Planungssicherheit und Geld!

Welche message möchtest du den Menschen noch mitgeben?

Ich wünsche mir mehr Spaß und Freude im aktivistischen Handeln. Denn am Ende des Tages, sollten wir den Spaß und die Freude am eigenen Dasein zelebrieren. In einer Welt die ständig bemüht ist, ein Teil von uns zu verändern oder anzupassen oder auszulöschen, ist es ein radikaler Akt des Widerstandes und der Selbstbehauptung ja zu sich zu sagen und die eigenen Unterschiede zu feiern!
Erwartet keine unbezahlte aktivistische Arbeit. Aktivistische Arbeit ist die Gegenwehr aufgrund sozialer Ungerechtigkeiten und Gewalt, sie ist niemals „for free“, sie kostet uns alles!

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