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Cunt*ig – Die Organisator*innen im Interview

Cunt*ig – Die Organisator*innen im Interview published on Keine Kommentare zu Cunt*ig – Die Organisator*innen im Interview

Miriam Tomalla & Silvana Schmidt


Am 13. Mai findet in Dortmund ein queerfeministisches Fest im Nordpol statt. Cunt*ig – hinter diesem Namen steckt ein Organisationsteam, bestehend aus Manu, Sabrina, Johanna und Cathrin. Neben den Hauptorganisator*innen, die die Arbeit ehrenamtlich machen und sich u.a. um den Veranstaltungsort, das Konzept, das Einladen der Bands und die Werbung gekümmert haben, gibt es aber noch viele andere Unterstützer*innen, die hauptsächlich am Veranstaltungstag selbst helfend zur Hand gehen werden.
Für das Projekt wurde eine Kulturförderung beantragt: Unterstützt wird Cunt*ig durch die Stadt Dortmund, Dortmund.Mach.Lauter. und das Kulturbüro.

Und was erwartet euch bei Cunt*ig?
Der erste Teil besteht aus Basic-Workshops von FLTI* für FLTI*, mit den Schwerpunkten Bass, Drums und Lyrics. Abends findet dann ein Konzert im Nordpol statt; mit dabei sind Tiger Magic, Lily Havoc, Paste und Efa Supertramp.
Wir haben uns mit einigen der Organisator*innen getroffen, und sie zu diesem wunderbaren Konzept befragt.

Ist Cunt*ig das erste Festival dieser Art, das ihr gemeinsam plant?

Cathrin: Ja genau! Wir kannten uns alle schon vorher von privaten Veranstaltungen, die immer politisch waren. Wir haben immer über feministische Konzepte nachgedacht und schließlich beschlossen, uns zusammenzuschließen, um über ein paar Sachen organisierter zu sprechen. Wir hatten uns das auch zunächst anders gedacht und mit verschiedenen Ideen rumgespielt, letztendlich ist die Idee für Cunt*ig dabei entstanden!
Johanna: Mein erster Impuls war es, direkt ein Ladyfest zu veranstalten. Das ist aber schwierig, wenn man die Räumlichkeiten nicht zur Verfügung hat. Wir haben uns dann dazu entschlossen, erstmal klein anzufangen.

Wie lange habt ihr für die Planung gebraucht?

Manu: Wir haben direkt angefangen und haben die Kulturförderung beantragt. Es war über ein halbes Jahr Planung. Wir haben zwar alle Erfahrung, aber nicht in der jetzigen Konstellation und auch die Aufgaben rund um die Kulturförderung und das Einladen der Bands erforderte Einarbeitung. Sonst sind es immer DIY Events, die man eben schnell macht. So eine öffentlichkeitswirksame Aktion hatten wir bisher noch nie gemacht. Deshalb hat es alles sehr lange gedauert.
Cathrin: So richtig mit der Planung begonnen haben wir Ende August bzw. Anfang September.
Sabrina: Am Anfang haben wir gedacht, wir machen ein richtiges Festival. Da mussten wir auch erstmal schauen, wie und wo wir uns selber verorten.

Die Abendveranstaltung ist open for all genders. Warum sind die Workshops nur offen für FLTI*? Liegt das daran, dass ihr negative Erfahrungen gemacht habt in der Musikszene?

Sabrina: Ja, es ist uns aufgefallen, dass vor und auf der Bühne Frauen* unterrepräsentiert sind. In letzter Zeit wird jedoch mehr darauf geachtet. Es wird bei Punk-/ Hardcorefestivals geschaut, dass auch Frauen eingeladen werden. Nur gibt es da dann häufig das Problem, dass es nicht viele Frauen in der Szene gibt, die sich an die Art von Musik herantrauen, die die entsprechenden Instrumente spielen und Texte schreiben. Da wollen wir die Leute hinkriegen, dafür machen wir diese Workshops, um zu zeigen, dass es Spaß macht. Und damit nicht das passiert, was in gemischten Räumen häufig der Fall ist nämlich, dass Menschen sich zurückziehen.
Cathrin: Als ich 12 oder 13 Jahre alt war wollte ich unbedingt Schlagzeug spielen lernen, durfte es aber nicht von meinen Eltern aus. Solche Angebote wie unseres gab es damals nicht. Ich bin dann dahin gegangen, wo alle Musik gemacht haben. Das waren jedoch alles nur cis Typen und da hatte ich dann keine Lust drauf, immer die gleichen blöden Sprüche zu hören. Unser Festival soll da anders sein und einen geschützten Raum bieten.

Habt ihr in der Hardcore Szene gemerkt, dass viel Homo-und Transfeindlichkeit herrscht? Lässt sich das mit unterschiedlichen Generationen und dazugehörigen Einstellungen begründen?

Cathrin: Auf Generationen will ich es nicht abwälzen. Wir hatten uns da letztens in Bezug auf Altfeminist*innen drüber unterhalten und sind zu dem Schluss gekommen, dass das nicht sinnvoll ist, da einige Altfeminist*innen auch Wegbereiter*innen der “queer theory” sind.
Blöde Erfahrungen habe ich bei Konzerten auch schon gemacht. Da kamen Kommentare, z.B. “Kampflesbe” oder “Mannsweib”. Es kommt immer darauf an, wer diese Worte benutzt und da war es schnell ersichtlich, dass sie diese Begriffe nicht als eigene empowernde Begriffe sehen, sondern durchaus beleidigend. Auch kamen Sprüche wie „du musst doch nur mal wieder richtig durchgef**** werden“. Dinge, die man auf der Straße auch hört, kommen bei solchen Veranstaltungen leider vor. Es ist ein bisschen weniger als auf offener Straße. Dafür aber, dass es häufig ein Raum ist, in dem Menschen sich schon mit gewissen Thematiken auseinandergesetzt haben, trifft es eine*n dann nochmal umso härter.
Manu: Was ich erlebt habe ist, dass Frauen nicht ernst genommen werden, wenn sie Konzerte organisieren. Wenn ich Konzerte organisiere, werde ich nie gefragt, wo der Backstage sei, oder wo wer was bekommt. Alle gehen immer zu den männlichen Veranstaltern. Da fühle ich mich oft ignoriert. Wenn, dann muss ich mich extra in den Mittelpunkt stellen und die Leute darauf aufmerksam machen, dass wenn was ist, sie zu mir kommen können. Ganz viele Bands entschuldigen sich dann auch und es wird klar, dass es einfach noch nicht in den Köpfen drin ist. Das wollen wir mit dem Festival aufbrechen, sodass FLTI* wahrgenommen werden.
Sabrina: Ich würde es gar nicht so negativ sehen. In der Hardcore- und Punkszene habe ich erlebt, dass eine gewisse Sensibilisierung für gewisse Themen vorherrscht. Ich glaube nicht, dass das voraussetzt, dass es keine Homofeindlichkeit mehr gibt. Ich erlebe diese Räume aber als offen. Die Generationsfrage finde ich gar nicht so absurd, wenn man an den Ursprung der Hardcoreszene denkt und es an dem entsprechenden zeithistorischen Kontext abliest. Es waren Arbeiter, die in der Szene einen gewissen Raum hatten, um ihre Gefühle und Erlebnisse zu verarbeiten. Da können wir das nicht mehr mit den heutigen zeitgeschichtlichen Umständen vergleichen. Ich finde es wichtig, sich da nicht nur zu empören, sondern mit den Menschen in Kontakt zu treten. Die Verantwortung liegt da bei uns, etwas zu ändern. Aus der Sicht einer Musikerin ist es ähnlich zwiegespalten. Im Moment ist das Thema Feminismus sehr präsent und es wird darauf geachtet, dass immer irgendwo eine Frau dabei ist. Wir wurden als Band schon als female fronted angekündigt, was zu diskutieren ist. Es passieren aber auch blöde Sachen, es ist nicht so, dass ich mich auf der Bühne immer wohl fühle, wenn ich beispielsweise mal keine Lust habe, einen BH zu tragen.

 

Wie seid ihr auf den Namen des Festivals gekommen und inwiefern transportiert er eure Inhalte in angemessener Form[i]?

Manu: Wir haben lange gesucht und es ist immer schwierig einen Namen zu finden, der prägnant ist, keine Klischees erfüllt und uns allen gefällt. Wir haben in der Sonne gesessen, mit Worten gespielt und dann sind wir darauf gekommen.
Sabrina: Das Wort als Konzept hat uns sehr gut gefallen. Es heftet eine positive Konnotation an ein Wort, das negativ und als Schimpfwort besetzt ist.
Johanna: “Cuntig” hat auch Ähnlichkeit mit “kantig”, was wir mit “Anecken” verbinden.

Also seht ihr den Begriff als dekonstruierend und besetzt ihn neu?

Cathrin: Ich fand es am Anfang etwas schwierig. Dann hat mir Sabrina aber ein paar Argumente genannt, die mich mit ins Boot geholt haben. Egal wie Genitalien ausgeprägt sind und wie ich sie bezeichne, das ist ja jedem*jeder selbst überlassen.
Sabrina: Frauen werden als “Fotzen” oder “Cunt” bezeichnet. Wenn ich mich dieser Ausdrucksweise selbst ermächtige, dekonstruiere ich diesen Begriff, indem ich zum Beispiel einen queeren Tag darunter fasse. Mir schlägt sehr viel Abwehr entgegen bei dem Bewerben des Festivals im Moment, da sich Personen ausgeschlossen fühlen. Männliche Personen finden das nicht gut, dass sie nicht an den Workshops teilnehmen dürfen.
Manu: Es kommen häufig Rückfragen, ob es denn nun für alle Geschlechter offen ist.
Sabrina: Ich finde das toll. Damit reflektieren die Menschen sich vielleicht mal und wissen, wie sich das anfühlt, wenn man nicht genau weiß, ob man mit angesprochen ist oder nicht. Dass mit Abwertung zu rechnen war, ist ja klar.

Habt ihr vor ähnliche Veranstaltungen als Gruppe durchzuführen? Könnt ihr euch dann auch andere Schwerpunkte vorstellen?

Cathrin: Theoretisch könnte ich es mir schon vorstellen. Dann könnte es auch in verschiedene Richtungen gehen. Ich hätte auch mal Lust zu einem queeren Saunatag. Es gibt häufig Saunaangebote für Schwule aber eben nicht für queere Leute. Ich könnte mir auch viele Freizeitaktivitäten in dieser Richtung vorstellen, vielleicht einen queeren Ballsportverein in Dortmund. Warum nicht? Ich fände eine schöne queere Party auch gut, wo nicht nur „der schwule Mann“ und „die lesbische Frau“ akzeptiert sind.
Manu: Ich könnte mir auch vorstellen, nochmal ein Fest zu organisieren, dann aber in eine andere Musikrichtung zu gehen. Wir hatten uns vorher auch überlegt, erstmal in Richtung Hip Hop/ Rap zu gehen, bis wir uns dann auf diese Richtung geeinigt haben. Da gibt es noch viele Ideen, wie zum Beispiel auch oberkörperfrei mal einen Protest zu starten. Es gibt im Nordpol eine Ag, die nennt sich Fempol. Sie beschäftigt sich damit, feministische Themen weiter in linke Strukturen einzubauen.

Last but not least: Euer Verständnis von Feminismus?

Sabrina: Es ist vielschichtig. Ein Teil davon ist auf jeden Fall, Frauen und queeren Personen Raum zu schaffen in einem politischen Sinn. Es bedeutet aber auch eine Dekonstruktion von binären Geschlechterrollen, von heteronormativen Stereotypen. Es heißt außerdem Arbeit an Gleichstellung und Gleichberechtigung. Geschlecht ist ein weiter Raum und viel mehr als wir als Gesellschaft daraus machen. Für uns funktioniert Feminismus nur intersektional, antisexistische Arbeit muss immer auch antirassistisch sein und sich um Barrierefreiheit bemühen – deshalb findet das Fest zum Beispiel auch hier statt.

Hier gehts zur Facebook-Veranstaltung.

 

[i] Cunt*ig leitet sich von dem Begriff „Cunt“ (= Möse, Fotze) ab

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