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Warum kenne ich eigentlich nicht…?

Warum kenne ich eigentlich nicht…? published on 1 Kommentar zu Warum kenne ich eigentlich nicht…?

Ein Gastbeitrag von Anna Schiff

Kennst du eigentlich die Künstlerin Füsün Onur? Oder was ist mit der Punksängerin Aylin Aslim? Oder Elbis Gesaratsyan, die Herausgeberin des ersten armenischen Frauenmagazins im Osmanischen Reich? Noch nie von gehört?

Mut auch zur feministischen Lücke!

Keine Panik! Ich frage hier keine feministischen Hausaufgaben ab. Nichts läge mir fernen, denn ich habe nicht vergessen, wie es sich anfühlt vor einem Raum voller Kenner*innen aufgrund des eigenen mangelnden richtigen Wissens schräg angeschaut zu werden. (Und du willst also eine richtige Linke/Antifaschistin/Feministin/… sein und kennst nicht mal…?). Und natürlich kenne ich den immensen innerlichen Druck auch im Aktivismus immer Bestnoten abliefern zu wollen nur allzu gut. (Oh Schreck! Eine Wissenslücke! Das hätte nicht passieren dürfen! Wer ihr Thema liebt, die weiß auch aaaalles darüber. Ab morgen werden ich jeden Tag … und, wenn ich schon dabei bin, dann kann ich auch gleich endlich ….). Also, liebe Mitleidenden: Mut auch zur feministischen Lücke, sonst ist die große Müdigkeit nicht mehr weit und wir müssen uns unsere wütende Puste einteilen, schließlich wird sie dem Scheißsystem bekanntermaßen nicht so schnell ausgehen.

Wissen hinterfragen anderes Wissen verbreiten

Ich hatte von diesen großartigen Frauen vor meinem Erasmussemester in Istanbul noch nie auch nur ansatzweise etwas gehört und das hat mir wirklich zu denken gegeben. Nicht aufgrund der Tatsache, dass ich den einen oder anderen Namen nicht kenne, wie gesagt, das passiert und muss passieren dürfen, und wenn ich’s mir oft genug wiederhole, dann werde ich mir auch meine eignen milden Wort irgendwann selbst zu Herzen nehmen. Nein, was mich an meinem Unwissen stört ist die Tatsache, dass es mir schlicht so schrecklich eurozentristisch aufstößt. In meinem Geschichtsstudium konnte ich mich bis kurz vor einem Masterabschluss und einem Schwerpunkt in Geschlechtergeschichte vorstudieren, ohne Nuriye Ulviye Mevlan Civlek zu kennen, immerhin die Begründerin einer der ersten frauenpolitischen Zeitschriften (Kadınlar Dünyası= Welt der Frauen) überhaupt. Auch ein Gender Studies Studium konnte ich fast abschließen, ohne mit der Nase auf Nuriye gestoßen zu werden, dafür aber das fancy Wort Eurozentrismus zu lernen. Wieso ist das so? Klar, an der Stelle kann ich es mir und euch und uns allen einfach machen und sagen, dass ich schlichtweg keine engagierte Studentin war. Selbst schuld, kein Mitleid. Aber so neoliberal will ich’s nicht halten. Statt mich selbstverantwortlich zu schimpfen, frage ich mich lieber, ob Wissenslücken vielleicht ganz einfach System haben und kenne die Antwort natürlich schon: Es ist kein Zufall warum die amerikanische, französische, englische und deutsche Frauenbewegung leichter zu finden ist als die, ihrer osmanischen Schwestern. Würde Deutschland Türkinnen eigene Geschichte(n) und noch dazu eine feministische Vergangenheit zugestehen, dann käme einem das vermeintliche Alltagswissen von der islamischen Frau (wer auch immer das sein soll) als Opfer schon sehr viel schwerer von den Lippen. Ich erzähle vielen von euch damit nichts Neues, das ist mir klar. Mir ist auch klar, dass auch noch so engagierte Feminist*innen nur sehr schwer gegen ein so stures Wissensproduktionssystem ankommen. Aber ich hege die begründete Hoffnung, dass, wenn wir zusammenhalten, wenn wir uns solidarisch zeigen mit den vielen Frauen und den vielen Bewegungen und uns gegenseitig von unseren neuen Wissenschätzen erzählen, ohne uns dabei selbst oder andere für unser Unwissen zu schimpfen, dann können wir es mit den großen Feinden Kanon, gesunder Menschenverstand und Alltagswissen aufnehmen.

In diesem Sinne stelle ich euch einen meiner heißgeliebten Wissensschätze vor, auf dass ihr dem nächsten (und der nächste ist nie weit) unterdrückte islamische Frau – Kommentar lässig anderes Wissen entgegenstellen könnt. Einfach mal einstreuen: Wusstest du eigentlich, dass es ein Frauenmuseum in Istanbul gibt? Ich bis vor Kurzem auch nicht, aber die stellen unglaublich viele tolle Frauen vor und es ist alles online! Schau dich da mal um!

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Frauenmuseum Istanbul

 

Das virtuelle Kadın Müzesi (= Frauenmuseum)

Auch diese Idee wurde aus der Not(-wendigkeit) heraus geboren. Ganz wie in Deutschland schaffen es auch in der Türkei die Geschichten von Frauen nicht in das allgemeine, öffentliche Geschichtsbewusstsein. Engagierte Frauen wie die Unternehmerin Gülümser Yıldırım und die amtierende Kuratorin Meral Akkent gründeten deshalb die Frauen Kultur Stiftung Istanbul – Frauengeschichten sollten sichtbar werden. Und wo engagierte Frauen am Werk sind, da ist das „Ehrenamt“ natürlich nicht weit. Firmen haben Geld für die aufwändige Homepage gesponsert, aber der Löwinnenanteil der Arbeit wird unbezahlt und aus purer Leidenschaft erledigt – Hilfe ist immer willkommen.

Betreten kann man das Museum momentan nur virtuell, denn die passenden Räumlichkeiten haben sich noch nicht gefunden. Das ist zwar schade, aber auch ein Glücksgriff für alle, die gerade nicht in Istanbul sind, denn so ist der Museumsgang nur ein paar Klicks entfern. Die virtuelle Ausstellung beruht hauptsächlich auf Vorreiterinnen-Biographien aus dem Bereich der Kunst und Kultur. Die erste Schauspielerin, die erste professionelle Fotografien, die ersten Frauen im Universitätsbetrieb … sich durch die einzelnen Leben zu klicken ist unglaublich beeindruckend. So viele tolle Frauen! Wer gezielt zu einem Bereich recherchieren oder den eignen Kanon etwas aufrütteln möchte, der/die kann auch gezielt thematisch stöbern und sich inspirieren lassen.

Vom 6. bis zum 9. November tagt das Symposium „100 Jahre Frauenstudium in der Türkei“. Die passende Ausstellung dazu folgt und mensch kann nur gespannt sein.

Also, liebe Mitstreitende: Lasst das Selbstgeschimpfe und gönnt euch lieber einen Nachmittag im Frauenmuseum – ihr müsst dafür nicht mal aus dem Pyjama schlüpfen und falls heute ein müder Tag ist, an dem keine Hirnaktivität menschenmöglich ist, dann vielleicht lieber morgen – mensch kann es nicht jeden Tag mit dem Feind aufnehmen 🙂

Crazyladyboys

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von Lilli Boheme

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Viel Glitzer und Glamour in süffigem Ambiente. Biergeruch und bunte Lichter, garniert mit Helene Fischer – einer meiner besten Abende des Jahres! Atemlos tanzen wir uns auf dem klebrigen Boden im Dortmunder Burgtorclub durch die sternenlose Nacht. Heimelig fühlen wir uns dort, wo ein Pils noch bezahlbar und jedes Geschlecht* willkommen ist. Abseits der Sauforgien rund um die Brückstraße heißen uns die Publikumslieblinge Julietta van Laaf, Monique Lamoure und Marell Marlou herzlich willkommen.

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Rote Rosen lassen die Crazyladyboys sprichwörtlich auf ihre zahlreichen Gäste regnen, die hingerissen sind von den aufwendigen Kostümen und der Energie, die den mürben Laden zum Wanken bringt. In ihrer Kitschigkeit lässt sich die Songauswahl wohl kaum mehr übertreffen und wir lassen uns feucht-fröhlich von den Klängen Tina Turners, Hildegard Knefs und Disney mitreißen.

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Das Gefühl in einer anderen Welt zu sein reicht bis hinter die Kulissen, wo wir auf eine Vielzahl bunter Stoffe, eine Fülle von Make-Up Tuben und viel queeren Charme treffen. Als gegen Morgen die Kleider und Perücken fallen, das sorgfältig aufgetragene Make-Up in wenigen Sekunden verschwindet und die Biergläser eingesammelt werden, sind wir verzaubert und verlassen nur mit großem Widerwillen diesen schillernden Ort.

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Erfahrungsaustausch!

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„Auf dem Weg zum Bahnhof kommt mir ein Mann entgegen. Mit seinen bunten Fähnchen an seinem Rollator sieht er recht ulkig aus und ich schaue kurz rüber zu ihm. Der Mann sucht meinen Blick, schnallzt mit seiner Zunge und nuschelt irgendwas mit „sexy“ vor sich hin. Ich bin irritiert. Habe mit seiner Reaktion in dem Moment nicht gerechnet. Ich gehe mit gesenktem Kopf weiter Richtung Bahnhof. Ein wenig meiner guten Laune hat er mir heute genommen.“

In unserer Mini-Serie „Frau*sein erfahren“ geht es um alltägliche Belästigung. Darum, wie unterschiedlich sie erfahren und wie individuell von den Betroffenen darauf reagiert wird. Das Thema wird immer noch zurückhaltend diskutiert. Aber was sind die Gründe? Scham und Unsicherheit, aber auch das Gefühl ‚street harassment‘ sei ’normal‘ – etwas womit frau* lernen muss umzugehen, waren die Gründe, die sich in zahlreichen Gesprächen herauskristallisiert haben.

Durch den Austausch kamen Erinnerungen hoch, die wir eigentlich verdrängen wollten, aber es war zugleich befreiend und ermutigend. Ich hatte das Gefühl, dass wir uns verstanden und stärker fühlten, nachdem klar war, dass alle mit denen ich sprach eine ähnliche Situation schon mal erlebt haben. Diese alltägliche Belästigung ist nicht ’normal‘ und wir sind sauer weil wir die Situation nicht weiter hinnehmen wollen. Wir denken, dass dieser Austausch von Erfahrungen ein erster Schritt ist ‚street harassment‘ mit Stärke zu begegnen.

Was meint ihr dazu? Teilt eure Erfahrungen mit uns! Schreibt an info@feminismus-im-pott.de

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Lucy

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Ein Gastbeitrag von Jazzy O’Bell

Wir benutzen nur 10 Prozent unseres Gehirns, sagt ein verbreiteter Mythos auf den Luc Besson seinen Film Lucy mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle aufbaut. Lucy wird in Taiwan von ihrem Bekannten Richard dazu gebracht, einen ominösen Koffer an einen noch ominöseren Mr. Jang (Choi Min-sik) zu übergeben. Wenig später wird sie dadurch unfreiwillig zur Drogenkurierin und schließlich zur nächsten Stufe der menschlichen Evolution: Eine neue Superdroge sollte eigentlich in Lucys Bauch nach Europa geschmuggelt werden, gerät aber in ihren Blutkreislauf. Laut der Grundannahme der Story haben wir ja bisher evolutionsmäßig ziemlich versagt und verschwenden Unmengen Energie, um ein Organ zu versorgen, das zum Großteil sinnlos in unserem Körper rumhängt. Bei Lucy ist das nun nicht mehr der Fall: Die neue Superdroge sorgt bei ihr dafür, dass nach und nach immer weitere Teile ihres Gehirns aktiviert und genutzt werden können. Natürlich findet die Drogenschmuggelgang von Mr. Jang es gar nicht so gut, dass Lucy nun als eine Art Superheldin gemeinsam mit ihrem neuen Bekannten, dem Polizisten Pierre del Rio (Amr Waked), durch die Gegend zieht und versucht, die anderen Drogenkuriere abzufangen. Ihr Ziel ist hierbei das Labor von Samuel Norman (Morgan Freeman), einem Professor der sich mit der Evolution des menschlichen Gehirns beschäftigt.

www.variety.com
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Die Geschichte von Lucy ist selbst für Science Fiction ziemlich unglaubhaft und oft in sich unlogisch. Man kann zudem durchaus 90 Minuten damit verbringen, sich zu fragen, wann es jetzt endlich losgehen wird mit der Story, da man Lucys Superkräfte vielleicht etwas cooler einsetzen könnte, als mit einem Polizisten, dessen Relevanz und Rolle für die Story und den Film nicht einmal ihm selbst ganz klar sind, durch die Gegend zu cruisen oder mit einem (mit unfassbar langsamer Sprechgeschwindigkeit) banale Weisheiten von sich gebenden Wissenschaftler und seinen nicht sehr hilfreichen Kollegen in einem Labor abzuhängen.

Von der Handlung abgesehen macht der Film allerdings sehr viel Spaß. Es werden immer wieder kurze Sequenzen eingeblendet, die Parallelen zum Tierreich ziehen sollen und hier, genau wie wenn Lucy auf ihrem Schreibtischstuhl sitzend durch die Geschichte der Menschheit reist, wird die Handlung durch die großartig eingesetzte Reizüberflutung nebensächlich. Die zahlreichen Actionelemente sind zwar nicht sehr innovativ aber ebenfalls durchaus unterhaltsam und Scarlett Johansson hat bei mir nach diesem Film definitiv einige Pluspunkte gesammelt. Langatmig ist der also Film nicht und mit einer Packung Popcorn durchaus ein guter Zeitvertreib. Ihn noch einmal sehen oder lange über die Inhalte nachdenken, wird man allerdings auch nicht.

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Endlich zuhause

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von Mille Fleur

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Bild: Rosine Wagemut und Bea

Es ist Dienstagabend. Spätsommer. Müde, verschwitzt und zufrieden mache ich mich nach dem Sport auf den Heimweg. Der Weg ist recht kurz, draußen ist es noch warm. Ich behalte meine Sportkleidung einfach an. Ich kann ja bald unter die Dusche hüpfen. Es ist auch nicht das erste Mal, dass ich Sporthose und –top anlasse. Was ist denn auch dabei?

Der Heimweg ist immer derselbe: eine große, stark befahrene Straße in der Bochumer Innenstadt. Viele Menschen sind unterwegs, der Berufsverkehr ebbt langsam ab. Ich gehe an einer Reihe von Ladenlokalen vorbei, über die große Kreuzung. Kurz vor der Autobahnbrücke spricht mich plötzlich jemand an. Kann man es überhaupt ansprechen nennen? Vielmehr drückt er mir einen Spruch: „Du hast wirklich einen geilen Arsch!“.

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