von Lilli Boheme
Unser Ziel: das AKZ in Recklinghausen. Es regnet in Strömen und wir sind spät dran. Vollgepackt mit Hund und Beutel hetzen wir der Tür entgegen, wo die Dame(n) des Abends uns freudig in Empfang nehmen. Unsere Vorfreude war berechtigt. Nadine Kegele strahlt uns an, ein Hauch von Wien im Ruhrpott – wir sind entzückt. Und sofort ist klar – der Abend wird schön. Anna Seidel und Anike Krämer, die Organisatorinnen der Lesung haben den abgerockten Charme des Ortes genutzt und einen gemütlichen Raum geschaffen, wo jung und alt zusammensitzen und der Autorin heute als Versuchskaninchen dienen. Aber dazu später mehr.
Nadine Kegele liest, die Zuhörerschaft ist leise. Ob die innerlich eingeschlafen sind? Nein, es geht ihnen wie uns. Sie lauschen den Romanfragmenten und verbinden die Worte mit den eigenen Erfahrungen, Überlegungen und Unsicherheiten. Die 60 Minuten Lesezeit vergehen schnell.
„Aber Katze ist gut, sagt Vera, Katzen sind selbstständige Tiere.
Und die Füchsin sagt: Stimmt, Hunde sind kooperativ, und Kooperation wird oft missverstanden als Schwäche.
Und Untertänigkeit, ergänzt Ruth.
Und sie stinken, sagt Nora.Der Anus einer Katze stinkt auch, sagt Vera.“
„War euch das zu viel Sex?“, fragte sie nach der Lesung. „Diese Stellen habe ich noch nie vor Publikum gelesen.“. Gleichzeitig schütteln wir unsere Köpfe, sagen aber noch nichts. Jede*r scheint auf ihrer*seiner Art ergriffen zu sein von ihren Worten, ihren Geschichten, den Wahrheiten. Die Stimmung ist zurückhaltend, aber angeregt. Und dann gab es da noch ein kleines Gewinnspiel. Nadine Kegele erklärt, dass sie sehr ungern mit leeren Händen zu Besuch kommt. Und dieses Mal hatte sie einen selbstgebastelten Schlüsselanhänger dabei. Ein gelbes Band, auf dem „Trau keiner Revolution, in der Olympe de Gouges nicht vorkommt“ aufgenäht ist. Wer die Preisfrage beantworten kann, soll den Schlüsselanhänger zum Buch bekommen.
„MEINE FEINDLICHKEIT gegenüber dem Frauenkörper habe ich geerbt. Gestrige Erkenntnis, als ich so lange wachlag und an den Spielplatz dachte, wo wieder eine ihre Brüste rausgeholt hat, um ihr Kind zu stillen, einfach so. Wenn ich den Körper von Frauen nicht mag, mag ich mich selbst nicht. Die Mutter mochte sich nicht und deshalb mochte sie mich nicht, die Brüder waren kein Spiel, waren anders gebaut und gedacht als wir. Das Wir nehme ich sofort zurück. Aus der Erkenntnis jedenfalls folgt:
1. Spielplatzverbot!
2. Feindlichkeit abgewöhnen!
3. Nackte, stillende, schwangere Frauen ansehen, bis ich mich mag.“
Gemeinsam sitzen wir noch eine Weile in gemütlicher Runde zusammen und tauschen uns aus. Wir reden über die Frauen im Roman „Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause“, über uns, über eben diese persönlichen Zusammentreffen, die inspirieren und über die Ideen, die noch vor uns liegen. In Münster am Abend drauf wird es sicher ähnlich gewesen sein.