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Ein Leserinnenbrief

Ein Leserinnenbrief published on Keine Kommentare zu Ein Leserinnenbrief

ein Gastbeitrag von Hannah Espín Grau

Sehr geehrter Herr Schneider,

als ich am Samstag die Taz aufgeschlagen habe, habe ich sehr interessiert und aufmerksam Ihren Artikel „Mit kindlichem Blick“ [Anm. d. Red.: Online trägt der Artikel den Titel „Von der Leyens rechte Hand] über Frau Suder, die Beraterin von Ursula von der Leyen gelesen. Der Artikel ist spannend und formell gut geschrieben, was jedoch nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass er inhaltlich frauenfeindlich und übergriffig ist.

Unbenannt
Bild: Taz

Zunächst hat es mich gefreut, dass Sie bereits nach einigen Zeilen ihren eigenen machistischen Blick auf die Büroeinrichtung erkannt und hinterfragt haben. Das ist erfreulich und lo-benswert, da es vielen Männern* schwer fällt, ihre Perspektive überhaupt als eine typisch männliche, machistische zu identifizieren. Leider bleibt es dann jedoch bei ihrer kurzen Selbstkritik. Der Rest des Textes ist dermaßen paternalistisch aufgeladen, dass es fast so scheint, als solle die kurze anfängliche Selbstreflexion nur übertünchen was danach kommt. Das schafft sie aber nicht. Ich nehme an, dass Sie grundsätzlich dazu in der Lage sind, sich kritisch mit Ihrer Männlichkeit auseinanderzusetzen, weshalb ich hoffe, dass Sie mit meiner Kritik produktiv umzugehen wissen.

Mich stören an dem Text vor allem drei Punkte, die ich im Folgenden darlegen möchte. Dafür werde ich immer wieder Stellen aus Ihrem Artikel zitieren, was redundant erscheinen mag, mir aber für meine Kritik unumgänglich erscheint.

Zunächst fällt mir auf, dass Sie Frau Suder offen infantilisieren. Sie tun das mit Sätzen wie „Etwas im Ton der Rede berührt mich: Es klingt ebenso funktionalistisch wie – kindlich. Fast trotzig. Fuß aufstampfend.” Sie schildern damit vollkommen subjektive Eindrücke. Die Relevanz derartiger Einschätzungen für die Öffentlichkeit sei mal dahingestellt. Daneben aber machen Sie Ihre Argumentation unangreifbar. Ja, es handelt sich um Ihre subjektiven Eindrücke und diese sind damit unwiderlegbar. Damit unterlaufen Sie aber die Veranwortlichkeit, die sie tragen, wenn sie einen Artikel über die Psyche einer Person veröffentlichen, die eigentlich bewusst nicht in der Öffentlichkeit steht. Der Text ist gespickt von ähnlichen Kommentaren, die deutlich machen, dass Sie sich Frau Suder gegenüber überlegen fühlen. Ihr “Auftritt” habe etwas “sympathisch studentisches”. “Der Kinderblick bildet die stumme Subdominante des Gesprächs”. Abgesehen davon, dass dieser Satz inhaltsentleerter kaum sein könnte, zeigt er deutlich, wie sehr Sie sich als den gutmütigen, wohlwollenden Erwachsenen ihr gegenüber empfinden, der als Einziger genau durchblickt hat, was die arme junge Frau in ihrer Gespaltenheit reitet.

Damit wäre ich beim nächsten Punkt, den ich kritisieren möchte: Ihre Selbstgefälligkeit. “Ich scheitere daran, sie mir als Rebellin vorzustellen. Als ich es ausspreche, ernte ich eher kleinlauten Protest.” Aha. Stampft ihr Gegenüber nicht mit dem Fuß auf, dann haben Sie wohl Recht. Dass Frau Suder einfach völlig entnervt von derartigen Anspielungen sein könnte, kommt Ihnen leider nicht in den Sinn. Nachdem Sie sich lange darüber ausgelassen haben, dass Frau Suder in Ihren Augen beliebig die Perspektiven wechselt, um schlechte Erfahrungen schönzureden, schließen Sie: “Typisch Suder, könnte man meinen. Stattdessen packt mich genau hier unerwartet ein Gefühl der Rührung.” Zunächst suggerieren Sie also, sie hätten Frau Suder voll und ganz verstanden, wohlgemerkt im Gegensatz zu ihr selbst (“Wahrscheinlich würde sie das nicht verstehen”) um dann auf väterliche Weise gerührt zu sein und zufrieden zu bewerten: “Sie wird, daran habe ich keinen Zweifel, auch diesmal ihren Job erfolgreich erledigen.” Sich nach einem Gespräch als Insider einer Frau darzustellen (ja, das ist jetzt bewusst polemisch ausgedrückt) ist vermessen und antifeministisch. Dass Sie, Herr Scheider, promovierter Sozialpsychologe sind, rechtfertigt Sie –eventuell entgegen Ihrer Annahme- nicht.

Schließlich gibt es noch einige Stellen, die tatsächlich offen frauenfeindlich sind. Das beginnt schon in der Überschrift der Printausgabe: “Wird sie der Schlamperei im Verteidigungsministerium Herr?” Bitte achten Sie auf die Konnotationen und Assoziationen, die diese Begriffe mit sich bringen: Es braucht also wohl Männlichkeit, um das weibliche Chaos zu beseitigen?

Ihre Frauenfeindlichkeit zeigt sich auch in dem Grund, den Sie für Frau Suders Karriere suchen: “Es gibt, das ist mein Eindruck, bei ihr ein ausgeprägtes Gefühl für die Doppelbödigkeit des Lebens. Es macht Suders Charme, ja wahrscheinlich sogar einen Teil ihres Erfolgs aus.” Ja, vermutlich hängt ihr Erfolg mit ihrem Charme zusammen. Danke für diese Urzeit-Einschätzung.

Schließlich möchte ich nochmal auf die Frage eingehen, die Sie ganz zu Beginn des Artikels stellen:

“Sind es nur meine typisch männlichen Vorurteile, die aus der Mustersammlung todbringender Waffen eine Spielzeugidylle machen?”

Ich beantworte Ihnen diese Frage gerne: JA. Ich hoffe, Sie versuchen in Zukunft anders damit umzugehen.

Freundliche Grüße,
Hannah Espín Grau

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