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Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Möglich. Familie und Karriere? Für die Frau? Unwahrscheinlich.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Möglich. Familie und Karriere? Für die Frau? Unwahrscheinlich. published on Keine Kommentare zu Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Möglich. Familie und Karriere? Für die Frau? Unwahrscheinlich.

von Lilli Boheme

Madame, Sie haben den Job! Oder wartet noch irgendwo ein Mann?
(FAZ)

Leitbild
Bild: ruhr-uni-bochum.de

Das Bild einer Karrierefrau ist von Stereotypen gezeichnet. Sie ist verbissen, unweiblich und einsam. Und wenn sie Kinder hat, kann sie nur eine Rabenmutter sein. Warum ist das Bild von Frauen, die Karriere machen wollen so negativ belastet? Die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein unerschöpfliches Thema in Politik, Medien und dem Alltag vieler Menschen. Doch mehrheitlich ist mit ‚Familie‘ eine heterosexuelle Paarbeziehung gemein, was wenig Spielraum für alternative Lebensmodelle lässt. Es ist kein Geheimnis, dass Frauen im Beruf und auch in einer stark am Hausfrau-Ernährer-Modell orientierten Beziehung noch viele Kompromisse bis Verluste eingehen müssen. Der Lohnunterschied bei gleicher Arbeit beträgt zwischen Frau und Mann aktuell 23 %. Hinzu kommt, dass Frauen immer noch doppelt so viel Zeit am Tag mit der Hausarbeit verbringen wie Männer – und das auch wenn sie fest im Beruf stehen. Ich sprach mit Prof. Dr. Katja Sabisch speziell über die prekäre berufliche Situation von Wissenschaftlerinnen und wie sie noch immer vom Mutterbild geprägt sind, welches sich durch die Aufopferung für das Kind auszeichnet und engagierte Wissenschaftlerinnen mit dem Vorwurf der Rabenmutter zu kämpfen haben.

„W3 oder Hartz 4 lauten die Alternativen“ (GEW) Katja Sabisch, Professorin der Gender Studies an der Ruhr-Universität Bochum und selbst Mutter einer 5-jährigen Tochter glaubt, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich ist – Familie und Karriere zu verbinden gestaltet sich jedoch weitaus komplizierter. Besonders der Wissenschaftsbetrieb bietet wenig familienfreundliche Strukturen. Katja Sabisch betont:

Wissenschaft ist eine Lebensaufgabe, die immer noch verlangt ständig erreichbar und auch verfügbar zu sein. Wenn man eine Familie gründen möchte dann geht es wirklich nur mit einer sehr umfangreichen externen Betreuung weil eben die Arbeitszeiten nicht reglementiert sind. Nicht selten arbeite ich in den Abendstunden oder am Wochenende. Auslandsaufenthalte und Tagungen nicht mitgedacht. Das kann die Kontinuität behindern, die für ein Familienleben benötigt wird.

Der Wissenschaftsberuf – ein außergewöhnlicher Beruf? Das wird auch im Positionspapier der Doktorandinnen und Doktoranden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aus dem Jahr 2013 deutlich: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler identifizieren sich in hohem Maße mit den Inhalten ihrer Arbeit, sie haben Spaß an der Lehre, Lust, Neues zu schaffen. Aber sollen sie deswegen gleich ihre Familienplanung auf Eis legen? Nein, der Meinung sind sie nicht – es muss ein Gleichgewicht zwischen Lehre, Forschung und dem (Familien-)leben erreicht werden. Das heißt, die Arbeitsbedingungen mitsamt den vertraglichen Rahmenbedingen müssen verändert und an die Lebensrealität der Menschen angepasst werden! Nach Abschluss der universitären Ausbildungen sind die Jobaussichten für viele Studierende frustrierend: befristete Arbeitsverträge, ein Leben von Projekt zu Projekt, eingeschränktes Arbeits- und Sozialrecht. (Geographische) Flexibilität und körperliche Verfügbarkeit sind gefragt. Kontinuität und Sicherheit? Fehlanzeige. Katja Sabisch merkt an, dass der Wissenschaftsbetrieb sich immer noch an einer „männlichen Normalbiographie“ orientiert. Auch im Positionspapier der Doktorandinnen und Doktoranden in der GEW lässt sich folgende Aussage finden: Der zielsicher der Professur entgegen strebende und international mobile männliche Wissenschaftler dominiert das Bild. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Mann kinderlos bleibt – ganz im Gegenteil. In diesem Fall braucht der Mann eine Frau die ihm und seinem Karrierebestreben den Rücken stärkt, was so viel bedeutet, wie den Haushalt zu führen und die Kinder zu betreuen.

„Ja, ich bin Mutter, aber ich bleibe trotzdem Frau.“ (Elisabeth Badinter) Aufopfernde Mutter und gleichzeitig Karrierefrau? Das passt zeitlich nicht zusammen, denkt Katja Sabisch. Das in unserer Gesellschaft vorherrschende Mütterbild sieht nicht vor, dass die Frau kurz nach der Geburt wieder ihrem Beruf nachgeht, geschweige denn viel Zeit in die Karriere investiert. Wer viel Zeit außer Haus verbringt und seine Kindern extern betreuen lässt, gilt immer noch als Rabenmutter. Die Naturalisierung des Mutterbildes ist Teil unserer Kultur und stellt sicher in vielen Frauenköpfen ein zusätzliches Hemmnis dar, die Karrierewünsche zu realisieren. Die französische philosophischen Elisabeth Badinter schreibt in ihrem Buch „Der Konflikt – Die Frau und die Mutter“, dass die Mutterpflichten und die persönliche Selbstverwirklichung nur schwierig miteinander vereinbar sind, wenn sich das kulturell-gewachsene Frauenbild nicht ändert und der Lebensrealität vieler Frauen (und auch Männer) gerecht wird. Dazu ist ein Umdenken seitens der Politik vonnöten, führt Sabisch an.

Wir haben keine konsistente Familienpolitik – mal wird gesagt wir müssen auf jeden Fall die Väterzeit verlängern, dann wird diese ‚Hausfrauenprämie‘ [Betreuungsgeld] eingeführt. Das muss schon konsistent sein – wenn keine Vision hinter einer Politik ist dann sehe ich schwarz. Es muss ein Familien- und Muttermodell entworfen werden, das zeitgemäß ist. Mit zeitgemäß meine ich natürlich auch die Altersarmut von Frauen, die auch auf die persönliche Erwerbsbiographie zurückzuführen ist. Und das kriegen wir nicht in den Griff, wenn wir weiterhin ein Hausfrauen-Ernährer-Modell fördern.

„Der Frauenkörper als Fremdkörper.“ Katja Sabisch verweist auf einen weiteren körperbezogenen Aspekt, der ihr während ihrer Schwangerschaft aufgefallen ist. So etwas wie Fruchtbarkeit, Reproduktion und soziale Beziehungen werden ganz oft aus der Wissenschaft rausgehalten. Als gebe es hier noch immer einen Tempel der Objektivität. Dank der feministischen Wissenschaftskritik wissen wir dass dem nicht so ist. Wir wissen vielmehr, dass Wissenschaft immer positioniert ist. Die Arbeit ist immer auch durch die Sichtweise der Wissenschaftler*innen gefärbt – also durch ihr Geschlecht, ihre Ethnizität, ihr Alter und ihre Schichtzugehörigkeit. Trotz alledem ist das objektiv-rationale Denken der Maßstab. In dieses Denken passt der Körper nicht rein – insbesondere nicht der schwangere Körper einer Frau. Der Bauch zeigt Sexualität, er zeigt Familie – er zeigt viel von einer Persönlichkeit, einer vergeschlechtlichen Persönlichkeit. Ein Babybauch steht entgegengesetzt zu dem, in der Wissenschaft repräsentierten unermüdlichen Arbeitswillen, merkt Sabisch an. Er widerspricht dem Bild einer Wissenschaftlerin, die zeitlich verfügbar ist und noch etwas anderes im Kopf hat außer ihrer Forschung, das nächste Meeting oder den nächsten Vortrag. Die Zukunft als Wissenschaftlerin sieht momentan wenig rosig aus. Die Frauen sehen sich einem Dilemma ausgesetzt – dem Spagat zwischen weiblicher Pflichterfüllung und Selbstverwirklichung. Diese entgegengesetzten Ansprüche unter einen Hut zu bringen, ist die anspruchsvolle Aufgabe, welche die Frauen für sich lösen müssen. Aber welche Verluste gehen damit einher? Die Gründe für ein vorzeitiges Karriereaus der Frau sind komplex – sie greifen oft ineinander. Neben den ernüchternden Jobaussichten in der Wissenschaft, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die meist prekäre Arbeitsbedingungen mit sich bringen, spielt auch das kulturell gewachsene Mütterbild eine Rolle bei dem das Wohl des Kindes im Vordergrund steht. Viele Frauen finden sich nach der Elternzeit in der Teilzeitarbeit wieder – ein Kompromiss zwischen Beruf und Familie. Dieser Kompromiss ist gesellschaftlich anerkannt, aber was ist mit den Frauen, die auch mit Kind ihre Karriere weiterplanen wollen und deren gelernter Beruf keine Teilzeitarbeit zulässt? Solange keine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau hinsichtlich der Hausarbeit und der Kindererziehung herrscht, müssen Frauen immer noch die größeren beruflichen Verluste in Kauf nehmen. Meiner Meinung lässt die „weibliche Normalbiographie“ immer noch wenig Wahlmöglichkeit. Es gibt immer mehr gut ausgebildete Frauen, die von ihrer zeitaufwendigen und oft kostspieligen Ausbildung profitieren wollen. Sicher wünschen sich auch nicht wenige von ihnen eine Familie – in welcher Konstellation sei dahingestellt. Wenn weiterhin das Bild der heterosexuellen Paarbeziehung als Ideal hochgehalten und durch politische Maßnahmen unterstützt wird, sehe ich aktuell keine Chance, dass eine Balance zwischen Karriere und Familie zu einer von vielen „weiblichen Normalbiographien“ wird.

(lb)

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