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Theater: Vicky Vagina

Theater: Vicky Vagina published on Keine Kommentare zu Theater: Vicky Vagina
© Studiobühne Köln

Am 23. November durfte ich für Feminismus im Pott eine Vorstellung des Performance-Projekts Vicky Vagina, eine Koproduktion von 16/9 productions und Studiobühne Köln, besuchen: Frauen, Männer, #metoo und Macht – Regisseurin Silvia Werner stellt in Vicky Vagina die geltenden Verhältnisse auf den Kopf und versucht, Hierarchien, Geschlechterbilder und weibliche Selbstbestimmung neu zu erfinden.

Unter #metoo berichten Frauen von Alltagssituationen, in denen ihnen Sexismus und Gewalt entgegenschlägt. Vicky Vagina zeigt in schmerzhafter, teilweise überzeichneter Deutlichkeit ihre die Bedeutung von #metoo für betroffene Frauen.

Wir finden uns wieder in einer Welt nach einer blutigen Revolution – eine der Protagonistinnen spielt lässig mit ihrer Waffe und wir halten den Atem an. Was passiert hier? Schnell wird klar: die Machtverhältnisse haben sich umgekehrt. Wir sehen einen nackten Mann, der vergeblich versucht, ernsthaft seine Ideen zu präsentieren – die pöbelnden und rülpsenden Frauen unterbrechen ihn und am Ende gibt er auf.

Die drei Protagonistinnen sind zu Beginn voller Freude über die neue Machtposition: Die Männer sind größtenteils tot und die übrig gebliebenen erfahren nun am eigenen Leib wie es ist, das unterdrückte Geschlecht zu sein. Die Frauen nehmen neue Rollen und Verhaltensweisen an, sinnieren über ihr Leben und die neue Kraft der Überlegenheit.

Schnell kommt aber Katerstimmung auf, denn so ganz zufrieden sind sie nicht. Zu tief sind patriarchale Strukturen in uns allen verankert. Und wie gehen eigentlich Frauen miteinander um?

Jede der Frauen kämpft ihren ganz eigenen Kampf und versucht, allgemeingültige Lösungen zu finden. Vicky Vagina zeigt uns die Entwicklung der Frauen und den Umgang mit ihrer neuen Welt. Durch die umgekehrten Machtverhältnisse zeichnet Vicky Vagina eine andere, potentielle Lebensrealität: Frauen unter sich arbeiten an neuen Regeln des gesellschaftlichen Zusammenslebens, an einer neuen Gesellschaftsutopie. Dabei vertreten sie ganz verschiedene Herangehensweisen: Gewaltvolle Revolution und Blutlust mit Verweis auf Alice Schwarzer? Oder sollten Frauen es nicht eher den Männern gleichtun und Netzwerke bilden? Sich gegenseitig beim Feierabendbier Jobs unter der Hand anbieten? Klar scheint: „Es muss ein Ruck durch die Uteri dieser Welt gehen!“

In einem Rundumschlag kritisieren sie treffsicher Gesellschaft, Medien und Industrien, die Unterdrückungsmechanismen schaffen und sich diese zunutze machen: Wohlfühl-Tees, die uns entspannen und zu uns selbst finden lassen sollen. Romantisch überhöhte Beziehungen, die doch nur zur Aufopferung der Frau führen und dem sexuellen Vorteil des Mannes dienen. Gender Pay Gap, alte weiße Männer die trotz sexuell gewalttätiger Übergriffe Richter am Obersten Gerichtshof werden und die prekäre Stellung alleinerziehender Mütter. Ein Mann, der hart arbeitende Frauen kurz vor dem Erreichen der Macht leichtfüßig über die Schulter wirft und sie an ihrem Platz zu seinen Füßen ablegt. Die Sexualisierung des weiblichen Körpers. Das Stück bedient sich dabei verschiedener Erzählelemente (Schauspiel, Tanz, Gesang, Monologe) und großartiger Schauspielerinnen, die groteske, aber gleichzeitig reale Problematiken und zwischenmenschliche Situationen eindrücklich und anschaulich darstellen.

Und der Umgang von Frauen miteinander? Reproduzieren wir nicht selbst Bodyshaming, Sexismus und Klassismus, wenn es um andere Frauen geht? Wenn diese uns dann noch den Lover wegschnappen, gibt es sowieso kein Halten mehr. Zickerei, Stutenbissigkeit, alles hausgemacht.

An dieser Stelle musste ich schlucken, hatte es doch den schalen Beigeschmack des „Selbst-Schuld“, das mir in Diskussionen um Sexismus immer wieder als vermeintliches k.o.-Argument entgegenschlägt: „Ihr Frauen untereinander seid doch am schlimmsten!“ Die Frauen bleiben an diesem Punkt aber nicht stehen, das Klischee wird hier bewusst eingesetzt um zu fragen, wie es anders werden kann.

Insgesamt behandelt das Stück sehr treffend eine ungeschönte Darstellung unserer Realität. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass Unterdrückung und eine Verschiebung der Macht keine allgemeingültige Lösung ist. Die Frauen sehen sich auch in ihrer neuen Realität „alten“ Problemen und Differenzen ausgesetzt. Sie erkennen, dass jede ihren eigenen Weg zur Befreiung aus unseren festgefahrenen gesellschaftlichen Strukturen finden muss.

Und was ist mit denen, die sich in den dann doch recht stereotypen Geschlechterbildern nicht wiederfinden können? Vielleicht waren die ja mit der Begrüßung „Liebe Einhörner“ gemeint.

Hier könnt Ihr ein Interview mit der Regisseurin lesen.

 

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