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In Hamburg wurde eine Klobürste zum Symbol des Widerstandes – nur eine Frage der Aneignung

In Hamburg wurde eine Klobürste zum Symbol des Widerstandes – nur eine Frage der Aneignung published on Keine Kommentare zu In Hamburg wurde eine Klobürste zum Symbol des Widerstandes – nur eine Frage der Aneignung

von ilmesch

Am Montag postete ein*e Kolleg*in ein vierteiliges Meme, in dem eine junge Frau zu sehen und die Aussage hinzugefügt ist:

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Bemerkenswert, geradezu notwendig zu erwähnen: sie trägt ein Kopftuch.

Dieser Post hat eine Auseinandersetzung im Kommentarbereich auf der Fimpott-Seite auf facebook angeregt, die nicht ganz unproblematisch ist. Die wenigen Kommentator*innen, die seit ein paar Tagen im „Gespräch“ miteinander sind, vertreten Ansichten und beschreiben eine innere Logik, die ich für mich teils schlicht nicht nachvollziehen kann, im Sinne von nicht verstehen. Aber auch in Teilen nicht vertreten kann, weil sie rassistische, diskriminierende und sexistische Spurenelemente inne haben. Ich möchte an dieser Stelle aber keine Analyse der einzelnen Logikstränge durchzuführen.

Ich schätze, dass Feminismus im Pott die Möglichkeit bietet, sich innerhalb eines auf Vielstimmigkeit angelegten Konzepts gemeinsam mit einer Angelegenheit auseinanderzusetzen, wenn auch die Positionen manchmal unterschiedlicher nicht sein können. Das macht nicht immun gegen Anschuldigungen an das redaktionelle Team von Fimpott wie auf Twitter und facebook erhalten. Aber es lässt freundlicher mit den unfreundlichen Kritiker*innen umgehen.Continue reading In Hamburg wurde eine Klobürste zum Symbol des Widerstandes – nur eine Frage der Aneignung

Was ist eigentlich Euer Problem mit Feminismen?

Was ist eigentlich Euer Problem mit Feminismen? published on 1 Kommentar zu Was ist eigentlich Euer Problem mit Feminismen?

von Christoph

Progressive Strömungen werden innerhalb der Gesellschaft schon seit jeher kritisch aufgenommen und berechtigterweise diskutiert. So trägt dieser Diskurs schließlich zur notwendigen Formung und Vergesellschaftlichung dieser Inhalte bei. Gerade der Feminismus erfährt erfreulicherweise seit geraumer Zeit wieder einen Aufschwung und schafft sich seinen Wirkungsbereich, der bis in die Mitte der Gesellschaft reicht.

Gleichzeitig ist aber auch auf der Gegenseite eine dermaßen große Verachtung und so ein tiefgreifender Hass auf feministische Ansätze und Strukturen zu spüren, dass es schwer fällt, die Ursachen zu ergründen. Seien es Ernährungsformen, politische Positionen im Allgemeinen oder konkret die aktuelle Zuwanderungssituation in Europa. All diese Themen sind stark emotional aufgeladen und polarisieren – und dennoch spürte ich bisher selten soviel Unverständnis und Gegenwind wie beim bloßen Bekenntnis zum Feminismus. Hate-Speech ist in diesem Zusammenhang sicherlich kein exklusives Problem, sondern ein grundlegendes Internetphänomen – und dennoch ist es erschreckend, wie der bloße Wunsch, ein Stück vom Kuchen abzubekommen, Mord- und Vergewaltigungsfantasien in anderen Menschen auslöst.

Ist es das schlechte Image des Feminismus als vermeintlich männerverachtende Disziplin? Ist es die Angst vor einem Paradigmenwechsel innerhalb der Gesellschaft, so wie es Laurie Penny bereits in „Unspeakable Things“prognostizierte? Liegt es einfach nur am Unwissen und der Ignoranz der zahlreichen Kritiker? Die Ursachen sind letztendlich zu komplex und vielschichtig, um sie alle in diesem Artikel zu erläutern. Einen Ansatzpunkt und Einblick in die Denkmuster lieferte jedoch Ronja von Rönne bereits im April diesen Jahres mit ihrem polarisierenden Welt-Artikel zur Lage des Feminismus. Die zahlreichen Zusprüche ließen nicht lange auf sich warten, obwohl Rönne in ihrer Argumentation so vieles falsch aufgreift oder gänzlich ignoriert.

Denn scheinbar heißt im Jahre 2015 Kritik am Feminismus zu üben, noch immer Alice Schwarzer als Repräsentantin einer ganzen Bewegung zu sehen. Dass ihre Positionen allerdings auch von Feminist_innen durchaus stark kritisiert werden und der Feminismus selbst einfach zu breit aufgestellt ist, um von einer Person repräsentiert zu werden, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Die verkürzte Schlussfolgerung bleibt: Wenn mich Alice Schwarzer nicht anspricht, dann sicherlich auch kein Feminismus.Hier liegt jedoch der grundlegende Fehler, den viele begehen: Der Feminismus wird als Ganzes, als homogene Masse begriffen, und nicht als heterogenes System aus zahlreichen Feminismen, die mitunter verschiedene und gegensätzliche Ansätze verfolgen. Eine Alice Schwarzer steht dementsprechend genauso wenig für den Feminismus als Ganzes wie beispielsweise ein Attila Hildmann für den gesamten Veganismus steht! Und das ist auch gut so!

Weiter entlarvt Rönne durch ihr grundlegendes Unverständnis gegenüber Feminismen ihre eigene Ignoranz. Ich freue mich wirklich aufrichtig für jede Person, die es auch ungeachtet von allen gesellschaftlichen Normen und dem Einfluss des Patriarchats schafft, gesetzte Ziele zu erreichen und dabei keine Repressionen spürt. So auch Rönne, die nach eigener Auffassung die Zeichen der neoliberalistischen Zeit längst erkannt habe und durch bloßen Ehrgeiz und Eigenverdienst das für sich erreicht habe, was der Feminismus weiterhin mit mäßigem Erfolg fordere.Wer also folglich nicht über das nötige Durchhaltevermögen und die richtigen Talente verfügt oder in einem solchen Maße emotional gefestigt ist, um es mit dem Neoliberalismus aufzunehmen, verspiele sich auch sein Anrecht auf jegliche Privilegien. Die Schuld liege hier eindeutig beim Individuum und nicht den Mechanismen der Gesellschaft. Diese Annahme ist jedoch fundamental falsch und gefährlich! Eine Gesellschaft darf sich auf keinen Fall durch ein „Survival of the Fittest“ auszeichnen. Vielmehr sollten patriarchale Hürden überwunden werden, um eine Chancengleichheit zu garantieren. Ein Denken, welches ungeachtet der Umstände die eigene Leistung auch anderen abverlangt, ist hingegen absolut schädlich!

 

Vielleicht liegt es an meiner Sozialisation, dass die Mehrheit meines Freundeskreises unter dem Patriarchat leidet, aber dieser Fakt rechtfertigt es einfach nicht, dieses Leiden zu ignorieren. Normative Schönheitsideale und falsche Ansprüche an die Sexualität und das damit verbundene Fat- und Slut-Shaming, sowie gesellschaftlicher Druck im Hinblick auf Emotional-Shaming schaffen eine Kultur, die so nicht einfach hingenommen werden darf. Spätestens hier sollte doch Rönne und ihren Fans der massive feministische Handlungsbedarf bewusst werden. Ein „Reiß Dich halt mal zusammen!“ kann einfach nicht die letzte Antwort auf all diese Probleme sein!

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Jobben auf der Baustelle: Der Nebenjob in einer „Männer*welt“

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von Lomé

Einleitung

Schon als Kind, das auf einem alten Bauernhof mit Tieren, Treckerfahren und Baustellen aufwuchs, mochte ich es, mit meinen Händen etwas zu erschaffen. Ich mochte dreckige Hände, Lärm und das Gefühl, etwas geschafft zu haben. Dadurch, dass ich drei kleine Schwestern, aber keinen Bruder habe, gab es bei uns was Haushalts- und Hofarbeit anging, glücklicherweise keine geschlechtlichen Aufgabenverteilungen. Holz hacken, Feuer machen und Ställe misten gehörten genauso zum Repertoire einer jeden wie Kochen, Putzen und Wäsche aufhängen.

Später kam dann das Interesse an Architektur und anderen Bereichen, die mit „Bau“ und Baustellen zu tun hatten, hinzu. In der neunten Klasse machte ich im Rahmen des „Girls-Day‘s“ ein Ein-Tages-Praktikum in einem Ingenieurbüro. Ich war total aufgeregt, weil ich Angst hatte, als Mädchen möglicherweise fehl am Platze zu sein. Die Pubertät, die Erfahrungen auf der weiterführenden Schule durch LehrerInnen und MitschülerInnen und die Medien hatten mittlerweile dafür gesorgt, dass ich erkannt und erfahren habe, dass es nicht von allen als selbstverständlich und „richtig“ empfunden wurde, wenn Mädchen genau die gleichen Sachen machen wollten wie Jungs. Wir hatten hübsch auszusehen und ja die Klappe zu halten! In der fünften Klasse sollte mich mein Mathelehrer lehren, dass es sich nicht lohnt, Fragen von weiblichen Schülern zu beantworten, da diese eh „zu dumm“ (O-Ton) seien. Diese Aussage war nur eine von vielen seinerseits und generell.

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Leider ließ ich es damals zu, dass mich derartige Einstellungen stark prägten und merke bis heute, dass ich mir manchmal gewisse Dinge nicht zutraue, nur weil ich ein weibliches Geschlechtsorgan habe. Allerdings bemerke ich diese Mechanismen heutzutage und versuche gezielt, sie zu ändern. Beispielsweise hat der besagte Mathelehrer dazu beigetragen, dass ich in der Uni sitze und mich nicht traue mich zu melden, sobald ein autoritär/dominant wirkender Dozent die Veranstaltung führt, aus lauter Angst ich könnte aufgrund meines Geschlechts für mögliches Unwissen „bestraft“ werden. Ich übe!

Diese lange Einleitung war meines Erachtens nötig um einerseits mein Interesse für Handwerk und andererseits meine Angst vor Reduzierung auf meine Weiblichkeit zu erklären.

Mein Nebenjob als Bauhelferin

Mittlerweile jobbe ich regelmäßig für und mit einem guten Freund, der selbstständiger Handwerker ist, auf unterschiedlichsten Baustellen. Wir arbeiten sowohl in kleinen Wohnungen, großen Rohbauten als auch gewerblich genutzten Gebäuden. Manchmal sind wir nur zu zweit und manchmal sind die Baustellen von ganzen Handwerkerkolonnen gefüllt. Inzwischen kann ich professionell streichen, tapezieren, spachteln und einige andere Tätigkeiten, auf die ich stolz bin und durch deren Beherrschung ich mich freier und unabhängiger fühle. Außerdem verschafft es eine ungeheure Befriedigung, wenn mensch am Ende des Tages das Geschaffene vor Augen hat und gegebenenfalls sogar anfassen kann.

Ich empfinde meinen Nebenjob als Bauhelferin als guten Ausgleich – sowohl psychisch als auch physisch – zu meinem studentischen Schreibtischtäterinnendasein.

Ich kenne viele Frauen*, die ebenfalls Spaß daran hätten, handwerklich zu arbeiten. Leider bin ich nicht die Einzige, die Angst davor hat, aus reinen physiologischen Gründen, handwerkliche Arbeiten nicht leisten zu können. Und es gibt die Betriebe, die Bewerbungen von Frauen* kategorisch ablehnen und dies mit schlechten Arbeitsbedingungen rechtfertigen.

Unter schlechte Arbeitsbedingungen fällt zum Beispiel die allgemeine harte körperliche Arbeit. Allerdings wage ich es zu behaupten, dass Frauen*, die sich für eine Ausbildung oder eine Job im Handwerk bewerben, sich nur dann bewerben, wenn sie es sich selbst körperlich zutrauen.

Zum Einen hat der Verschleiß des Körpers wenig bis nichts mit dem Geschlecht zu tun. Ich kenne mittlerweile viele männliche Handwerker, die bereits nach ein paar Berufsjahren lang anhaltende Verletzungen zu beklagen haben. Die Ausrede, dass Frauen* generell körperlich weniger fürs Handwerk geeignet sind, gilt also schonmal nicht.

Zum Anderen gibt es ja auch die Möglichkeit Arbeiten nach Belastung aufzuteilen. Mein Chef und ich teilen die Aufgaben meist auf, je nach Lust, Können und körperlichen Möglichkeiten.

Desweiteren wird als Grund für die kategorische Ablehnung von Frauen* in handwerklichen Berufen oft angeführt, dass die Sanitäranlagen für „spezifisch weibliche“ Bedürfnisse unzureichend bis gar nicht vorhanden sind. Ich habe auch schon auf einigen Baustellen gearbeitet, auf denen es keine funktionierenden Toiletten hab. Und ja, dass war manchmal unbequem, vor allem wenn ich meine Periode hatte. Aber auch Männer* haben Bedürfnisse, für die sie funktionierende Toiletten und Sanitäranlagen brauchen!

Deswegen sollte die Handwerkskammer sich meiner Meinung nach generell dafür stark machen, dass unter ordentliche Arbeitsbedingungen auch Sanitäranlagen fallen. Zur Not müssen die Auftraggeber Dixie-Klos bereitstellen.

Abgesehen von solchen Dingen, die sich in naher Zukunft hoffentlich verbessern werden, kann ich sagen, dass das „Frausein“ auf Baustellen sich mit (durch die Bank weg) männlichen Kollegen besser anfühlt als gedacht. Zwar schauen viele erst überrascht, wenn ich auftauche und es gab mal Sprüche wie „Oh, eine Frau auf der Baustelle!“, aber nachdem die erste Überraschung abgeklungen ist, werden keinerlei geschlechtsspezifische Unterschiede mehr gemacht. Im Gegenteil begrüßen es viele Handwerker, dass Emanzipation und Gleichberechtigung nun auch im Handwerk ankommen.   Ich denke, dass es wie meistens die Arbeitsbedingungen sind, die die Arbeit schwer machen! Und das sollte sich ändern. Dafür braucht es aber wahrscheinlich noch einige Frauen*, die anfangen im Handwerk zu arbeiten und dann ihre Stimmen erheben können. Dadurch, dass ich mittlerweile viele Handwerker getroffen habe, die das ebenfalls so sehen und ja auch von verbesserten Arbeitsbedingungen profitieren würden, bin ich voll optimistischer Erwartungen.

Falls dieser Text nun von Personen gelesen werden sollte, die dieselben Bedenken aufgrund sexistischer und weiterer negativen Erfahrungen haben sollten, kann ich euch sagen:

Traut euch!!! Es lohnt sich!

Smash the Patriarchy!

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Chester Brown: Paying for it – Ich bezahle für Sex

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von Giovanna Gilges

WERKAUFBAU
Die englischsprachige Originalausgabe erschien 2011 bei dem kanadischen Verlag Draw & Quarterly unter dem Titel „Paying for it – a comic strip memoir of being a John.“[1] Die deutschsprachige Ausgabe erschien ein Jahr später unter dem Titel „Ich bezahle für Sex – Aufzeichnungen eines Freiers“ bei dem schweizerischen Verlag Walde + Graf.

Der erste Buchteil ist in sich abgeschlossen und bietet das Zentrum des Werkes, die Graphic Novel; klassisch eingebettet zwischen Vorwort und Nachwort.

Der zweite Buchteil bezieht sich auf die Graphic Novel, umfasst insgesamt 89 Seiten und ist ein gewichtiger Part des Werkes. Vor allem der Anhang und die Anmerkungen beinhalten diverses Hintergrundwissen bezüglich Browns Recherchen, politisch konnotierte Stellungnahmen und Ausführungen, sowie nachträgliche Erklärungen bezüglich einzelner Aspekte und kritische Momente in der Graphic Novel. Das Konzept eines Anhangs und der Anmerkungen nach der Graphic Novel taucht in „Paying for it“ nicht zum ersten Mal auf und wurde demnach nicht deswegen hinzu gebracht, um sich als Freier zu verteidigen oder ähnliches. Brown hat das Konzept bereits in „Riel“ verwendet und wird von ihm seitdem vorgesetzt. Die Graphic Novel kann unabhängig von diesem Buchteil gelesen werden.[2]

WORUM GEHT ES IN DEM WERK?
Die Graphic Novel stellt eine protokollierende Dokumentation dar, in der Chester Brown „alle Momente festgehalten“ hat, in denen er bis zum Jahr 2003 Kontakt zu Sexarbeiterinnen* hatte.[3] Der reflexive Faden in seiner Erzählung ist neben der Auseinandersetzung mit der Prostitution in aktiver Inanspruchnahme, die Suche nach einer für ihn lebbaren Definition von intimer Beziehung zu einer zweiten Person jenseits des gesellschaftlichen Konzeptes der romantischen Liebe. Jene romantische Liebe, der ein gewisser Besitzanspruch an einer anderen Person inhärent ist. Letztlich fand er die für ihn optimale Form in „a new kind of monogamy with his‚ special friend“.[4] Ausgangsmoment seines Prozesses war die damalige Trennung aus einer monogamen Liebesbeziehung mit Sook-Yin Lee[6]. Im Verlauf der Geschichte können Gespräche verfolgt werden, in denen unterschiedliche Ansichten zur ‚romantischen Liebe‘ vorkommen und zum Ende hin wird Browns individuelle Lösung auf den Punkt gebracht.

Auf den letzten Seiten der Graphic Novel also ziehen sich die Fäden des Prozess, welcher durch die Inanspruchnahme von Sexarbeit losgetreten wurde, zu einem Gewebe zusammen und eine geschliffene Definition einer für Chester Brown angebrachten alternativen Beziehungsform, die Sex beinhaltet, artikuliert sich.

“ Wenn ich also nicht gegen romantische Liebe bin, wogegen bin ich?
Ich bin gegen Monogamie mit Besitzanspruch. “[5]

Die Erzählungen seiner Treffen mit den 23 Sexarbeiterinnen* sind umrandet mit Szenen, in denen Brown mit seinen Freund*innen und seinem Bruder über die Prostitution, das Freiersein und der ‚romantischen Liebe‘ als gesellschaftliches Lügenkonstrukt diskutiert und debattiert; nennenswert darunter Sook-Yin Lee, Joe Matt[7] und Seth[8].

Wenn auch die Graphic Novel politisch motiviert ist, so gibt es konkret nur eine politische Diskussion über Legalisierung und Entkriminalisierung der Prostitution zwischen Chester Brown und seinem Freund Seth; gleichwohl sie die längste Szene der Graphic Novel mit insgesamt 46 Panels ist.

Brown verzichtet in der biographischen Erzählung komplett auf eingeschobene Reflexion, die seine damaligen Entscheidungen und Handlungen relativieren oder nachträglich erklären oder entschuldigen würden. Sämtliche Kommentare befinden sich im ausführlichen Anhang und den Anmerkungen.

DER ZEICHENSTIL
In „Paying for it“ radikalisierte Brown seinen minimalistischen Zeichenstil, der ihm mitunter vorwurfsvolle Kritik dahin einbrachte, dass er seinem Treiben und den Sexarbeiterinnen* emotionslos gegenüberstehe und die Sexarbeiterinnen* auf austauschbare Körper reduziere.[9]

Emotionen der dargestellten Charaktere lassen sich in den Gesichtern nur geringfügig ablesen, das stimmt. Insbesondere Browns Gesichtszüge erscheinen erstarrt. Brown erklärt, dass es ihm im Laufe der Jahre zunehmend unangenehm wurde, Emotionen abzubilden. Und dies ging soweit, dass er mitunter 30 bis 40 Seiten seiner Arbeit einfach verwarf, da er empfand, zu viel Gefühl in die Zeichnungen eingebracht zu haben.[10] Brown jedoch nutzt den minimalistischen Zeichenstil, um das Gewöhnliche an der Situation „bezahlter Sex“ darzustellen.[11]

Die emotionale Ausdrucksarmut kontrastiert die Emotion in Panel 195:8 umso mehr, in dem eine Gedankenblase dargestellt ist, in der Gewitterwolken mit Blitzen die über die Hälfte des Panels bedecken. Was auch Hinweis darauf gibt, dass er, obwohl äußerlich scheinbar emotionslos (weil gefasst und keine oder wenig Regung), die Gedanken unruhig weiterlaufen und er gar in Rage ist.
Als ein weiteres Beispiel besonderer Emotion ist Browns erste Erfahrung mit einer Sexarbeiterin zu erwähnen. In den Panels 48:7-49:2 stellt Chester Brown mit Sinnlichkeit fest, dass ihm durch das Erlebnis eine Last abgefallen und nie zurückgekehrt seit, die er seit seiner „Jugend herumtrug“. Im Panel 49:1 sieht man Chester Brown gewisserweise zwischen zwei Textpanels, mit dem Fahrrad wegfahren, wie ein Junge, der es aufgeregt eilig hat nach der Schule heimzufahren.

SCHUTZ DURCH ANONYMISIERUNG – Künstlerische Lösung
Im Vorwort bemerkt Brown, dass er sich mit vielen der Frauen unterhalten hat und sie ihm auch Privates von sich mitteilten. Er bedauert, dass er aufgrund der Schutzmaßnahmen vieles davon nicht hat in die Geschichte einfügen können und weist darauf hin, dass er die privaten oder individuellen Inhalte der Frauen auf ein Minimum reduzieren oder gänzlich weglassen musste. Wenn er etwas von deren Leben preisgibt, so „sind diese Details entweder banal, oder sie betreffen ihre Arbeit.“[12] Und auch die Ansichten, die er die Frauen aussagen lässt, seien solche, die verbreitet sind.
Um die Identität der Sexarbeiterinnen* zu schützen, hat Brown in der Darstellung der Frauen mehrere künstlerische Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt und verzichtete dabei auf alles, „was ihre Identität möglicherweise enthüllen könnte“[13]. Weiter änderte er die Berufsnamen der Frauen. Auf der physischen Ebene zeichnete er die Frauen so weit wie sie erschienen, ließ aber sehr wohl besondere Details wie Tättowierungen oder Narben und ähnliches aus, die besonders hätten identifizieren lassen können. Ebenfalls hat er die Frisuren der Frauen geändert und alle sind sie in der Graphic Novel einheitlich schwarzhaarig. Weiter entschied sich Brown, an den dargestellten Personen keine ethnische Unterscheidung ausmachen lassen zu können. [14] Die auffälligste Vorsichtsmaßnahme ist die, dass die Gesichter der Frauen dem Lesenden ausnahmslos abgewendet sind. So sind die Frauen optimal zensiert und lässt sich jegliche Vermutung über die Identitäten der Frauen verwehren.

DER VORWURF DER OBJEKTIVIERUNG DURCH ANONYMISIERUNG
Der Tenor der wenigen kritischen deutschsprachigen Stimmen der Graphic Novel, interpretiert die abgewendeten Gesichter der Sexarbeiterin als Gesichtslosigkeit und damit als bloße Objektivierung vonseiten Brown:

Auf der einen Seite schützt Brown so ihre individuellen Identitäten, auf der anderen Seite reduziert er sie damit erst recht zu einer Art austauschbarem Objekt ohne eigenen Geist. Wer A sagt, muss auch B sagen. Stattdessen nimmt Brown den leichtesten Ausweg und zieht sich auf das Schutzargument zurück.“ [15]

Gefolgt von den üblichen Ausbeutungstiraden über Freier. Auf die Kritiken im Einzelnen einzugehen, lohnt nicht weiter, da sie von oberflächlicher Auseinandersetzung mit der Graphic Novel zeugen sowie der*s Sexarbeiter*in als soziale Realperson innerhalb unserer Gesellschaft. Liest mensch die Graphic Novel aufmerksam, so kann festgestellt werden, dass die Frauen dezidierte Charaktereigenschaften besitzen, die Brown in der Lage ist, in den Szenen zu porträtieren. So erfahren wir auf den Panels 60:7-67:3 von einer unangenehmen Situation, in der sich Brown gegenüber einer Sexarbeiterin nicht angemessen verhielt und sie – Carla – es ihm deutlich machte. In dieser Szene gefällt Carla das Vorgehen von Brown nicht, wie er versucht, seinen Orgasmus hinauszuzögern und sie im Zuge dessen solange penetriert, dass es ihr mittlerweile Schmerzen bereitet. Sie teilt es ihm einmal fragend mit und kommuniziert dann beim zweiten Mal auch die Schmerzen. Brown verstellt sich beide Male unwissend über seine Intention, die den beiden aber in diesem Moment völlig klar ist. Carla bricht den Sex ab und verlässt verstimmt den Raum in Richtung Badezimmer. Während Brown sich anzieht, kommt sie, die vorige Situation ansprechend zurück. Sie gehen beide mit der Situation um. Nicht nur, dass Carla ihren Unmut geäußert hat, sie hat sogar die Sexhandlung selbstbestimmt abgebrochen und Brown hat es akzeptiert.

Die Sexarbeiterinnen*, die Brown mehrmals besucht, kann mensch sogar ein wenig besser „kennenlernen“ und einen Einblick erhalten, wie Freier und Sexarbeiterin* sich unterhaltend austauschen. Auf den Panels 103:2-4 lässt Brown die Sexarbeiterin Anne erzählen, wie sie zur Sexarbeit gekommen ist, später auf 108:1-109:2 unterhalten sie und Brown sich über ihre persönliche Arbeitsrealität. Selbige ist bereits im vorigen Kapitel Charakter geworden, indem Brown sie und sich über Comics und andere Themen reden ließ. Auf 120:8-181:4 wird von ihrer Menstruation am Tag ihres ersten Kunden erzählt (Menstruationsschwämmchen). Anne wurde einige Male besucht und mensch erfährt immer mehr über sie; auch erhält mensch einen Eindruck von der entspannten Vertrautheit, die sie und Brown genießen. Und auf 121:6-122:1 was sie in der Wartezeit zwischen ihren Kunden macht. Oder auch Wendy, die durch ihre Fahrigkeit auffällt und dabei versucht, diese mit ihrem Charme zu übertünchen (123:4, 115:5). Daneben wirkt die später auftauchende Diane zwar ebenfalls fahrig und unsortiert, aber auf eine andere Weise als Wendy, eher abwesend (127:2-129:7). Bemerkenswert ist auch ein längeres Gespräch über 31 Panels zwischen Brown und Edith, in dem sie zum Einen über das Konzept der „romantischen Liebe“ sprechen und über die Abwertung und Aufwertung von Bezeichnungen der Sexarbeiterin sowie das Selbstverständnis von Edith[16], wobei sie bei beiden Themen konträrer Meinung sind (197:4-201:2). Jede einzelne Sexarbeiterin ist, orientiert an der Häufigkeit und Dauer der Treffen, individuell charakterisiert, in allen Fällen sind sie untereinander nicht verwechselbar; ebenso wie die einzelnen Treffen sich keines Mal gleichen. Der Vorwurf, Brown objektiviere die Frauen und mache sie ersetzbar, sollte damit vorläufig widerlegt sein.

Ich bezahle für Sex, 63:1-8

Im Übrigen sei erwähnt, dass solche Vorgehensweisen zur Anonymisierung von Personen in Forschungsprozessen an und mit der Person zur Grundlage gehört und in Deutschland unter anderem durch das Datenschutzgesetz reglementiert sind. Besonders Akteur*innen der Sexarbeit, die einer überaus hohen Stigmatisierung und Kriminalisierung ausgesetzt sind, muss ein Schutz garantiert werden, der sich mitunter darin äußert, sämtliche Personen zuschreibende Informationen zu anonymisieren. Brown als Künstler hat demzufolge eine beispielhafte künstlerische Lösung entwickelt und umgesetzt, eine Anonymisierung der Person zu ermöglichen und dennoch im angemessenen Umfang Aussage und Erzählung zu schaffen.

Kritiker*innen, die fordern, den Sexarbeiterinnen* in der biographischen Graphic Novell mehr zuschreibende Details zu geben und deren Gesichter einfordern, fordern, den Datenschutz von Personen zu ignorieren, um einen doppelmoralischen Voyeurismus zu befriedigen!

MEINE BEURTEILUNG
Die Graphic Novel ist aus historischer, rechts-politischer und für die Debatte der Prostitution relevanter Sicht – kurz: aus fachlicher Sicht – ein wertvolles zeitgeschichtliches Dokument, welches die dynamische Entwicklung der Prostitution über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten erzählt. Aus einer Perspektive, von der äußerst selten so detailiert und ehrlich mitgeteilt wird. Brown ermöglicht einen nachvollziehbaren Einblick in die aufwändigen Vorsichtsmaßnahmen vonseiten der Sexarbeiterinnen*, um sich vor der Exekutive zu verstecken. Und auch, wie beispielsweise das Internet langsam zum Bestandteil der Akquise vonseiten des Kunden als auch der Sexarbeiterin* wird. So sieht der Leser Brown im Laufe der Zeit häufiger in Internetcafés. Die Suche und Überprüfung der Sexarbeiterin* verlagert sich allmählich von der anfänglichen Printanzeige und dem Telefongespräch zu Webpräsenz, Freierkritik und Telefonabsprache. Genauso lässt sich in der Biographie beispielweise auch zeitlich festmachen, wann die neue Erwartung des Kunden nach „mehr Gefühl und echter Lust“ (bewiesen am Küssen und Oralverkehr ohne Kondom) in das Angebot mancher Sexarbeiterinnen* Einzug erhielt.[17] Das Werk ‚Paying for it‘ ist ein Goldstück von „O-Ton-Dokument“.

Dave Gilson bringt im Vorwort seines Interviews über die Figur Chester Brown auf den Punkt, dass Brown „[a]s the public face of the usually anonymous sex client, […] doesn’t come off as a pervert or a predator. Nor is he the rational actor he thinks he is.”[18] Mit für Brown typischen schonungslosen Ehrlichkeit, schafft er es, den Freier weder bloß zu stellen, noch zu verteufeln, aber auch nicht zu romantisieren. Er bringt es in seiner Graphic Novel und mit seiner Person fertig, der Öffentlichkeit zu verdeutlichen, dass ein Freier, ein beliebiger Bürger sein kann und nahezu immer ist; und besonders wichtig, eine Person stets im reflektierendem Prozess seiner selbst.

Brown ermöglicht dem Leser, anhand seiner Person den unsichtbaren „Dämon“ Freier kennenzulernen. Wohlbemerkt, der Leser lernt nur einen Freier kennen, nämlich Brown. Sein Initialmoment, seine vorsichtigen und auch besorgten Versuche, Kontakt zur Sexarbeit zu erhalten und die ersten Erfahrungen und dabei aufkommenden Unsicherheiten, Überlegungen, Zweifel und sich entwickelnden Strategien, aber auch Fehlverhalten können als beispielhaft betrachtet werden, für einen vermutlich nicht unerheblichen Teil der unregelmäßigen und regelmäßigen Kunden von Sexarbeit in den Industrieländern. Dadurch macht Brown sowohl die Figur Chester Brown als aber auch ‚den Freier‘ zu einer ganzheitlichen Persönlichkeit mit Vorgeschichte und einem realen Lebensprozess mit Erkenntnisgewinn.

Die Kommentare und Ansichten im zweiten Buchteil, scheinen seine Kenntnisse und direkten Auseinandersetzungen und Erfahrungen wiederzugeben. Er bleibt persönlich und im Rahmen der Möglichkeiten eines Comiczeichners, der Freier/Akteur ist und als Politiker auftritt. Diese Herangehensweise und die Selbstdarstellung Browns ermöglichen einer Leserschaft, sich mit ihm auf Augenhöhe begegnend auseinanderzusetzen, sich auch noch einmal auf Ebene der Debatte mit ihm zu identifizieren und/oder sich an ihm abzuarbeiten. In jedem Falle bietet er an, sich (gerne auch ihm gegenüber) zu positionieren, sowie, die eigene Einstellung und den eigenen Kenntnisstand zu reflektieren.

Durch sein Medium und aufgrund seiner relativ einfachen Sprache, ist Brown vermutlich in der Lage, einen Personenkreis zu erreichen und abzuholen, den zu erreichen sonstige Aufklärungseinsatzbemühungen von Vereinen, Institutionen und Expert*innen mitunter schwerer fällt bzw. schwerer fallen kann. Die Debatte um den Freier kann durch Brown. Werk nun zum Geburtstag und zu Weihnachten unter dem Tannenbaum verschenkt werden.

Das Werk ist kein umfassendes Werk zur Aufklärung und bedingt seiner spezifischen künstlerischen Fachkompetenz und seinem politisches Selbstverständnisses, ist Brown – so muss festgehalten werden – eingeschränkt in der theoretischen und sachlichen Darlegung des Komplexes Strukturelle Prostitution und der Debatte. Doch darf auch nicht vergessen werden, dass mitnichten die Aufgabe dieses Werkes sein kann und darf. „Paying for it“ ist eine autobiographische Graphic Novel eines Mannes, der erzählt. Aus seiner eigenen, äußerst persönlichen Perspektive als Freier und dabei geradezu zufällig ein begnadeter und verantwortungsbewusster Künstler und hinzu kanadischer man of politics. Die Verantwortung von diesem Werk und von Brown zu verlangen, mit dem Werk durchdringend politisch neutral zu sein und souverän in der Theorie, zeugt, meiner Ansicht nach, von Mangel an alternativer Literatur und einem immer noch misstrauischen und/oder fehlenden Dialog auf Augenhöhe mit den Freiern der eigenen Gesellschaft.

Trotz der oben aufgezeigten Schwächen besonders des zweiten Buchteiles, bin ich weit fern der Verurteilung, mit den Anmerkungen handele es sich um Formulierungen und imperative Positionen, die die sachliche und intellektuelle Debatte gefährden. Wenn auch Schwächen offensichtlich vorhanden sind, so zeugen die Anmerkungen von reflektierter Auseinandersetzung und können durchaus und sogar auf gute Weise für die Leserschaft verschiedener Idealtypen verwendet werden, um für unterschiedliche Anliegen verwendet zu werden, sich daran abzuarbeiten. Darüberhinaus betrachte ich gerade auch die kritischen Textstellen in dem zweiten Buchteil als hervorragendes Material für didaktische und pädagogische Konzepte in reflexiven Bildungskontexten. Bei reflexiven Bildungskonzepten spreche ich besonders an, dass die genannten Textstellen des Werkes in kulturpädagogischen sowie sex- und genderpädagogischen Bildungskonzepten hohen Wert besitzen. Als einfaches Beispiel kann hier Browns eingeschränkter und kurzsichtiger Gewaltbegriff herhalten, der dann kritisch zum Tragen kommt, als er den Standpunkt vertritt, es sei keine Belästigung, auf offener Straße gefragt zu werden, „ob man für 20 Dollar einen geblasen bekommen will“, sondern es schlicht eine Frage sei.[19] Seine Schlussfolgerung, begründet sich, so meine Interpretation, mitunter auf mangelnde Abstraktion seines eigenen persönlichen Empfindens und dem Ausklammern von sprachlicher Gewalt.

Ich bezahle für Sex, 7/der Einfluss des Geldes, S. 245

 

Fußnoten:
[1] umgangsprachlich: Freier, Prostitutionskunde
[2] Grace/Hoffman (Mc Gillis), S. 215
[3] Vgl. Brown, S. IX
[4] Grace/Hoffman (Köhler), S. 210
[5] Brown, 224:4-224:5
[6] In Deutschland vorrangig bekannt geworden durch den Film Short Bus, 2006. Rocksängerin, Rundfunkmoderatorin, Filmschauspielerin, -regisseurin, Drehbuchautorin.
[7] Peepshow-Comics, dt. Ausgabe 2007
[8] It’s a good life, if you don’t weaken, 2003
[9] Vgl. u.a. Göllner, Schmitz-Dräger / Bereuter / Hetzler (2012, 2014)
[10] Vgl. Adams
[11] Vgl. Hays
[12] Brown, S. X
[13] Ebda., S. X
[14] Vgl. ebda., S. X-XII
[15] Hetzler (2012)
[16] Edith will einen Unterschied verstanden wissen, zwischen Sexarbeiterin und ihr als Escort, um ihre Selbstbestimmtheit hervorzuheben; für sie sind Sexarbeiterin Opfer, die zum Sex gezwungen werden (Panels 199:2-199:6).
[17] Siehe dazu „leidenschaftliche Küsse“ in Brown, 170:1-8 und 207:3
[18] Grace/Hoffman (Gilson), S. 229
[19] Vgl. Brown, S. 279

Quellen/Literatur/Links:
ADAMS James (2011): A panel-by-panel of Chester Brown’s graphic style http://www.theglobeandmail.com/arts/books-and-media/a-panel-by-panel-of-chester-browns-graphic-style/article634961/, Abrufdatum 20.03.2015

BEREUTER Zita (2012) auf FM4: What the Fuck? http://fm4.orf.at/stories/1696458/ Abrufdatum 02.02.2015

GRACE/HOFFMAN (Hg.): Chester Brown. Conversations. University Press of Mississippi. Autoren: Köhler, McGillis, Gilson 2013 http://www.jstor.org.stable/j.ctt2tvpf9 Abrufdatum 08.01.2015
GÖLLNER/SCHMITZ-DRÄGER auf tagesspiegel (2012): Auf Freiersfüßen http://www.tagesspiegel.de/kultur/comics/debatte-auf-freiersfuessen/6479254.html Abrufdatum 02.02.2015

HAYS: Honest John: Chester Brown on his Penchant for Prostitutes in his Memoir Paying for It.
Montreal Mirror 2011

HETZLER Peter auf comickunst (2012): Ich bezahle für Sex https://comickunst.wordpress.com/2012/03/14/ich-bezahle-fuer-sex/ Abrufdatum 02.02.2015

HETZLER Peter auf joyclub (2014): „Fuck“ und „Ich bezahle für Geld“. Die eigenwillige erotische Welt des Chester Brown. http://www.joyclub.de/erotische_literatur/fuck_und_ich_bezahle_fuer_sex.html Abrufdatum 02.02.2015

Und es ist doch politisch!

Und es ist doch politisch! published on Keine Kommentare zu Und es ist doch politisch!
von Käthe

Wenn ich im Supermarkt vor dem Obst stehe, habe ich viele Optionen. Die Bananen zum Beispiel: Ich kann einfach bei den günstigsten zugreifen und ab zur Kasse damit. Ich kann aber auch die Fairtrade-Bananen wählen und ein paar Cent mehr dafür bezahlen oder ich lass es einfach mit den Bananen und kaufe ein paar Äpfel aus NRW. Und warum entscheide ich mir für die eine oder andere Option? Weil ich es gewohnt bin, weil ich gestern erst ein Artikel über die Ausbeutung auf Bananenplantagen gelesen habe, weil ich die lokalen Obstbauer unterstützen möchte und meinen CO2-Fußabdruck klein halten möchte. Dieses Beispiel macht deutlich, dass die kleinsten Entscheidungen im Leben auch politisch sein können und es mir auch in den kleinen Fragen wichtig sein kann, für mich die richtige Entscheidung zu treffen.
Jetzt erscheint es mir allerdings sehr anstrengend jede Frage im Alltag politisch auszuhandeln. Ich habe aber gemerkt, dass mir manche Fragen wichtiger geworden sind, als andere Fragen. Warum? Irgendwie habe ich sie mir mal bewusst gemacht, habe was gelesen und mir überlegt und möchte in diesen Fragen für mich politisch handeln. Also kaufe ich Fairtrade-Bananen (wobei ich auch gelesen habe, dass die Zertifizierung von Fairtrade-Produkten eine nicht so eindeutige Sache ist).Photo: Chiara Fabri
So wie ich mir mal irgendwann über Bananen Gedanken gemacht habe, habe ich auch mal über meine Vorstellungen von Familie und Elternsein Gedanken gemacht. Hier ist aber auch anzumerken, dass ich keineswegs einen Gedankenprozess abgeschlossen habe, sondern dieser immer in Bewegung ist und neu ausgehandelt wird. Aus meinem Gender Studies Studium habe ich natürlich viele interessante Diskussionen zu Themen mitnehmen können, die sich auf viele vermeintlich private Bereiche beziehen. Leider arbeite ich aktuell nicht in einem Betrieb, in dem ich irgendwie meine Erkenntnisse aus den Gender Studies beruflich anwenden könnte. Aber das ist ok. Ich merke aber, dass die Erkenntnisse, die ich aus meinem Studium gewonnen habe, ganz klar Einfluss auf mein ganz privates Leben haben. Und bestimmte Entscheidungen, die ich treffe oder treffen werden, sind für mich politisch. Kinder oder keine Kinder? Rosa und hellblau oder eben nicht? Karriere- oder Hausfrau? Auto oder Fahrrad?
„Das Private ist politisch!“ Mit diesem Spruch starteten die Feministinnen in den 70ern eine Bewegung für mehr politische Aufmerksamkeit in Sachen häuslicher Gewalt oder auch Schwangerschaftsabbrüchen. Sie wollten Themen in politischen Fokus rücken, die bislang übersehen wurden. Sie starteten sozusagen ihre Aufschrei-Aktion und sprachen auf einmal über Tabuthemen. Dies war ein wichtiger Schritt für die Gesellschaft und Politik überhaupt ein Bewusstsein für feministische Themen zu entwickeln. Bis heute sind die Themen von damals auf der Agenda der Politik.
Kürzlich ist mir in einem Gespräch aufgefallen, dass es heute aber doch nicht so selbstverständlich ist, das Private auch als politisch zu betrachten. Also wenn die Feministinnen der 70er das Private ins Politische transportieren konnte, dann kann ich auch das Politische in mein Privates übertragen. Wenn ich möchte. Klar ist das vielleicht anstrengend und auch für meine Mitmenschen in meinem Umfeld eventuell befremdlich. Aber durch meine Entscheidungen kann ich doch eine Gesellschaft mitgestalten, in der ich leben möchte, beziehungsweise auch einen IST-Zustand kritisieren. Vielleicht hört es sich für manche naiv an. Mein Leben ist aber immer ein bisschen Politik.

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