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Love Island. Auf einem FilmFestival kann es nicht immer Kuchen geben.

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von Albert Byrd und Chiara Fabri

Im März 2015 schrieb Steffen Jan Seibel im ZEIT Magazin online, dass es nur eines Schwulen auf der Leinwand bedarf, der „etwas typisch Schwules“ tut, damit der Kinosaal lacht. „Das wäre so, als würde das Kino lachen, wenn in einem Film ein alter Mann alt ist und etwas typisch Altes tut. Im Sessel sitzen, zum Beispiel.“* Den Herrn Seibel kann n** jetzt ganz gut hinzuziehen, denn die pseudoprogressive Dreiecks-, Beziehungs-, Sommerkomödie „Love Island“ mit angeblichen Balkan-Humor schafft genau das; auf so vielen Ebenen und das alles in anstrengend.
Sie Französin, Landschaftsarchitektin, er Bosnier, Bandmanager. Sie schwanger, er nicht der Hellste. Zusammen ein Ehepaar. Kroatien, Strand und all-inclusive Cluburlaub. Und dann, festhalten, trifft sie ihre Ex. Jaha, ihrE Ex. Und dann geht es hin und her. Sie will ihre Ex nicht mehr sehen, dann geht sie zu ihr und küsst sie, aber die hat schon ihren Mann verführt, der voll Bock auf Sex mit der Ex (ihrer Ex, nicht seiner) hat, dann sind alle traurig und/oder sauer, es geht hoch und runter und am Ende? Am Ende knutschen sich alle drei, in Angesichts des Neugeborenen und der Idee einer Menagé a troi aka Regenbogenfamilie aka das letzte Wörtchen ist noch nicht gesprochen. Und am Ende? Am Ende hat man Honig im Kopf, nur ohne Till Schweiger in der Regie. Dafür mit Jasmila Žbanić und die hat im Vergleich zum Till, irgendwann mal einen goldenen Bären abgeräumt. Aber nicht für „Love Island“ und ich lehne mich nicht sehr weit aus dem Fenster, wenn ich hier mal proklamiere: Das bleibt auch so.

cdn.indiewire.com

Es mag sein, ich bin zu blöd, um die hohen Motive von Jasmila Žbanić zu verstehen. Vielleicht hat sie ja bewusst, mit dem Ziel ein breiteres Publikum für alternative Beziehungskonzepte zu sensibilisieren, die Sprache des ZDF Fernsehgartens angenommen. Vielleicht wurde auch jeder noch so kleine Stereotyp ausgepackt und zu Tode klamaukt, um einen Kontrapunkt zu setzen. Um zu zeigen, dass man sich, ohne das eigene Gesicht zu verlieren, über die eigenen Vorurteile erheben kann. Ja vielleicht habe ich die Anspielung mit dem Ritter, der unerwartet durchs Bild reitet zu Unrecht als billiges Garden State-Plagiat verstanden und ich sollte eher in der Bergmann-Ecke nach einer besseren Erklärung suchen.
Oder aber Jasmila Žbanić hat diese ganze intellektuelle Scheiße von früher satt, Nachkriegs-Bosnien ist eh voll 1990er, und will jetzt mal so richtig die dicke Kohle der Filmförderinstitutionen für Quatsch verballern. In diesem Zuge kann sie auch Franco Nero, ganz charmant – seine Karriere als testosteronsprühender Westerndarsteller lief wohl gerade aus – sexdebil über die Bühne schleifen.
Was Žbanić schaffte (hoffentlich ohne es zu wollen) ist, dass die Tatsache, dass zwei oder mehr Menschen, egal welchen sozialen Geschlechts, die konstruktiv alternative Formen des Zusammenlebens erwägen und ausprobieren, eine inadäquate Lächerlichkeit erfährt. Sie hat es geschafft, dass ein Kino vollgepackt mit ihrem Publikum, das bei näherer Betrachtung auch keine 30 mehr ist, sich amüsiert, wenn sich da zwei Männer küssen, die eine Frau die andere befriedigt und in krudester Manier jeder Hauch von argumentativem Diskurs über angesprochenen Sachverhalt mit subversiven Fickwitzchen davon geblasen wird.

Wilkommen im deutschen Kino, Frau Žbanić.

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Kroatien, Deutschland, Bosnien Herzegowina, Schweiz. 90 Minuten
Regie: Jasmila Zbanic
Drehbuch: Jasmila Zbanic, Aleksandar Hemon

* www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2015-04/schwule-witze-homosexuell-humor
** n ersetzt das allgemeine ‚man‘

Rückblick: Die Geschichte der Dortmunderin Elisabeth Wilms

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von Frau Fuchs

Der Dortmunder Dokumentarfilmemacherin Elisabeth Wilms (1905-1981) verdanken wir – als junge Generation – es, auch nur ein vages Gefühl dafür zu bekommen, wie das alltägliche (Über-) Leben der Menschen nach dem Krieg ausgesehen hat. In Trümmern und Schutt schufen sie sich imaginäre Wege, um sich überhaupt in diesem Chaos zu orientieren. Zerfranste Betonplatten, herausragende Stahlstreben, halbeingefallene Dachstühle; das sind die Orte, an denen die wenigen Überlebenden weiterhin leben und ihren Alltag bestreiten. Bescheiden kann man es nicht nennen. Eher jämmerlich. Diese Bilder berühren und rütteln auf. Eine Frau klettert über Bruchstücke ehemaliger Häuserwände hinab in ihre Behausung: Ein Kellerloch, indem ihre Kinder hungrig auf sie warten. Ihr kleiner Sohn zieht sich die durchlöcherten Strümpfe an. Der entkräftete Vater liegt im Bett, welches er sich mit seiner siebenköpfigen Familie teilt. Einer seiner Söhne muss ihn morgens zur Arbeit im Wachdienst begleiten, weil er zu schwach ist, um allein auf den Beinen zu stehen. Die tristen Augen in seinem eingefallenen Gesicht lassen nur erahnen, welche schlimmen Dinge er im Kriegsdienst gesehen haben muss. Ein mulmiges Gefühl macht sich breit. Mehrere Einzelschicksale der Nachkriegszeit des zerstörten Dortmund hält Elisabeth Wilms mit ihrer Kamera fest und ich denke daran, welchen KOMFORT wir heute genießen dürfen. Schon allein ein eigenes Bett zu haben und nicht frieren zu müssen. Elisabeth Wilms 2 Quelle frauenruhrgeschichte

Elisabeth Wilms Quelle frauenruhrgeschichte.de

Eine mutige Frau, diese Elisabeth Wilms. Doch woher nimmt sie das Equipment und die innere Kraft um überhaupt solche Aufnahmen zu produzieren? Als Ehefrau eines im alten Dortmund sehr erfolgreichen Bäckermeisters steht die willensstarke Frau bereits zu Vorkriegszeiten nicht hinter der Ladentheke und verkauft Brotlaibe, nein, stattdessen filmt sie lieber und hält ihre subjektiven Eindrücke fest, die uns heute imponieren, zeigen sie ein ganz anderes, durch die Bomben im Krieg verloren gegangenes Gesicht der Stadt Dortmund. Elisabeth Wilms nutzt ihre privilegierte Chance des durch ihre Ehe mit dem Bäckermeister finanziell abgesicherten Lebens und realisiert ihre Filmprojekte, die wichtige Zeugnisse einer Zeit darstellen, in der alles anders war.
Im Kontrast dazu stehen ihre Auftragsarbeiten: Werbefilme für das Bäckerunternehmen und die Stadt. Während ich die Nachkriegsaufnahmen schaue, die in Anbetracht des inszenierten Wohlstandes dieser Werbefilme fast schon grotesk wirken, empfinde ich ein sehnsüchtiges Gefühl nach Zufriedenheit. Elisabeth Wilms schafft einen Raum der Besinnung. Eine oftmals fremde Empfindung in einer nach steter Optimierung strebenden Wohlstandsgesellschaft.

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Reblog: The Punk Singer – A Film about Kathleen Hanna

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von differentneeds.blogspot.de

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Bild: differentneeds.blogspot.de

Musikdokus gibt es viele. Wir kennen Tourdokus, wie Lady Gagas Monster Ball Tour at Madison Square Garden,  Fandokus, wie Springsteen and I, posthum produzierte Projekte, wie The Future Is Unwritten zu Joe Strummer, Filme, die sich mit für die Musik wichtigen Orten auseinandersetzen, wie Dave Grohls Sound City und – Hand aufs Herz – ich verschlinge diese Filme und Filmchen. Erst Recht, wenn Künstler_innen portraitiert werden, die ich super finde! Klar habe ich mich da tierisch gefreut, als die Filmemacherin Sini Anderson 2011 bei Kickstarter für die Finanzierung von The Punk Singer warb, eine Dokumentation über und mit Kathleen Hanna, Riot Grrrl-Ikone, feministische Aktivistin, Künstlerin, Mutmacherin. Seitdem freue ich mich auf den Film und fiebere auf Screenings in unseren Breiten hin. Et voilà – gestern war es soweit. Im Rahmen des Kölner SoundTrack-Festivals wurde The Punk Singer – A Film About Kathleen Hanna ausgestrahlt.

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Girls, Bromance und der Circuit of Culture – Filmwissenschaftler John Alberti im Interview mit Anna Seidel

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von Anna Seidel

Pünktlich zum Frauenfilmfestival in Dortmund kreisen unsere Gedanken vor allem um die Ladies im Film- und Fernsehbusiness. Die Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Anna Seidel (WWU Münster) forscht immer mal wieder dazu. Im Sommer erscheint zum Beispiel ihr Aufsatz zu Popfeminismus und Fernsehen und gerade arbeitet sie gemeinsam mit Anne Lippke an einem Aufsatz zu Lena Dunhams Produktionen Tiny Furniture und Girls. In diesem Zusammenhang ist sie auch auf John Alberti gestoßen, einen Professor für Cinema Studies an der Northern Kentucky University. Lest, wie die beiden über Film, Fernsehen und Feminismus reden:

John, in Forschung und Lehre widmen Sie sich vor allen Dingen popkulturellen Phänomenen, wie Games und Filmen, was ich gut finde – ich mache es auch so. Wenn Sie nun jemand fragt, warum Sie gegenwärtige Phänomene, wie die Simpsons und Facebook erforschen, anstatt eher klassische, wie den Kaufmann von Venedig oder frühe Briefromane, was antworten Sie?

Ich habe darauf zwei Antworten. Zum einen sehe ich dieses ‚anstatt’ nicht. Ich denke nicht, dass Popkulturforschung ausschließt, sich mit älterer, eher kanonischer Literatur auseinanderzusetzten, oder umgekehrt. Ich habe über die Simpsons und Facebook geschrieben und ich habe über Mark Twain und Henry James geschrieben. Ich sehe all diese Gegenstände als komplexe kulturelle Texte. Zum anderen waren – und das hängt mit dem ersten Teil meiner Antwort zusammen – Texte wie Der Kaufmann von Venedig oder ein Briefroman aus dem 18. Jahrhundert Teil der ‚Popkultur’ ihrer Zeit. Der Begriff und die Idee von ‚Popkultur’ entwickelt sich erst im späten 19. Jahrhundert, als unsere derzeitigen Modelle von ‚high’, ‚middle’ und ‚low’ culture als Teil eines bourgeoisen Gedanken etabliert wurden. Es ist also ein wenig anachronistisch, den Kaufmann von Venedig als popkulturell zu beschreiben. Allerdings kann man ja schon sagen, dass Shakespeare mit einer gewissen Pop-Sensibilität geschrieben hat. Er schrieb für alle möglichen Bildungsschichten und hatte ein viel breiteres Publikum, als es die Schreiber_innen der Simpsons bedienen.

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Bild: routledge.com

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Rezension: Eden

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von pepe

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Gleich vorweg: der Film ist eine LP. Nicht nur wegen des starken Soundtracks, sondern auch wegen seiner epischen Länge. Über mehr als zehn Jahre begleiten wir den jungen Pariser Paul durch Nachtleben und Alltagssorgen. Diese Länge und die gelegentlichen Längen erscheinen bewusst gewählt, denn Pauls Leben dreht sich im Kreis wie die House Platten, die er mixt. Während von Platte, auf Cd und schließlich auf Mp3 gewechselt wird und während seine Exfreundinnen Familien gründen und sein genialischer Freund sich das Leben nimmt, suchen Paul und sein Co-Dj (siehe Abb.) den richtigen Übergang nur von französischem Vocal House zu chicagoer Deep House. Das Ganze ist nicht nur eine Hommage an die generationsprägende Musik der Paradise Garage und den auch im Film und Soundtrack omnipräsenten Daft Punk, sondern eben auch über den Umgang mit den eigenen Ikonen. Wie lange kann Paul wie ein Dorian Gray ewig jung bleiben, wenn es im Leben alles andere als Rund läuft. Diese dem Leben (u.a. des Bruders Sven) abgeschaute Geschichte wurde von der Regiesseurin Mia Hansen-Løve als Männergeschichte inszeniert. Frauen sind wechselnde Freundinnen oder sorgen als verwöhnte Soul Diva für gesangliche Wärme. Eine Rollenverteilung, die viel zu lange in vielen Musikszenen vorherrschte. Die etwas verklärte Djane in einer der letzten Einstellungen, mag hier anzeigen, dass sich auch in diesem Sinne die Zeiten ändern (sollten).

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