Interlectual diet talk oder ausgefuchst
von Pepe
In der Schule scheinen manchmal kleine Veränderungen auszureichen, um von den Coolen zu den Außenseiter*innen zu geraten. Die Kanadierinnen Fanny Britt und Isabelle Arsenault erzählen eine solche Geschichte in ihrer Graphic Novel „Jane, der Fuchs und ich“ mit Hélène als Hauptfigur, die von ihren ehemaligen Freundinnen gemobbt wird. Den Grund sieht sie in ihrem vermeintlichen Übergewicht, aber es scheint eher ihre verträumte Introvertiertheit, die sie von ihren pubertierenden Mitschülerinnen unterscheidet. In ihrer Einsamkeit fühlt sie sich mit der ebenfalls gebeutelten Romanfigur Jane Eyre verbunden – geistiges Werk der Brontë-Schwester Charlotte. Geht es um Jane wechselt der Stil von farbloser Erzählung zur zierlichen Schreibschrift und historisierender Illustration. Gegenüber der schicksalhaften Wendungen des Romans wirkt die Geschichte von Hélène gewöhnlich und wenig erschütternd (gemobbte Außenseiterin, alleinerziehende Mutter, zwei kleinere Geschwister, die eine Einheit bilden, einfache Verhältnisse, möglicherweise Übergewicht) und trotzdem schaffen es die Zeichnungen von Isabelle Arsenault, dass der*die Leser*in die ganze Schwermut der Hauptfigur zu fassen bekommt.
Selbstironisch bis zynisch analysiert Hélène ihre Situation; weiß genau, was Außenseiterinnen in bestimmten Gelegenheiten tun und warum sie es tun. Doch dann kommt es wiederum zu kleinen, fast unmerklichen Veränderungen. Nein, Romanfigur Jane Eyre und Comicfigur Hélène begegnen sich nicht! Das literarische Alter Ego tritt sogar eher in den Hintergrund, als Hélène einige neue Erfahrungen macht: die Begegnung mit einem Fuchs, die Leichtigkeit der Freundschaft und Tatsachen während einer ärztlichen Untersuchung. So erscheint das Lesen des Romans als Eskapismus und Rückkehr in ein neues Miteinander.
Schon in den ersten Sätzen beklagt Hélène immer wieder ihr Gewicht. Als Leserin könnte einem diese Klage bekannt vorkommen und man möchte Hélène gut zu reden. Ist ihr Körperbild nicht viel mehr nur ein Ergebnis hervorgerufen durch die herabwürdigenden Sprüche der ehemaligen Freundinnen und durch den diet talk der Mutter? Viele Mädchen entwickeln ein negatives Körperbild – unabhängig von ihrem tatsächlichen Aussehen.
Souverän erzählt und gezeichnet behandelt diese Graphic Novel ein wichtiges Thema und stellt heraus, dass diese Situation prozesshaft sein kann und nicht schlecht ausgehen muss.
Jane, der Fuchs und ich
Fanny Britt (Text) und Isabelle Arsenault (Zeichnungen)
Übersetzerin: Ina Pfitzner
Reprodukt
104 Seiten
29,00 Euro
Rezensionsexemplar
2 Kommentare
[…] Rezension: Jane, der Fuchs und ich […]
[…] Rezension: Jane, der Fuchs und ich […]