Von Nine Mai
Zugegeben: Literatur und Hexerei, das sind zwei Stichworte, mit denen man sofort meine Aufmerksamkeit hat. „Literary Witches“, auf Englisch erschienen im Oktober 2017, ist eine zauberhaft illustrierte Sammlung „of Magical Women Writers“, die ich allen feministischen Hexen und Literaturliebhaber*innen ans Herz legen will.
Hexen haben mich schon immer fasziniert: Die Hexe ist eine der wenigen weiblichen Figuren, die ihre Kraft und ihr Selbstbewusstsein ausschließlich aus sich selbst zieht – anders als andere klassische Tropen (‚Mutter, Frau, Heilige, Hure‘), die sich immer in Relationen zu anderen definieren. Hexen sind eigenständig, abseits der Norm, mystisch, aber eben auch: gefährlich.
„Women who create things other than children are still considered dangerous by many“ heißt es im Vorwort von „Literary Witches“. Allzu oft verschwinden Künstlerinnen und Schriftstellerinnen aus dem literarischen oder historischen Kanon, wurden und werden marginalisiert oder trivialisiert. Für Taisia Kitaiskaia und Katy Horan, die genau diesen Frauen mit ihrem Buch ein Denkmal setzen wollen, ist „Literary Witch“ die höchste Auszeichnung, die sie an Schriftstellerinnen zu vergeben vermögen.
Den Frauen in diesem Buch kann man in beliebiger Reihenfolge begegnen – es ist unmöglich, nicht hin und her zu blättern, alleine wegen der wunderschön-beunruhigenden Illustrationen. Jede der literarischen Hexen in dieser kleinen Anthologie wird auf drei Seiten vorgestellt. Der Eintrag beginnt mit Name, Geburts- und Sterbedatum und erklärt, wofür die Autorin bekannt ist. Geheimnisvoll wird es auf den nächsten Seiten: Die folkloristischen Portraits von Horan erinnern an dunkle Märchen und Kitaiskaia ordnet jeder Frau drei beschreibende, rätselhafte Begriffe zu („Sorceress of Islands, Venom and Histories“ zum Beispiel).
Es folgt eine dreiteilige Mini-Biographie( „the hexen text“), die spielerisch Fakt mit Vision, Biographie mit Märchen verwebt und uns eine Vorstellung davon gibt, was an diesen Frauen magisch war und ist: Virginia Woolf hat dort die Zauberkraft, von einem Bewusstsein ins nächste zu springen, Audre Lourde steigt aus Lava empor um die Herzen kämpfender Mitstreiterinnen zu entzünden und Octavia Butler zieht neue humanoide Spezies in ihren Blumentöpfen heran. Ein kurzer Abschnitt über das Leben und Arbeiten der Autorinnen, sowie Leseempfehlungen ordnen das Ganze ein. Sie machen Lust aufs Weiterlesen und –forschen, denn viele Namen erkennt man zwar wieder, andere hingegen sind völlig fremd und die eigentümliche Beschreibung weckt auf jeden Fall Neugier.
Nicht nur die Vielfalt der Frauen, auch die Vielfalt der Genres ist beeindruckend. Es geht von feministischer Science-Fiction, über persische Dichtung, britische Kriminalromane bis hin zu antiker griechischer Poesie und Harlem-Renaissance Folklore. Was all diese Autorinnen gemein haben? Sie sind Hexen, natürlich! Und zwar im besten Sinne des Wortes, wie im Vorwort erklärt wird: Zeitreisende, Weltschaffende, Außenseiter, „intelligent, resilient beings, who change with the times and change the times along with them“. Schreiben und Magie, dass sei sowieso nah beieinander – wer wenn nicht Schriftstellerinnen schaffen es wohl, ganze Welten nur aus Worten zu beschwören und ihre Gegenwart so zu verändern?
Magie, Mystik, Feminismus und Schriftstellerei: Vier wunderbare Fäden wurden in diesem Buch zusammengeführt. Für alle die Inspiration suchen und neue Autorinnen entdecken wollen – oder aber bekannte in neuem Licht – für die ist „Literary Witches“ eine echte Schatzkiste.
Literary Witches: A Celebration of Magical Women Writers
Taisia Kitaiskaia & Katy Horan
Seal Press
128 Seiten
12,99 Euro
Rezensionsexemplar
Ein Kommentar
[…] „Rezension – Literary Witches“ […]