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Feminismus im Theater – Interview mit Elena und Lucie vom Theater Oberhausen

Feminismus im Theater – Interview mit Elena und Lucie vom Theater Oberhausen published on 2 Kommentare zu Feminismus im Theater – Interview mit Elena und Lucie vom Theater Oberhausen

Am 08. März findet am Theater Oberhausen ein feministisches Mini-Festival statt. Hier wollen sich verschiedene feministische Initiativen verbinden und Bündnisse knüpfen. Das Theater ist in Deutschland noch in vielen Bereichen sehr männlich dominiert, daher habe ich (Johanna) mit Elena und Lucie ein Interview geführt. Die beiden verstehen sich als Feminist*innen und arbeiten als Dramaturg*innen am Theater Oberhausen. Dort haben sie leitende Funktionen in der Entwicklung und Organisation vieler Theaterstücke und des feministischen Festivals.

 

Johanna: Warum ist es für euch wichtig, Theater und Feminismus miteinander zu verbinden?

Elena: Ich finde es tatsächlich total wichtig, im Theater Feminismus zu thematisieren. Das Theater ist ja ein Medium, das mit Darstellungen, Sichtbarkeiten und Repräsentation zu tun hat — das Aushandeln von Machtverhältnissen sollte eigentlich die Kernkompetenz von Theater sein! Aus meiner Erfahrung wird im Theater aber längst nicht immer danach gehandelt und gerade das macht die Auseinandersetzung mit Feminismus so wichtig. Feministische Impulse sind schon oft aus den performativen Künsten gekommen, man denke an die 60er Jahre, an Künstler*innen wie Valie Export und viele andere. Diese Verbindung hat also Tradition und grade momentan sehe ich sie wieder sehr produktiv.

Lucie und Elena – hoch konzentriert; Foto: Demian Wohler

Lucie: Ich finde es notwendig, weil ich an Theatern, die sich ja häufig als innovativ und visionär verstehen, die Erfahrung mache, dass hier an vielen Stellen nicht differenziert oder selbstreflexiv und oft ohne Kenntnisse aktueller Diskurse und gesellschaftlicher Auseinandersetzungen agiert wird. Ich erlebe das Theater als ein stark ausgrenzendes Feld, in dem Sexismus, Rassismus und Klassismus wirksam sind. Als die Me Too-Kampagne gerade aufkam, saß ich auf Proben und habe männliche Kollegen erlebt, die sich selbstsicher und offen darüber lustig gemacht haben. Oft unterstellt man Menschen, die in künstlerischen Bereichen tätig sind, offenere Einstellungen. Und gerade am Theater sollte man um die Macht von Sprache wissen – und trotzdem lässt sich ein gerechter, nicht diskriminierender Umgang damit schwer durchsetzen. Momentan laufen viele Diskussionen und starten Initiativen gegen Machtverhältnisse an Theatern, zu denen auch ein schreckliches Verständnis der Kunstfreiheit gehört, das Regisseur*innen missbräuchliches Verhalten erlaubt. Dazu gibt es auch ein tolles Statement von Tim Tonndorf! Außerdem hat sich der Verein Pro Quote Bühne gegründet und in Bonn findet am 11. März das 1. Treffen der Theatermacherinnen statt.

Elena: Das Theater ist natürlich auch ein realer Ort und kann da ganz simpel Raum zur Verfügung stellen, eine Plattform bilden und empowern.

 

Johanna: Wie kamt ihr auf die Idee, ein feministisches Festival zu veranstalten?

Lucie: Tatsächlich kam die erste Initiative von der Gleichstellungsstelle der Stadt Oberhausen. Deren Leiterin Britta Costecki hat das Theater angesprochen, ob es Austragungsort des diesjährigen Frauenempfangs zum 8. März sein möchte. 2018 wird ja auch das Jubiläum 100 Jahre Frauenwahlrecht gefeiert. Wir haben uns dafür interessiert und schnell die Idee zu einem Minifestival entwickelt. Auch um öffentlichkeitswirksam in der ganzen Stadt und in der Region, Aufmerksamkeit auf Fragen der Gleichstellung zu lenken. Wir haben Künstler*innen eingeladen, mit denen wir auch sonst gerne zusammenarbeiten oder schon zusammen gearbeitet haben.

Elena: Durch den Empfang der Gleichstellungsstelle werden am 8. März Vertreter*innen verschiedener Generationen im Theater zusammenkommen. Da sind wir sehr gespannt auf die Impulse, denn wir wollen diesen besonderen Tag mit dem Festival feiern und gleichzeitig utopisch in die Zukunft schauen – sozusagen auf die nächsten 100 Jahre.

 

Johanna: Warum das Motiv „Aufstand aus der Küche“?

Lucie: Die Küche erfährt in den 1970er Jahren eine umfassende „Lifestylisierung“ und wird spätestens mit der zweiten Welle des Feminismus zu einem umkämpften Ort im privaten Raum. Seitdem symbolisiert sie die Unterdrückung genau wie die Befreiung von Frauen. Unser Projekt fragt auch, wie sich die Küche als (Re)Produktionsmaschine in unsere Leben einschreibt. Die gleichberechtigte Aufteilung von Hausarbeit beziehungsweise Reproduktionsarbeit ist nach wie vor ein heißes Thema.

 

Aufstand aus der Küche TEIL I; Foto Katrin Ribbe

 

Die Collage des Ankündigungsmotivs hat die Fotografin Katrin Ribbe in Zusammenarbeit mit Mareike Hantschel, Elena und mir für die Veranstaltung entwickelt. Sie dient als Motiv für das gesamte Festival, weil die Themen Lohnarbeit, Hausarbeit, politische, repräsentative Arbeit, Machtpositionen und Führungsstil sowie weibliche Rollenklischees aufgegriffen werden. „Aufstand aus der Küche“ steckt ansonsten im Titel des Reenactment-Projekts, das an dem Festival zu erleben sein wird. Damit setzen wir uns mit feministischer Performance- und Videokunst der 1970er Jahre auseinander und eröffnen neue Zugänge zu ihr. Der Titel nimmt Bezug auf die marxistisch-feministische Theoretikerin Silvia Federici. Sie war Gründungsmitglied des Kollektivs, das die internationale Kampagne „Lohn für Hausarbeit“ entwickelt hat.

 

Johanna: Wo könnte das Theater in Deutschland mehr Feminismus gebrauchen?

Beide: Überall!

Elena: Das fängt erstmal auf der Bühne an. Teilweise finden sich dort sehr veraltete Rollenmuster, die wiederholt und neu eingeübt werden, das zeigt sich schon auf der Schauspielschule: Wer wird aufgenommen? Wie sollen Körper aussehen? Wer bekommt die interessanten Rollen? Natürlich reicht das Problem auch in die Strukturen hinein, die sind teilweise extrem starr. Mir hat neulich jemand von einer Theater-Fachtagung erzählt, wo ein Referent wie selbstverständlich gesagt habe, Theater sei nun mal ein feudales System. Dass Theater mit höfischen Strukturen verglichen wird, höre ich tatsächlich recht oft. Das ist doch ein Skandal! Zum Glück tut sich im Moment ja auch schon einiges.Feminismus bezeichnet für mich auch nicht nur Frauenrechte, sondern den kritischen Umgang mit Machtstrukturen. Da finde ich es wichtig, dass meine Kritik auch andere Diskriminierungsformen im Blick behält und ich mich nicht in die nächste Bubble begebe. 

Lucie: Leider reproduziert ein Großteil des Theaters, das an städtischen und staatlichen Einrichtungen gezeigt wird, traditionelle, konservative Geschlechterverhältnisse und Strukturen. Das ist auch der Pflege des Repertoires von Dramen geschuldet, der man sich verpflichtet sieht. Die Besetzungen von Ensembles richten sich oft noch nach Klischeebildern des 18., 19. Jahrhunderts. Außerdem herrscht auf der Seite der Produzent*innen und in den Entscheidungszentren in der Regel keine große Diversität. Über 70% der Vorstellungen werden von Männern inszeniert und nur rund 20% der Theater werden von Frauen geleitet. Es kommt mir völlig absurd vor, dass bereits in den 1970er und 80er Jahren Künstler*innen für ihre Präsenz in staatlichen Einrichtungen kämpfen mussten und sich seitdem so wenig getan hat! Man bekommt zurzeit sogar den Eindruck eines rückläufigen Trends.

An Theatern sind die Gehälter oft intransparent und individuelle Verhandlungssache: es gibt einen sehr großen Pay Gap. Regisseur*innen und Choreograph*innen verdienen 36 Prozent weniger, freie Schauspieler*innen sogar 46 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen. Am Theater Oberhausen, wo ich zurzeit arbeite, hat der Intendant Florian Fiedler die Gagen der festangestellten Schauspieler*innen angeglichen. Das Leitungsteam besteht außer Florian und dem Autor Dirk Laucke aus Frauen. Aber in der ersten Spielzeit arbeiten neben 12 männlichen Regisseuren nur 6 weibliche an dem Haus. Und von diesen Regisseurinnen haben zwei die Stücke für Kleinkinder inszeniert. Auch die Vereinbarkeit von Theaterarbeit und Familie, Care-Arbeit, etc. gestaltet sich strukturell sehr schwierig.

Elena: Der Intendant in Oberhausen ist zwar männlich (!), aber die Frauen sind bei uns im Leitungsteam klar in der Überzahl. Das allein macht natürlich noch keinen feministischen Ansatz aus. Aber es wird schon der Versuch gemacht, einige Hierarchien aufzubrechen. Das erlaubt mir ein relativ autonomes arbeiten.

 

Widersprüche aushalten; Foto: Elena von Liebenstein

 

Johanna: Was bedeutet es für euch persönlich als Frau Dramaturgin zu sein?

Lucie: Das ist eine schwierige Frage. Zuerst denke ich, ist das Terrain nicht mit dem professionellen Umfeld etwa von Maschinenbauerinnen vergleichbar. In so eine Männerdomäne einzusteigen, davor habe ich sehr großen Respekt. Bühnenbildnerinnen haben am Theater oft mit dem Klischee zu kämpfen, dass Frauen grundsätzlich kein technisches Knowhow haben. Ich hatte das Glück, weibliche Dramaturginnen als Vorbilder zu haben und wurde in meiner Laufbahn insbesondere von Frauen gefördert. Bei meiner ersten Stelle am Schauspiel Köln unter der Intendanz von Karin Beier wurden viele Abteilungen von Frauen geleitet. Und dort haben auch einige LGBT-Personen gearbeitet, was ich als befreiend erlebt habe. Im Anschluss musste ich mich erstmal wieder daran gewöhnen, dass männliche Kollegen in Sitzungen breitbeinig da sitzen, die Gedanken von Kolleginnen zusammenfassen und als ihre eigenen Ideen verkaufen. Oder dass Dramaturginnen oft das Klischee des „fleißigen Lieschens“ anhaftet, sie aber eher nicht als intellektuelle Ideengeber*innen und Gesprächspartner*innen gelten. Ich versuche auf jeden Fall aus meiner Perspektive heraus, Themen und Stoffe einzubringen, die andere Sichtweisen aufmachen oder auch Künstler*innen zu fördern, die anders arbeiten. Oder ich versuche auf die Entwicklung von Besetzungen, Rollenbildern oder Kostümbildern einzuwirken, wenn ich den Eindruck habe, sie reproduzieren Klischees.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich oft nicht offen gekämpft, sondern viele Situationen von Ungerechtigkeit und Sexismus auf der Bühne und hinter den Kulissen lediglich beobachtet, ignoriert, weiter gemacht und maximal mit einzelnen Kolleg*innen darüber gesprochen. Es geht ja auch nicht nur um die binäre Geschlechterdifferenz, sondern um den Umgang mit geschlechterspezifischen Zuschreibungen und um die Haltung gegenüber in der Gesellschaft Marginalisierten. Auch Frauen reproduzieren Klischees und Machtverhältnisse und auch Männer brechen sie auf und brechen mit ihnen.


Elena: Als Dramaturgin habe ich relativ großen Einfluss auf die Geschehnisse und Inhalte am Theater und das gefällt mir. Meine Meinung hat Gewicht. Interessanterweise merke ich manchmal, dass ich das aus meiner Sozialisierung heraus gar nicht immer so gewohnt bin; vor allem im Umgang mit männlichen Kollegen fällt mir das dann auf. Die Frage danach, wer sich im Beruf wie und wieviel Raum und Gehör verschafft, beschäftigt mich sehr – da habe ich immer noch den Eindruck, dass das zwischen Männern und Frauen recht ungleich verteilt ist. Vielleicht habe ich deshalb so eine große Sympathie für Frauen, die viel Aufmerksamkeit einfordern.

Johanna: Vielen Dank für eure Antworten!

 

 

Feminismus im Pott kooperiert mit dem Theater Oberhausen in der Durchführung des Festivals. Bei dem Festival wird unter anderem Silvana einen kurzen Vortrag halten und wir werden als Gruppe mit einem Stand vertreten sein. Wir freuen uns, euch dort zu treffen!

Der Start ist 18 Uhr, der Eintritt kostet für ein Projekt 5€ und für zwei Projekte 8€. Tickets am besten vorher reservieren!

 

2 Kommentare

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