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Morgan Nardi: Wenn unsere Blicke sich treffen, ist es Tag oder Nacht?

Morgan Nardi: Wenn unsere Blicke sich treffen, ist es Tag oder Nacht? published on 1 Kommentar zu Morgan Nardi: Wenn unsere Blicke sich treffen, ist es Tag oder Nacht?

von Chiara Fabri und Lomé

FFT Düsseldorf, 24.02.2015
Regie/Choreographie Morgan Nardi Tanz Said Gharbi Schauspiel Bianca Künzel Statisten* Martin Meinhardt, Clemens Schaar Dramaturgie Alessandro Sciarroni Lichtdesign/Bühne Tim Lenzig Sounddesign/Soundkonzept Chris Benner, Tim Lenzing Produktionsassistenz Benedict Eickhoff Mitarbeit Jana Marscheider

Programmtext: Sein oder nicht sein? Sehen oder nicht sehen? Der Choreograf Morgan Nardi befragt das Theater als Guck-Kasten und die Macht des Blickes innerhalb tradierter Geschlechterkonstellationen. An einem zweigeteilten Abend lässt er einen blinden Tänzer auftreten und eine Schauspielerin, die ihre Stimme erhebt – und verliert. Mit Textfragmenten von Derrida und  Shakespeare beabsichtigt Nardi nicht weniger als die Dekonstruktion dieser männlichen Ordnung.

in den Schoß fallen
https://www.facebook.com/morgan.nardi

In Morgan Nardis aktueller Inszenierung „Wenn unsere Blicke sich treffen, ist es Tag oder Nacht“, geht es um die Unterscheidung zwischen Blicken und Sehen.

Blicke können abschrecken oder einschüchternd wirken – trotzdem soll man den Blick übersehen und den Focus auf das Auge und alles was dahinter kommt, legen. „Sehen oder nicht sehen?“ – dieses Stück ist definitiv keine Neuauflage von Shakespeares Hamlet, sondern nimmt dessen populärste Frage „Sein oder nicht sein?“ als Basis, um diese dem Publikum zu stellen.

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Gendertalk – ein Gespräch mit Daniel Schüßler und Dorothea Förtsch vom ANALOGTHEATER Köln

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von Lilli Boheme

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Quelle: ANALOGTHEATER

Lilli Boheme: Lieber Daniel, liebe Dorothea, kürzlich habt ihr euer 10-jähriges Jubiläum gefeiert – wie kam es zu der Gründung des ANALOGTHEATERS?

Daniel Schüßler: Ich habe vor zehn Jahren das Analogtheater gegründet mit dem Bedürfnis einerseits Regie zu führen und andererseits meine eigenen Vorstellungen umzusetzen und selbst gewählte Themen zu behandeln. Das konnte ich an den Theatern, an denen ich bisher angestellt war so nicht verwirklichen. Unsere Gruppe wird durch Förderanträge, die wir für ein jedes Projekt stellen, finanziert – unter anderem bei der Stadt Köln, beim Land NRW und bei verschiedenen Stiftungen. Das bringt jedes Jahr neue Unsicherheit mit sich, da wir uns nie sicher sein können, ob unsere Projekte gefördert werden.

Welche Themen interessieren dich besonders? Zieht sich ein Thema durch deine Arbeit?

Daniel: In den letzten Jahren haben wir uns intensiv dem Thema Utopien|Dystopie gewidmet. Die Frage, warum Utopien scheitern und welche Gründe es dafür gibt, hat uns besonders interessiert. In den letzten Produktionen haben wir uns mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Wir haben die 68er untersucht, die Befreiungsbewegungen, aber auch den Nationalsozialismus. Dafür haben wir eine dreijährige Förderung erhalten. Jetzt wollen wir die Zeit, in dem wir leben erkunden, nach vorne schauen und über gesellschaftliche Zustände sinnieren. Dafür haben wir einen neuen Antrag gestellt, in dem es die nächsten drei Jahre unter dem Oberthema „The Future is Now – Was beschäftigt den Menschen im 21. Jahrhundert“ um Grenzen und (individuelle) Grenzerfahrungen geht. Das Eröffnungsstück der Reihe war „Gendertrouble in GerMANy – Eine Post-Gender-Performance“ und handelt von der Grenze zwischen den Geschlechtern. Aktuell ist es auch wieder in der studiobühneköln zu sehen. Der nächste Teil der Reihe „Unter Tieren -Eine interspezifische Versuchsanordnung“ wird im Sommer uraufgeführt und widmet sich der Grenze zwischen Mensch und Tier. Wo verlaufen die Grenzen? Wie beständig sind sie und was denkt die Gesellschaft darüber? – diese und weiterführende Fragen werden sich durch unsere Vorbereitungen ziehen. Unsere Stücke entstehen aus einem multiperspektivischen Ansatz, in den unterschiedliche Meinungen einfließen, was automatisch zu unterschiedlichen Deutungen führt und zu verschiedenen Assoziationen anregt.

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Ein Rückblick: Fantasien von Bedeutung. Bilder von Sexarbeit in Medien und Kunst

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von Lilli Boheme
(Erstveröffentlichung: Wir Frauen 4
/2014)

„FANTASIES THAT MATTER. IMAGES OF SEXWORK IN MEDIA AND ART“

Gemeinsam mit dem Missy Magazin schuf die Internationale Sommerkonferenz in der freien Spiel- und Produktionsstätte Kampnagel in Hamburg im Juli einen Raum, um die von Mythen, Fantasien und Projektionen durchdrungene Debatte rund um die Sexarbeit aufzuschlüsseln, neuzudenken und Platz für Heterogenität zu schaffen. Anliegen war der Dialog zwischen Wissenschaft und Kunst mithilfe von Bildwissenschaftlerinnen*, Sexarbeiterinnen*, Künstlerinnen* und Medienmacherinnen*, die gemeinsam die Bilder von Sexarbeit analysierten. Das vielversprechende Programm aus Performances, Vorträgen und Diskussionen bot die Möglichkeit durch vielfältige Ausdrucksformen die brisante Thematik aus unterschiedlichen Positionen zu erfahren und zu diskutieren. Um die Vielstimmigkeit in der Sexarbeit zu umreißen, ist die Rezension mit Zitaten aus unterschiedlichen Quellen angereichert.

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Quelle: http://anniesprinkle.org/

„Was erzählt das Bild, das sich die Gesellschaft von Sexarbeit macht, über ihr Verhältnis zu Frauenarbeit, Sexualität und Sexualmoral, Gender, Migration und Armut?“, diese Frage begleitete durch das ganze Wochenende und war Antrieb für neue Denkanstöße. Trotz leichter organisorischer Pannen, die zum Teil lange Wartezeiten verursachten führten die Kulturwissenschaftlerin und Macherin des Missy Magazines Margarita Tsomou und ihr Kollege der Theaterwissenschaftler Eike Wittrock souverän durch das bunte und provokante Programm. Annie Sprinkle und Carol Leigh – zwei der bedeutendsten internationalen Figuren der Sexarbeiterinnen*-Bewegung inspirierten mit ihren Erzählungen aus ihrem Leben und ihren Kämpfen für die Selbstermächtigung von Sexarbeiterinnen*. Annie Sprinkle, die mit ihrem ausverkauften ‚Brüste-Ballet‘ den Auftakt machte, prägte die gesamte Konferenz durch ihre offene Art und ihre einnehmende Persönlichkeit. Ich bewundere ihre offene Art ebenso wie ihre klaren Urteile zu den Hintergründen der Sexarbeit:

„Ob sie eine Prostituierte, eine Stripperin, ein Porno-Star oder Leiterin eines Sex-Workshops sind, eine Sexpädagogin, Künstlerin oder ob Sie am Theater arbeiten und sich mit den Themen der Sexualität beschäftigen, es kann Ihnen passieren, daß Sie an etwas leiden, das ich Sexarbeiterinnen-Burnout nenne (SABO). Die Gesellschaft fördert die obengenannten Berufszweige/Karrieren/Menschen nicht. Es gibt bei uns allen sehr viel Voreingenommenheit und tiefsitzende Vorurteile, weil wir mit sex-negativen Haltungen aufgewachsen sind. (So wie wir auch rassistisch, homophob und klassenspezifisch erzogen wurden.)“ Annie Sprinkle*

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Rezension: Mr. Turner – Meister des Lichts

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     von Frau Fuchs

Der böse Mann

Mister Joseph Mallord William Turner war dieser eine Künstler, der im 19. Jahrhundert lebte und werkte. Wissen Sie? Umgeben von romantischer Sehnsucht und Frühindustrialisierung war er einer ambivalenten Weltauffassung ausgesetzt: Technischer Fortschrittsglaube und eine soziale Unfähigkeit jenen Fortschritt gesellschaftlich angemessen zu verarbeiten. Welch Kontrast, welch gesellschaftliche Zerrissenheit er doch miterlebte und künstlerisch verarbeitete. Wer würde seine eindrucksvolle Art der maritimen Malerei missen wollen?

Schiffe als Sinnbilder einer Sehnsucht, die nur mit dem Pinsel darzustellen war

Ein von der Natur mit dem richtigen Augenlicht und der richtigen Wahrnehmung beschenkter Mann, der sich in den südlichen Küstenörtchen des sich urbanisierenden Englands bewegte, sich mit seiner Kunst selbst finanzierte wie eine Vorform des Arbeitskraftunternehmers, seine Studienreisen zum europäischen Festland unternahm und Bilder imaginär, für die Fantasie sammelte. Ein Vorbote des Impressionismus und deshalb auf seine Weise sehr avantgardistisch. Aber was war das für ein Mann? Was war das für ein Mensch insbesondere im Kontext seiner Zeit?

Mike Leigh fängt genau dieses historische Moment, genau diesen spezifischen Bias der Zeit, diese besondere Farbgebung dieser Gesellschaft, die gerade auf dem Weg dahin ist, die Natur endgültig zu bezwingen, in seinem Film „Mr. Turner – Meister des Lichts“ ein. Mit langen aber nicht langatmigen Imaginationen finden die Zuschauer*innen Zugang zu Turners Kunst, indem sie beim Zusehen lernen, die Welt durch seine Augen wahrzunehmen, indem er es im Zusehen lernt nachzuempfinden Gesehenes in malerische Energie zu transformieren. Ein großes künstlerisches Handwerk, wenn man mal ganz von der Spucke absieht, die er seinen Farben bei Bedarf untermischt. Auch lernt der kunst- und geschichtsaffine Kinobesucher*innen Turners derb wahnhaftes Auftreten innerhalb der Royal Academy und deren internen Habitus kennen. Das zum zivilen Leben Turners. Aber so sehr legt Leigh nicht den primären Fokus auf die beruflichen Stellschrauben dieses Kunstschaffenden, laufen doch alle geschäftlichen und organisatorischen Dinge so nebenher. Der Alltag eines Künstlers im 19. Jahrhundert, das ist die subtile Grundmelodie, die Leigh imposant und in voller Breite spielt und beibehält.

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Wenn alle nur ich sind…

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… ein Rückblick auf die Ein-Frau-Performance „Imitations of Life“ (Analogtheater Köln)

  von Frau Fuchs

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Quelle: Analogtheater Köln

Das Ich als Kaleidoskop.

Ein Theaterstück mit Annika. Das ist die Schauspielerin, die sich für den Abend dem Publikum als Gastgeberin vorstellt. Auf der Bühne eine Rampe, auf welcher sie hektisch hinauf und hinunter toben wird, an der hinteren Wand links der leuchtende Schriftzug „Being natural is simply a pose“.
Annika verspricht Einblicke in ihr Persönlichstes und doch bleibt sie dabei artifiziell. Oder?
Eine Schauspielerin spielt sich selber – als Schauspielerin und Privatperson, aber wann ist sie die Eine, wann die Andere? Ich bin verwirrt. So, wie sie mit uns redet, dem Publikum, wissen wir nicht mehr, welche Annika und ob überhaupt „Annika“ vor uns steht.

„Me, myself and I“

Da sind ganz viele Annikas, wird man meinen. Obwohl nur eine Person auf der Bühne steht. Sie steht, sie tanzt, sie schlägt um sich, sie kämpft. Ein Aushandeln mit sich selber, darum WER frau ist. Diese ganzen Gesichter von Annika – wem kann der Zuschauer jetzt noch vertrauen? WER ist echt?

Und doch – trotz fehlendem Echtheitsgebot – schafft sie es, zieht uns in ihr gedankliches Labyrinth hinein, spaziert mit uns durch die philosophischen Überlegungen zum Thema Identität. Was sagt Fichte? Nitzsche? Kant? Sie diskutiert mit uns über die alten Schinken seit der Bewusstwerdung, der Erfindung des modernen Ichs. Da ist Annika plötzlich ganz privat mit uns im Kontakt, zeigt uns ihr Inneres durch ihre emotionalen Ausbrüche. Man bekommt immer mehr das Gefühl, dass man jetzt wirklich der ECHTEN Annika begegnet, ganz nah dran ist. Die Echte in ihrer reinsten Form. Wir sehen die Blöße ihrer Persönlichkeit. Sie erzählt von ihrem verstorbenen Vater, ein Mediziner, ihrer Zukunftsangst als junge Künstlerin, junge Frau in einer Welt mit zu vielen Möglichkeiten.
Ja, die Probleme kenne ich. Und du und alle. Aber…

Wenn alle nur ich sind – wo bleibt dann das wir?

Im Pausenplausch mit einem Zuschauer – so bei Wodka und Obst – entsteht noch mehr Intimität. Der Mann aus dem Publikum erzählt ihr von seinen Lebensumständen. Man könnte meinen man würde Zeuge eines Gesprächs bei der Trinkhalle, auf den Fluren der Arbeitsämter, der Bahnabteile, ja, der IKEAs dieser Welt. Eine Begegnung in einem zeitlosen Raum. Bis es weitergeht: Weiter mit dem Hadern um das Ich auf der Bühne des Alltags, das zusammengesplitterte Ganze, was immer wieder in Einzelteile zerfällt, scheiternd.

Tschuldigung, ich bin grad orientierungslos

Annika wird sich nie ganz finden, genauso wenig wie du dich, ich mich, wir uns niemals ganz finden werden. Wir begegnen nur unseren geklonten Schauspielern, viele mimetische Abbilder von dem, was im Gesamten unsere Hauptrolle, das ICH, ergibt. Da können Kant und Fichte und Nietzsche schreiben, was sie wollen. Die zu eingangs gestellte Frage, ob Annika nun die Echte oder die Schauspielerin ist…ob sie uns an der Nase herumführt, uns Nähe vorgaukelt… DAS alles ist Annika.

Ich ist ein buntes Treiben, nichts Physisches, ein ewig dynamischer Kampf der Einzelteile, um die Prägekraft in der Gesamtheit in unserem persönlichen Lebensfilm. Ich ist das, was am Ende bleibt. Ich ist alles von uns.

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