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Als „Die ZEIT“ den Sexismus ins Zeitalter der digitalisierten Pubertät hinüberrettete

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 ein ideologiekritisches Essay

(Triggerwarnung: verschiedene Formen von Gewaltsexualität)

Ein Gastbeitrag von Jana Klein

Unter dem Titel „Cybermobbing: Lauras Entblößung“  ist Anfang Juli in der ZEIT ein langer Artikel zum Jugend-Phänomen des „Sexting“ erschienen. Obwohl sich der Artikel darin wähnt, die Perspektive und die Leiden eines Mädchens zu schildern, dessen intime Filmaufnahmen durch einen Jungen in ihrer Schule verbreitet worden sind, reproduziert er eine sexistische Rezeption von geschlechtsbezogener Gewalt. Die einzige Perspektive, die der Artikel dadurch effektiv vertritt, ist die Täterperspektive. Im folgenden soll der beispielhaft für den jüngsten Diskurs um „Sexting“ stehende Artikel einer Kritik unterzogen und dargestellt werden, wie Erwachsene dafür Sorge tragen, dass sich ihre sexuellen Hierarchien in der Welt der Pubertierenden wiederholen.

 Eine 14jährige, von der Autorin Jana Simon „Laura“ genannt, hatte von einem ihr unbekannten Jungen über das Internet eine Videoaufnahme zugeschickt bekommen, auf der er masturbiert. Auf die Aufforderung, ein ähnliches Video zurückzusenden, filmt sich Laura 20 Sekunden bei derselben Tätigkeit und schickt sie dem Jungen zu. „Knapp zwei Wochen später kennt ihre Klasse das Video, einen Tag darauf die Parallelklasse, schließlich die ganze Schule einer norddeutschen Großstadt“.

Was folgt, nennen vermeintliche Expert_innen seit einigen Jahren „Mobbing“: Niemand möchte mehr mit Laura zu tun haben, sie wird abfotographiert, angerempelt, eine Mitschülerin eröffnet eine Hass-Gruppe auf WhatsApp. Die Autorin interviewt Mitschülerinnen: „Wie kann man so was machen? Freiwillig!?“, „Laura sei widerlich, eine Schande, ein Stück Dreck“. Als ihre Mutter erfährt, dass schon wieder jemand ein Foto von ihr weiterverbreitet hat, habe sie ihr gesagt: „Weißt du nicht, was du uns damit antust? Bin ich die Mutter der Nutte der Stadt?!“. Laura und einige Mitschülerinnen von ihr führen Gespräche mit einer Sozialarbeiterin, eine Anwältin wird in die Schule eingeladen. Laura muss sich vor unzähligen Autoritäten entblößen und rechtfertigen, Konsequenzen für die Täter gibt es keine. Sie wechselt die Klasse, in der es dann ganz langsam wieder besser wird.Continue reading Als „Die ZEIT“ den Sexismus ins Zeitalter der digitalisierten Pubertät hinüberrettete

Facebooks Genderpolitik: Zuckerbrot und Peitsche?

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Ein Gastbeitrag von Galumpine

Während Facebooks neue Geschlechtseinträge in Deutschland erst diesen Monat eingeführt wurden, ist dies in den Vereinigten Staaten schon im Februar passiert. Dort waren am Mittwoch verschiedene Trans*-Aktivist*innen zu Gast in der Konzernzentrale, um gegen den Klarnamenzwang zu protestieren, den der Social-Media-Konzern in den USA nun strenger umsetzt. Der Liberalisierung der Genderbezeichnungen folgte ein umso strengeres Bestehen auf der Authentizität der Persönlichen Daten, das vor allem finanziell motiviert zu sein scheint.

In den vergangenen Wochen ging eine Löschwelle durch die USA. Vermeintliche Fakes wuren gelöscht, Profile von Drag Queens in deren bürgerliche Namen umbenannt. Eine Praxis, die an konservative Politiker*innen erinnert, die ihre Abneigung gegen die ESC-Gewinnerin Conchita Wurst zum Ausdruck brachten, indem sie konsequent deren bürgerlichen Namen benutzten. Hierzulande scheiterten Google und Facebook bisher an der Durchsetzung der Klarnamenpflicht, offiziell verlangt Facebook den bürgerlichen Namen, zu massenhaften Löschungen kam es bisher aber nicht. Google schaffte den Zwang im Juli sogar ab und erlaubt Pseudonyme bei Google-Konten ab sofort explizit.

#MyNameIsRoma

Die Drag-Queen Sister Roma aus San Francisco war vor kurzem Betroffene einer solchen Löschaktion und startete eine Twitterkampagne unter dem Hashtag #MyNameIsRoma. Sie gehört zum Orden der Schwestern der Perpetuellen Indulgenz, die in nonnenhaften Trachten für die Rechte von LGBT* und den Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten eintreten. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Ableger, darunter in Köln und nicht selten sieht man die Schwestern etwa bei queeren Parties Kondome verteilen. Der Kunstbegriff entstand bei der Ordensgründung in den Vereinigten Staaten. Er kann wahlweise mit „immerwährende Duldung oder „ewige Ausschweifung“ übersetzt werden.

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Eine bequeme Wahrheit

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Ein Gastbeitrag von Anna Schiff
(Erstveröffentlichung: ‚Wir Frauen‘ 3/2014)

Manchmal landen auf dem Redakteur*innen-Schreibtisch Bücher, bei denen mensch sich schon vor dem Lesen heimlich fragt, ob es wirklich sein musste, dass dafür ein Baum stirbt. „Tussikratie“ ist eines dieser Bücher. Aber Diskurse über Feminismus beobachten sich ja nicht von alleine, da muss sich die Feministin schon mal in den Morast begeben.

Zu meiner Überraschung konnte ich bereits im ersten Kapitel etwas Neues über mich herausfinden: Ich bin eine Tussi. Das war mir bis zum Lesen des, nennen wir es ruhig Erguss, von Theresa Bäuerlein und Friederike Knüpling nicht klar. Zumindest nicht so eindeutig. Zwar wurde ich durchaus schon in meinem Leben (gerade in der Pubertät) als Tussi beschimpft, aber da bezog es sich auf die mir attestierte weibliche Obsession bezüglich meines Äußeren. Jetzt aber kann ich aus vollem Herzen zustimmen. Aber nicht nur ich – die ganze Wir Frauen-Redaktion und wahrscheinlich auch Sie, liebe Leser*in, – alles Tussis:

„Die Tussi selbst ist solidarisch. Vor allem mit Frauen. Sie hat einen großen Freundinnenkreis und versucht, ein speziell weibliches Netzwerk aufzubauen. Sie hat sich auch um ein Stipendium extra für Frauen beworben […]. Unter Frauen fühlt sie sich sicherer als unter Männern, sie findet Bestätigung bei ihren Geschlechtsgenossinnen, und es ist ihr wichtig, dass die Frauen keinen Keil zwischen sich treiben lassen.“

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Frau und Flüchtling

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Ein Gastbeitrag von Mac

Bereits 1996 flüchtete Elisabeth Ngari aus Kenia nach Deutschland. Sie lebte sieben Jahre in mehreren Flüchtlingslagern in Brandenburg. Geschockt von den Zuständen gründete sie mit Mitstreiterinnen die Gruppe „Women in Exile“, die sich für die Rechte von Flüchtlingsfrauen in Deutschland stark macht. Aktuell engagierte sich Ngari mit ihrer Gruppe bis Anfang September bei der „Flüchtltingsfloßtour 2014“ der Band Strom & Wasser, die auf selbst gebauten Holzbooten über deutsche Kanäle und Flüsse fährt, um auf die katastrophalen Zustände während der Flucht aufmerksam zu machen. Schwerpunkt der Tour ist insbesondere die mehrfache Diskriminierung von Flüchtlingsfrauen. Wir haben mit der Aktivistin am Rande einer Veranstaltung darüber gesprochen, was es heißt Flüchtling und Frau zu sein.

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Foto: Mac

Feminismus im Pott: Was sind die Hauptprobleme für Frauen, die geflüchtet sind?

Ngari: Wenn Flüchtlinge Frauen sind werden sie häufig mehrfach diskriminiert. Die meisten Probleme resultieren dabei aus der Unterbringung in Flüchtlingslagern. In Duisburg zum Beispiel habe ich gesehen wie zwei erwachsene Frauen mit vier Kindern in einem Zimmer leben mussten. In fünfzehn Jahren als Aktivistin in Brandenburg und Berlin habe ich so was noch nicht gesehen. Unglaublich. Die beengte Lebenssituation führt zu unmöglichen Zuständen.

Was bedeutet es, auf so engem Raum zusammen leben zu müssen?

Vor allem fehlende Privatsphäre. Zum Beispiel wenn eine Frau gerade aus der Dusche kommt und einem Mann begegnet. Häufig sind die sanitären Einrichtungen nicht einmal nach Geschlecht getrennt, Frauen haben keine Schutzräume. Außerdem verhalten sich die Heimmitarbeiter oft unangemessen: Sie kommen rein ohne zu klopfen und haben keinen Respekt vor der Privatsphäre der Frauen.

Wie sieht die Situation in Bezug auf die gemischten Flüchtlingslager aus?

Wegen des engen Zusammenlebens treffen Frauen und Männer schnell aufeinander. In Hessen hat uns eine Frau erzählt, dass es für 180 Menschen nur drei Waschmaschinen im ganzen Flüchtlingslager gibt. Hier zeigten die Männer ihre Dominanz: Sie packten die Wäsche der Frauen aus den Maschinen, um zu zeigen, dass sie mächtiger sind und bestimmen können.

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Die Türkei hat eigene Feminist*innen

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Ein Gastbeitrag von Anna Schiff
(Erstveröffentlichung: ‚Wir Frauen‘ 2/2014)

„Nein, ich möchte wirklich keine Kundenkarte haben. Ich gehe ein halbes Jahr ins Ausland.“
„Ach, na gut, wenn das so ist. Wo geht es denn hin?“
„In die Türkei.“
„Oh.“
– Pause –
„Ist schon ok. Ich habe mir das so ausgesucht. Ich will in der Türkei studieren.“
„Hmm… ja, kann sicher auch ganz schön sein, mal so was ganz anders.“

flaggetuerkei29Ganz normaler Alltagsrassismus, der rein gar nichts mit der „ungebildeten Verkäuferin“ zu tun hat. Auch an der Universität bin ich dem einen und anderen erleichterten Aufseufzen begegnet, als ich erzählte, dass ich nicht irgendwo in der Türkei studieren werde, sondern in Istanbul. „Ahhh …. Istanbul. Ja, das kann ich verstehen. Dort ist es ja viel … europäischer.“ Aber was heißt denn schon europäisch? Rumänien wohl kaum. Nein, dahinter steckt der Gedanke an das Europa der ersten Klasse. Das Europa, das so ist wie wir und nicht wie die. Die Türkei genießt in Deutschland kein besonders gutes Image. Sehen wir mal ab vom Bild eines billigen Urlaubslands mit Imbissbuden. Die Wahlergebnisse machen es nicht gerade besser. Was ist nur los mit denen? Die hier sind halt so, antworten dann die deutschen Austauschstudent*innen, die hier die größte Gruppe der Auslandsstudierenden stellen. Sie werden sich später einmal „interkulturelle Kompetenz“ in den Lebenslauf schreiben, obwohl sie nach einem Jahr Türkei gerade mal ein Bier auf Türkisch bestellen können. Die Ironie dabei fällt den wenigsten auf. Türkisch ist eine Sprache die man nicht er-, sondern verlernt, schrieb Kübra Gümüsay einmal so treffend.

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