Skip to content

Auch ich habe zwei Brüste. Das ist hart, aber fair.

Auch ich habe zwei Brüste. Das ist hart, aber fair. published on 15 Kommentare zu Auch ich habe zwei Brüste. Das ist hart, aber fair.

von Katja Sabisch

10612792_705139956201172_3239044399188883604_n
Bild: quickmeme.com

Am Montag habe ich eine E-Mail von der Redaktion der Sendung „hart aber fair“ bekommen. Ich solle als Expertin im „Faktencheck“ dabei sein, der nach der Sendung offen gebliebene Fragen aus einer wissenschaftlichen Perspektive beantwortet. Es ginge um Gender und da sei man auf mich gekommen. Ich bin nett und ich bin mir für nichts zu schade, also habe ich den Herrn angerufen und zugesagt. In Zeiten des Genderwahns ist Öffentlichkeitsarbeit doch richtig und wichtig, finde ich. Oder um es mit Harald Martenstein zu formulieren: Auch Genderwahn sollte differenziert betrachtet werden. Als ich dann am Telefon gehört habe, wer alles über Unisex-Toiletten und Ampelmännchen diskutieren wird, wurde mir doch etwas schummrig. Die arme Anne. Die muss sich was von der Thomalla über Brüste anhören. Der arme Hofreiter. Der muss sich vom Kubicki was über Haare anhören.

Abends habe ich dann zugegebenermaßen schweren Herzens von den Geissens auf die ARD umgeschaltet und das bitter bereuen müssen. Herr Plasberg begann mit diskreditierenden Bemerkungen über die Gender Studies, von denen er offenkundig noch nie etwas gehört hat. Sonst hätte er bestimmt nicht Frau Thomalla nach Ihrer Meinung zur sozialen Konstruktion von Wirklichkeit durch Sprache und die damit einhergehenden Exklusionen gefragt. Die hat gelacht und gesagt, dass sei Schwachsinn. Es ist schon bemerkenswert, wie fast 200 Jahre Philosophiegeschichte mit einem Lipgloss-Lächeln vom Tisch gefegt werden können. Aber sei’s drum. Es gibt ja in dem „hart aber fair“-Format noch ein paar Einspieler, die die Unkenntnis des Moderators wieder wettmachen können. Und auch da habe ich mich getäuscht. Die Redaktion hat sich mit Mario Barth-Manier auf das Thema Gleichstellung gestürzt. Ich bin davon überzeugt, dass die MitarbeiterInnen um mehrere Fässchen Kölsch gewettet haben, wem die blödesten Beispiele zum Genderwahn einfallen. Chapeau, liebe Redaktion! Ihr habt es geschafft, nicht nur die Gender Studies, sondern auch das vermeintliche Qualitätsfernsehen vorzuführen.

Dabei ist alles so einfach und leider gar nicht aufregend: Gender Studies sind eine Forschungsperspektive. Sie erweitern den wissenschaftlichen Blick einzelner Disziplinen wie Sozialwissenschaft, Medienwissenschaft, Medizin, Geschichts- oder Rechtswissenschaft, indem sie der Kategorie Geschlecht einen zentralen analytischen Stellenwert einräumen. Es gibt unzählige Beispiele, die den Sinn und die Relevanz der Gender Studies unterstreichen. Zu nennen wären da die bahnbrechenden soziologischen Arbeiten von Regina Becker-Schmidt aus den 1980er Jahren, die erstmals die Problematik der „doppelten Vergesellschaftung von Frauen“ empirisch erforschten – heute firmiert das Ganze unter der Überschrift „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Davon hatte man damals noch nicht viel gehört. In den 1990er Jahren wurde die Debatte über die soziale Ungleichheit durch philosophische Einsichten ergänzt: Judith Butler veröffentlichte ihr umstrittenes Buch „Gender Trouble“ – ein Plädoyer für ein Denken der Differenz, ich liebe es. Denn wie schon Birgit-mach-die-Bluse-zu-Kelle so richtig sagte: Frau ist nicht gleich Frau. Es gibt keine gemeinsame Weiblichkeit, Geschlecht ist intersektional verfasst – auch, wenn Herr Kubicki das anders sieht. Aufzuzählen sind zudem die empirischen Studien zu Gewalt. Ursula Müller startete 2002 eine Repräsentativuntersuchung zu „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit“ von Frauen – und kam zu dem ernüchternden Ergebnis, dass 40% der in Deutschland lebenden Frauen bereits sexualisierte und/oder körperliche Gewalt erlebt haben. Dass allerdings Männer die eigentlichen Opfer dieser Befunde sind, hat Sophia Thomalla eindrücklich an einem Beispiel aus den USA darlegen können. Ich meine mich zu erinnern, dass sie etwas über einen Fahrstuhl berichtete, traue mich aber nicht in die Mediathek von „hart aber fair“. Die Frage, warum es so wenig Frauen in Führungspositionen gibt, hat Carsten Wippermann 2012 untersucht. Er kommt zu dem Schluss, dass die „Hüter der gläsernen Decke“ massive informelle Bollwerke gegen Führungsfrauen auffahren. Es liegt also doch nicht daran, Herr Kubicki, dass Frauen eine schlechtere Ausbildung haben. Fragen Sie Herrn Wippermann.

Nun handelt es sich bei meiner Aufzählung um Schlaglichter, die keinesfalls die Bandbreite der Genderforschung abbilden. Aber mal ehrlich: Wenn ich zu dem Thema Gleichheitswahn recherchiere und nicht mal in die Nähe einer ordentlichen Studie gerate, ist auch das bemerkenswert. Nach der Sendung saß ich also etwas verdattert vorm Fernseher. An die Geissens war nicht mehr zu denken. Ich hatte Angst vor den Faktencheck-Fragen – womöglich werden die ja von dem ahnungslosen Moderator selbst formuliert? Dann müsste ich die ganze Nacht am Rechner sitzen. Also habe ich etwas getan, was ich selten tue: Ich habe „nein“ gesagt. Mach ich nicht. Googelt Euch Eure Fakten lieber selbst. Und als Entschuldigung für die verpassten Geissens bekomme ich ein Fässchen Kölsch.

Facebookby feather

Es gibt einen Genderwahn

Es gibt einen Genderwahn published on 1 Kommentar zu Es gibt einen Genderwahn

von Katja Sabisch

10945549_766486190066548_1941296288950260676_n
http://the-daily-feminist.tumblr.com/

Es gibt einen Genderwahn. Und ich als Professorin für Gender Studies bekomme nichts davon mit. Deshalb plane ich nun einen Facebook-Account und werde versuchen herauszufinden, wer oder was denn wahnsinnig ist. Ich weiß nämlich von meinen studentischen Hilfskräften, dass die Debatte darüber im Netz stattfindet – et voilà, hier bin ich!

Bislang habe ich feststellen können, dass unter Genderwahn bereits die Meinung fällt, dass die Gleichstellung von Männern und Frauen eine gute Sache ist. Nun, das ist erstaunlich. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit hört sich für meine Ohren nicht allzu verrückt an. Vom Genderwahn sei aber auch die Wissenschaft betroffen – und das betrifft mich jetzt direkt, denn mein Lohn ist sowieso gleicher als der von anderen. Gender, so die einhellige Meinung, führe zu Unwissenschaftlichkeit. Und jetzt kommt es: Die Geschlechterperspektive in der Wissenschaft sei nicht objektiv und damit eben unwissenschaftlich. Auch das ist erstaunlich. Denn wenn ich die philosophischen und soziologischen Klassiker richtig verstanden habe, wurde die Mär von der wissenschaftlichen Objektivität spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts als eben solche entlarvt. Und das nicht mal von Feministinnen, die hatten da weiß Gott anderes zu tun. Das heißt, dass nicht nur der wissenschaftliche Blick auf Geschlecht, sondern auch der auf Finanzmärkte, Kugelfische oder PEGIDA sozial positioniert ist. Wenn ich also demnächst eine große Studie über den Genderwahn anstrenge, ist das ein ebenso ärgerliches epistemologisches Problem wie die Erforschung der Eisbären auf der Insel Nordaustland bei Spitzbergen – und hat leider nichts mit Gender zu tun.

Continue reading Es gibt einen Genderwahn

Christentum und Feminismus

Christentum und Feminismus published on Keine Kommentare zu Christentum und Feminismus

von Fließbandbaby

Neulich habe ich auf der Internetseite des Deutschlandradios eine Buchbesprechung gelesen.Es ging um das neue Werk von Beatrice von Weizsäcker mit dem Titel „JesusMaria. Christentum für Frauen“. Was ich gelesen habe, hat mich gestört. Gleich zu Anfang: Gemeint ist nicht das ganze Buch, sondern nur das Vorwort – es handelt sich hier entsprechend nicht um eine Rezension, sondern nur um eine Auseinandersetzung mit den Aspekten, die von Weizsäcker in ihrem Vorwort für erwähnenswert gehalten hat. Gestört gefühlt habe ich mich auf zwei Ebenen: Als Mensch, biologisch eine Frau, an Genderfragen interessiert und in seiner diesbezüglichen Selbstwahrnehmung sehr offen ist. Auf zweiter Ebene als Studentin der evangelischen Theologie.

Was stört mich konkret als gendersensibles, biologisch weibliches und praktizierend evangelisches Wesen?

Mich stört, dass von Weizsäcker Geschlechterklischees vergangener Generationen erneut als selbstverständliche Gegebenheiten proklamiert: „Frauen sind in der Regel barmherziger als Männer.“ „Frauen sind friedfertiger als Männer […] Das liegt auch daran, dass sie nicht so skrupellos sind wie viele Männer.“ Identifiziert werden diese Eigenschaften mit denen, die von Weizsäcker Jesus von Nazareth zuschreibt: „Es sind auch weibliche Tugenden, die Jesus ausmachten, nicht nur Männliche. Ihn trugen Glaube, Hoffnung und Liebe. Auch diese drei werden in der Regel nicht mit Männern verbunden, sondern mit Frauen.“ „Der Blick auf sein Leben, auf das, was er verkündete und tat, ist Frauen oft näher als Männern. Leidensfähigkeit, Mitleiden, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft, Dienst am Menschen: All das ist eher typisch für Frauen als für Männer.“

 Hier setzt die zweite Ebene meiner Verärgerung ein. Zurzeit belege ich ein Seminar zu Forschungsperspektiven auf das Leben Jesu und erfahre einmal mehr, wie komplex und oft spekulativ diese Forschung ist. Von Aussagen wie „Jesus hätte das nicht gewollt“ oder „Jesus war so und so“ sollte jede*r mit gesundem Menschenverstand absehen – denn was Jesus genau gesagt und gemacht hat, wissen wir schlichtweg nicht. Natürlich, es gibt die Evangelien, die neutestamentlichen Briefe und außerbiblische Quellen, die wir zur Rekonstruktion des Lebens Jesu heranziehen können, aber diese Texte wurden von Menschen geschrieben. Sie sind vieles, aber eins sind sie nicht: historisch zuverlässige Handlungsberichte. Man kann nicht wie von Weizsäcker davon ausgehen, dass, was „nach der Bibel verbrieft“ ist, auch tatsächlich so war. Das ist in der Theologie nicht erst seit gestern common sense, sondern seit über 100 Jahren. Um das zu verstehen, muss man im Übrigen auch nicht Theologie studieren – dass die Lebensgeschichten Jesu in den vier Evangelien oder die beiden Schöpfungsberichte in der Genesis unterschiedlich sind, merkt selbst ein Kind.

Es ist einerseits gewinnbringend und wichtig, dass auch „Laien“ über Glaube und Religion schreiben – zumal bei Protestanten das Priestertum aller Gläubigen gilt. Es ist andererseits frustrierend, wenn diese Laien dann ihre eigene Bibelinterpretation und ihr persönliches Glaubensempfinden als Gottes/Jesu Willen verkünden. Persönlicher Glaube ist eine Ebene, auf der es kein Richtig und Falsch gibt. Aber Theologie ist eine Wissenschaft und als solche hat sie Methoden, die es zu wahren gilt, wenn man etwas mit dem Anspruch auf Richtigkeit von sich gibt. Von Weizsäcker ist promovierte Juristin, es ist davon auszugehen, dass sie um die Richtlinien wissenschaftlicher Arbeit weiß. Warum verweigert sie Wissenschaftlichkeit bei einem Thema, das sie doch so dringend nötig hat? Nicht zuletzt stört mich ein Seitenhieb auf die feministische Theologie: Was die denn nütze, wenn sie Männer ausschließe, fragt die Autorin. Auch hier hätte ein Fitzelchen mehr Wissenschaft nicht geschadet.

Continue reading Christentum und Feminismus

Über Superheldinnen, Stereotype und die Zukunft

Über Superheldinnen, Stereotype und die Zukunft published on Keine Kommentare zu Über Superheldinnen, Stereotype und die Zukunft

Ein Gastbeitrag von Ronja Mercedes Nabert

Frauen dürfen heute fast alles: arbeiten, abtreiben, studieren; wählen und gewählt werden. Eine immer breitere Akzeptanz finden auch Hosen, Miniröcke und Kopftücher. Nur dass Frauen in Comicadaptionen die Welt retten, ist noch nicht so gerne gesehen. Parodistisch und halbnackt wird ein solches Handeln schon mal geduldet, doch hinter vorgehaltener Hand hat man auch dann nur ein Naserümpfen für diesen Sittenverfall übrig. Zumindest in Hollywood. Vor einigen Tagen nun gab Marvel bekannt, dass für den Sommer 2018 ein Kinostart geplant ist. „Captain Marvel“ soll über die Leinwand laufen. Der Produktionsfirma wurde dieser große Schritt sehr oft angeraten und doch wurden Pläne in diese Richtung in den vergangenen neun Jahren immer wieder verworfen. Captain Marvel ist dieses Mal eine Frau. Die Protagonistin ist eine Frau! Ein guter Anlass, um sich mit den verschiedenen Formen der Marginalisierung von Superheldinnen auseinander zu setzen.

httpde.wikipedia.orgwikiDateiBatgirl_cosplay_01.jpg
Quelle: Wikipedia

Continue reading Über Superheldinnen, Stereotype und die Zukunft

Feminismus kommt nicht in die Tüte!

Feminismus kommt nicht in die Tüte! published on Keine Kommentare zu Feminismus kommt nicht in die Tüte!

von Lilli Boheme

Call us ugly to sell us shit_Anonym_2014
Anonym (2014)

„Zeig mir mal, wie ein Mädchen rennt!“ fordert die Frau hinter der Kamera von der Jugendlichen, die im Scheinwerferlicht steht. Sie fängt an zu tippeln, schwingt ihre Arme albern und grinst affektiert. Nur das Gackern fehlt… Niemand kauft ihr ab, dass sie sich so auch nur einen Zentimeter ohne zu fallen von der Stelle bewegen könnte. Die anderen Jugendlichen, die in den nächsten Szenen zu sehen sind, bewegen sich nicht effektiver. Sie scheinen sich lächerlich, zu machen – über Mädchen, über rennende Mädchen und die jungen Frauen letztlich auch über sich selbst. Aber dann kommt der Clou – die jungen Frauen und Männer werden durch präpubertäre Mädchen ausgetauscht. Sie bekommen die gleichen Anweisungen und siehe da, unterlegt mit pathetischer Musik rennen die Mädchen mit verbissenem Blick los und scheinen fast aus dem Bild zu stürmen. Die Zuschauer*in wird gefragt, seit wann die Beschreibung etwas „als Mädchen zu tun?“ eine Beleidigung sei. Ein weiterer Satz wird eingeblendet und weist darauf hin, dass in der Pubertät das Selbstvertrauen von Mädchen stark sinkt. Always will das ändern. Always, die Slipeinlagen-Hersteller*in, die in ihrer Werbung blaue Flüssigkeit anstatt Blut verwendet, möchte ernsthaft den Mädchen und Frauen dabei helfen, ihr Selbstbewusstsein nicht zu verlieren bzw. es zurückzugewinnen? Wie sollen Mädchen und Frauen ein positives Selbstwert- und Körpergefühl entwickeln, wenn Menstruationsblut selbst für eine Slipeinlagen-Werbung zu eklig ist? Die Marke always wird übrigens von dem amerikanischen Unternehmen P&G vertrieben, zu dem unter anderem Kosmetikartikel, wie Gilette Venus („Die Göttin in dir“), Pantene („Entschuldige dich nicht, sondern Glänze & sei stark“) und Maxfactor („Pionier der Schönheitsindustrie“) gehören. Marken mitsamt ihren Produkten ein feministisch-emanzipatorisches Image zu geben, scheint im Trend zu liegen. Auch Dove setzt diese Strategie ein, um eine Fülle von Kosmetikprodukten an die Frau zu bringen. Vielleicht hat Dove diese Strategie sogar begründet – brüsten sich die Markenbetreiber*innen  doch schon seit längerer Zeit damit, mit „normalen Frauen“ Werbung zu machen. Auch hier ein kleiner Markencheck: Dove gehört zum niederländisch-britischen Konzern Unilever, der desweiteren auch Axe (sexistische Werbekampagnen) und du darfst (abnehmen) herstellt.

Continue reading Feminismus kommt nicht in die Tüte!

Primary Sidebar

Schrift anpassen
Hohe Kontraste