Kennt ihr schon das Magazin *innenAnsicht? Im Rahmen unserer #grrrlsconnect Aktion haben wir Anna und Alica – die beiden Initiator*innen dieses tollen Projektes – für ein Interview getroffen!
Wer seid ihr? Sagt doch mal ein paar Worte zu euch!
Alica: Ich bin Alica, das ist Anna. Wir studieren beide „Kultur- und Medienpädagogik“ an der Hochschule Merseburg. Und wir sind die Gründer*innen von der *innenAnsicht.
Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Magazin ins Leben zu rufen?
Anna: Wir haben so rumgesponnen und gedacht, dass es irgendwie eine coole Idee wäre.
Alica: Genau. Wir waren in der Hochschule und haben in der Mittagspause darüber gesprochen, dass wir es blöd finden, dass so viele Magazine auf Englisch und sehr akademisch ausgerichtet sind. Es wird sehr viel feministisches Vokabular benötigt, um die Inhalte zu verstehen. Wir haben uns gesagt, dass es ja eigentlich cool wäre, noch mehr deutschsprachiges Angebot zu haben. Die Idee war entstanden und wir hatten Bock. Dann hatte Anna ein Seminar und ich hatte nichts zu tun und habe ein Konzept runtergeschrieben und dann kam sie zurück und ich habe gesagt „Hier, guck mal!“
Anna: Und dann war es da und dann mussten wir es durchziehen!
Und wie hat das funktioniert?
Alica: Wir haben das Konzept über verschiedene Verteiler herumgeschickt. Think Big hat uns gefördert und es uns finanziell ermöglicht, dass wir uns an einem Wochenende treffen konnten. Das haben wir in Halle gemacht. Ungefähr zehn Personen haben bei diesem Treffen gemeinsam an einem Konzept gearbeitet. Wofür stehen wir? Wie soll unser Design aussehen? Was wollen wir für Themen abdecken? Und dann ging es richtig los mit der Gestaltung. Das war letztes Jahr im September.
Seit wann ist Feminismus ein Thema für euch und wie seid ihr damit in Berührung gekommen?
Anna: In der Schulzeit habe ich mich immer gegen das Gendern ausgesprochen. Das finde ich jetzt total blöd von mir- wenn man älter wird, wird man weiser!
Ich hatte früher auch eine Freundin, die durch ihre Mutter und durch Bekannte so super in der Frauenrechtsbewegung sozialisiert worden ist und finde es im Nachhinein supercool, dass sie das so verteidigt hat und bewundere sie dafür. Durch eine sehr engagierte und aktive Freundin bin ich zum Feminismus gekommen – und durch politische Sozialisation. Wobei ich mich früher auch immer als total unpolitischen Menschen eingeschätzt habe. Das ist natürlich Quatsch; jeder Mensch ist in irgendeiner Form politisch.
Alica: Ich bin gar nicht zuerst zum Feminismus gekommen, sondern zuerst zu LSBTTIPAQ+ Themen, also zu queeren Themen. Nach meinem Outing bin ich in diesen Bereich reingerutscht und habe mich in einem Verein engagiert. Ich war die einzige weibliche Person im Vorstand, ich war sozusagen die „Quotenfrau“. Da habe ich mich gefragt: „Wir sind ein Verein für queere Menschen und ich bin die einzige, sich als Frau identifizierende Person? Seltsam! Was ist hier los?“
Und mein feministischer Das-ist-so-cool-Moment kam dann letztendlich durch die Lektüre von Julia Korbiks Buch „Stand Up“. Ich bin dann auch erstmal so in diesem queeren Engagement dringeblieben, habe aber gemerkt, dass sich meine Art, mich zu engagieren, verändert hat.
Queeres und feministisches Engagement hängen dann für dich also gar nicht unbedingt zusammen?
Alica: In Freiburg erschien mir die queere Vereinsszene sehr schwul, cisgender und weiß.
Anna: Das würde ich aber in vielen Städten so sehen.
Alica: In Halle sehe ich das zum Beispiel nicht so sehr. Da gibt es einen Verein, der sich super bemüht und der dabei ist, ganz viele verschiedene Menschen mit reinzubringen. Andere Städte kann ich persönlich nicht einschätzen.
Drei Worte, dazu, was die *innenAnsicht in euren Augen ausmacht?
Alica: Laut, vielfältig, bereichernd!
Anna: Ich finde „inklusiv“ noch total wichtig!
Alica (nickt zustimmend): Stimmt, das ist auch wichtig. Wir haben dann einfach zu zweit vier Wörter!
Warum habt ihr den Gender*Star als euer Logo gewählt?
Alica: Ich habe mich sehr lange gegen gendergerechte Sprache gewehrt und bin relativ spät dazu gekommen, aber dann auch direkt zu der Art mit Sternchen. Ich weiß, dass es die Diskussion gibt, dass das Sternchen nicht mehr ganz so aktuell ist, was ich auch so annehmen kann.
Ich benutze das Sternchen aber ganz bewusst, weil es einfach mehr als zwei Geschlechter gibt und das Zeichen für mich Vielfalt transportiert. Es ist zum Symbol für das Label „Feminismus“ geworden.
Anna: Vero aus unserem Team hatte diese Idee, ich war total begeistert von dem Wortspiel mit „innen“, und dann war es ja irgendwie die logische Schlussfolgerung, dieses Sternchen anzunehmen. Zumal das für mich auch zu feministischer Praxis gehört.
Alica: Wir waren alle sofort verliebt in diesen Namen.
Wer sind eure Autor*innen?
Alica: Wir sind momentan 25 Redaktionsmitglieder, davon sind zehn regelmäßig aktiv. Wir haben auch ganz viele Personen im Hintergrund, zum Beispiel Menschen, die sich ums Editieren kümmern. Wir haben einen strukturierten Redaktionszyklus. Jeder Beitrag wird als erstes in ein internes Redaktionsforum hochgeladen und dann müssen zwei andere Personen aus der Redaktion diesen Artikel gegenlesen.
Anna: Wir haben lange überlegt, wie wir das machen. Wir wollten nicht zu viele Hürden aufbauen, die wir aber natürlich trotzdem irgendwie haben – aber wir wollen uns halt selber vor bestimmten Inhalten und Trolls schützen.
Alica: Wir haben uns Redaktionsrichtlinien überlegt und alle Menschen, die gerne bei uns mitmachen wollen, müssen diesen Richtlinien zustimmen.
Aber es können durchaus auch Menschen an euch herantreten, wenn sie einen spannenden Artikel, Erfahrungsbericht oder ähnliches haben?
Anna: ja, man kann gerne Gastbeiträge einreichen. Wir freuen uns auch über neue Menschen die aktiv sind!
Für welche Themen interessiert ihr euch am meisten? Was sind eure Spezialgebiete und worüber schreibt ihr am liebsten?
Alica: Wir sind beide sehr medienaffin, auch durch unser Studium. Das gilt für viele Redaktionsmitglieder. Wie werden Frauen in den Medien dargestellt? Musik, Bücher – mit solchen Themen beschäftigen wir uns häufig und gerne.
Mein Anspruch an mich selber ist es, noch mehr den Aspekt Sexualitäten mit reinzubringen. Als wir unser Treffen hatten, haben wir für uns auch den Anspruch formuliert, aktiv Menschen zu suchen – Women of Color, trans Frauen oder muslimische Frauen beispielsweise -, die für uns Artikel schreiben wollen. Wir können nicht erwarten, dass die Menschen einfach zu uns kommen. Wir müssen uns aktiv dahinterklemmen.
Anna: Wir sind auch noch nicht so divers, wie wir es gerne hätten
Alica. Nein, auf keinen Fall. Ich würde auch nicht so einen Aufruf starten, sondern eher ganz gezielt sagen „Hey, ich möchte jetzt zum Beispiel über lesbische Lebensrealitäten schreiben“ und dann in meiner Stadt gucken und diese Gruppen ganz spezifisch aufsuchen. Ich finde den Gedanken irgendwie schön, dieses „Gib dein Mikrophon weiter“. Wir haben ja diesen Raum und diese Möglichkeiten und können das weitergeben.
Anna: Und Menschen diese Plattform bieten.
Ein offener und empowernder Umgang mit Sexualität ist genauso Teil eures Konzeptes wie die Auseinandersetzung mit Politik oder Medien. Was möchtet ihr euren Leser*innen insbesondere vermitteln?
Alica: Wir sind zu viele, um alle das Gleiche sagen zu wollen. Und vielleicht sind unsere vielen individuellen Schwerpunkte unsere Stärke.
Anna: Ich würde mir auch nie anmaßen, da im Namen aller beteiligten Personen zu sprechen und ich glaube, die meisten Artikel sind unter der Kategorie „Gesellschaft“, weil sich einfach alles unter den Punkt „Gesellschaft“ einordnen lässt auf eine Art und Weise. Die aktiven Redaktionsmitglieder sind aber eher medienaffin und schreiben über Frauenrollen im Film und in Serien. Wir haben auch eine Reihe über Computerspiele und Sexismus im Gaming.
Über welche Rückmeldungen aus der Leser*innenschaft habt ihr euch persönlich besonders gefreut?
Alica: Zahlenmäßig war das sicherlich der Trump-Artikel (Was ist das für 1 Präsident?), der zusammenfasst, was Trump über marginalisierten Gruppen sagt. Und dann gab es noch den Gastbeitrag zu sexualisierter Gewalt – „Raus aus der Schockstarre“
Anna: Da gab es auch viele Kommentare – leider nicht nur konstruktive.
Und positiv?
Alica: Für mich war es ein sehr empowernder Moment als meine Mutter, die von Feminismus vorher nicht so viel wusste und hielt, mir irgendwann eine Nachricht geschrieben hat. Sie hatte einen Artikel von uns gelesen und schrieb nun: „Alica so langsam verstehe ich, was du da machst!“. Und das war so ein „Yes“-Moment. Selbst wenn ich nur diese eine Person erreicht habe und meine Mutter jetzt denkt „Feminismus – das kann vielleicht gut sein“, dann hat es sich schon gelohnt!
Im Magazin wird deutlich, dass Intersektionalität in euren feministischen Analysen ganz wichtig und präsent ist. Warum?
Anna: Unser erster Gedanke war es ja, diesen intersektionalen, queerfeministischen Ansatz auch deutschsprachig mehr zu verbreiten. Im deutschsprachigen Bereich ist Intersektionalität nämlich noch nicht so verankert. Im englischsprachigen Raum ist man da bereits sehr viel weiter.
Alica: Ich glaube, ich bin auf Intersektionalität auch aus so einem persönlichen Kontext heraus gestoßen.
Anna: Frauenrechte sind Menschenrechte. Wenn ich für die Rechte von Menschen kämpfe, dann kämpfe ich doch gleich für alle Rechte von allen Menschen.
Und wie versucht ihr, diesen Anspruch an einen intersektionalen und möglichst barrierefreien Feminismus zu erfüllen?
Anna: Wir achten nicht nur auf verschiedene Perspektivierung der Autor*innen, sondern versuchen auch drauf zu achten, dass die Artikelbilder, die wir wählen, auch unterschiedliche Arten von Menschen darstellen.
Alica: Für mehr Barrierefreiheit haben wir ein Glossar eingeführt. Das könnte man sicher noch weiter ausbauen, aber Begriffe, die man nicht so direkt kennt, sind dort verlinkt und führen zum Glossar.
Anna: Das Glossar ist aber noch nicht genug und auch noch nicht so gut zu verlinken – ich hätte das gerne noch cooler.
Alica: Es gibt auch das Konzept, dass wir mehr crossmedial machen wollen und damit nochmal eine andere Zielgruppe erschließen wollen.
Anna: Was wir auch noch total gerne machen würden, wäre mehr in einfacher Sprache. An sich fände ich es auch toll, wenn jeder Artikel in zwanzig Millionen Sprachen erscheint, aber das ist ja total utopisch und es ist ja auch nicht unser Anspruch; unser Anspruch war ja, etwas Deutschsprachiges zu machen, weil eben nicht alle Menschen Englisch sprechen.
Alica: Es ist jedenfalls ein Prozess. Wir suchen noch nach Wegen, barrierefreier zu werden. Aktuell bauen wir eine Audiobibliothek auf, in der unsere Artikel in vertonter Version erscheinen. Für Menschen die vielleicht nicht so gut oder gar nicht lesen können.
Anna: Wobei das Ziel ja nie erreicht ist.
Alica: Genau, wir werden wahrscheinlich immer noch etwas Neues finden!
Plant ihr noch weitere Formate? Vielleicht eine Printversion?
Alica: Wir hätten gerne mal eine Printausgabe.
Anna: Aber da gibt es noch vieles zu bedenken, es ist Zukunftsmusik!
Was hat die Arbeit für das Magazin euch persönlich gebracht?
Alica: Gute Menschen, meine eigene caring community sehr viel Spaß, sehr viele neue Gedanken, die ich vorher so nicht hatte, sehr viele Denkanstöße.
Ganz, ganz viel. Ich fühle mich so bereichert!
Anna: Ich würde sagen Selbstbewusstsein und gute Unterhaltung.
Alica: Einfach zu wissen, dass wir beide das so aus dem Boden gestampft haben. Nicht alleine natürlich. Aber wenn ich so zurückdenke: Wir saßen da in diesem Raum und hatten dieses Konzept und plötzlich ist die *innenAnsicht daraus entstanden. Es macht stolz zu wissen, dass wir so etwas können!
Anna: Und wir sind dadurch enger zusammengewachsen
Alica: Ja, diese Gemeinschaft!